Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im Ausspruch nach § 263 Abs. 2 StPO unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte darauf verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Ingeborg A des Verbrechens der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 und Abs. 3, letzter Fall, StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß sie sich im September und Oktober 1981 in Wien ein ohne ihr Zutun in ihren Gewahrsam geratenes (fremdes) Gut mit dem Vorsatz zugeeignet habe, sich hiedurch unrechtmäßig zu bereichern, indem sie als Alleineigentümerin und faktische Geschäftsführerin der Firma B, Ein- und Ausfuhrhandels-GesmbH den ihr von der Firma C D für einen von ihr vermittelten Verkauf von Waren der Firma F. Ludwig E Schokolade- und Zuckerwarenfabrik KG. übermittelten Kaufpreisrestbetrag von 961.641,50 S nicht an die zuletzt genannte Gesellschaft weiterleitete, sondern zur Abdeckung eigener Schulden verwendete.
Das Erstgericht nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Die Angeklagte war zu 75 % Eigentümerin des Stammkapitals der B Ein- und Ausfuhrhandelsgesellschaft m.b.H. und seit Juni 1974 auch deren Prokuristin. Die restlichen 25 % der Geschäftsanteile hatten ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann Ernst F gehört, dessen Alleinerbin sie war. Die B stand seit Jahren mit der Süßwarenfabrik F. Ludwig E Schokolade- und Zuckerwarenfabrik KG. in Geschäftsverbindung, wobei E unter Einschaltung der B Exporte nach dem fernen Osten tätigte. Die Fakturierung und Versendung der Waren erfolgte durch die B, die sich von den ausländischen Kunden zunächst ein Dokumentenakkreditiv erstellen ließ. Dieses Akkreditiv wurde sodann durch die B nach Abzug einer (10 %-igen) Provision 'bzw.' eines (2 %-igen) Skontos an E abgetreten.
Nach dem Vorliegen der Abtretungserklärung stellte E die Waren der B zur Verfügung, die sodann die Versendung durchführte (und durch Einreichung der Versanddokumente das Akkreditiv frei bekam). Am 6.Juli 1981 eröffnete das japanische Unternehmen C D auf Grund einer Bestellung, die zu Jahresbeginn 1981 erfolgt war, bei der Bankverbindung der B - der Österreichischen G - zu deren Gunsten ein Akkreditiv über 1,068.490,60 S. Entgegen den sonstigen Gepflogenheiten wurde der B durch ein Versehen einer Sachbearbeiterin von E die Ware übergeben, obgleich noch keine Abtretungserklärung über die 90 % des Akkreditivbetrages (= 961.641,50 S) vorlag, die E zustanden. Das Handelsgut wurde durch die B abgesendet, am 4.August 1981 wurden die entsprechenden Dokumente bei der G eingereicht und am 6.August 1981 erfolgte die Gutschrift der gesamten Akkreditiv-Valuta auf das Konto der B, wodurch ein bestehender Debetsaldo (teilweise) abgedeckt wurde. Alle diese Vorgänge spielten sich ohne Zutun der Angeklagten ab; die Geschäftsabwicklung besorgte der damalige Prokurist der B, Dkfm. Erich H. Die Angeklagte erfuhr davon erst, als der gesamte Akkreditivbetrag dem Konto der B schon zugekommen war, und verweigerte in der Folge trotz mehrfacher schriftlicher Urgenzen durch E die überweisung des diesem Unternehmen zustehenden Betrages von 961.641,50 S. Die Österreichische G wäre noch im September 1981 bereit gewesen, nach entsprechenden Erklärungen der B den genannten Betrag an E zu überweisen, doch unterließ die Angeklagte die Erteilung derartiger Aufträge, weil sie - nachdem sie vorerst mangels liquider Mittel der B hiezu nicht in der Lage gewesen war - 'dann beschloß, sich diesen Betrag unrechtmäßig zuzueignen' (S. 278- 281).
Das Schöffengericht beurteilte das Verhalten der Angeklagten - abweichend von der wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB erhobenen Anklage - als Verbrechen der Unterschlagung nach § 134 Abs. 1 (zu ergänzen: dritter Fall) und Abs. 3, zweiter Fall, StGB;
der Akkreditivteilbetrag, der E zustand, sei der Angeklagten zwar nicht anvertraut gewesen, weil das Geschäft ausschließlich vom Prokuristen H 'getätigt' worden sei, habe aber auch nicht zum frei verfügbaren Firmenvermögen gehört und sei ohne ihr Zutun auf dem Firmenkonto eingelangt.
Damit, daß die Angeklagte trotz der vorerwähnten Bereitschaft der Österreichischen G auch eine Erklärung unterließ, die zu einer nachträglichen Überweisung des Akkreditivanteils an E geführt hätte, habe sie manifestiert, daß sie sich letzteren mit Bereicherungs- 'Absicht' zur Abdeckung des Debetsaldos der B bei der Österreichischen G unrechtmäßigerweise zugeeignet habe (S. 281 f.).
Rechtliche Beurteilung
Der auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten gegen dieses Urteil kommt Berechtigung zu.
Für die Frage, ob eine für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (als deren Organ oder Vertreter) handelnde (natürliche) Person dieser Gesellschaft (oder einem Dritten) ein fremdes Gut zugeeignet hat, welches ohne deren Zutun in deren Gewahrsam geraten war (§ 134 Abs. 1, dritter Fall, StGB), ist es nämlich nicht von Belang, ob der Täter selbst oder ein anderer zu deren Vertretung Befugter an der Gewahrsamserlangung mitgewirkt hat; genug daran, daß letztere jedenfalls durch eine Person bewirkt wurde, deren Tätigkeit der Gesellschaft zuzurechnen ist.
Dementsprechend war die Beurteilung des inkriminierten Verhaltens der Angeklagten als Vergehen nach § 134 Abs. 1, dritter Fall, StGB schon deswegen verfehlt, weil der tatgegenständliche 'Kaufpreisrestbetrag' infolge der Abwicklung des hier interessierenden Exportgeschäfts durch den Prokuristen H nicht ohne Zutun der B in deren Gewahrsam geraten war. Der bei E unterlaufene Irrtum darüber aber, daß die B die vorgesehen gewesene Teilabtretung des Akkreditivs bereits vorgenommen gehabt habe, löste zwar die vorzeitige Zur-Verfügung-Stellung der Ware an sie aus; den Gewahrsam an der den Gegenstand der verpönten Zueignung bildenden Akkreditiv-Valuta jedoch hat die B nichtsdestoweniger ohne einen Irrtum der das Akkreditiv erstellenden C D erlangt, sodaß auch der Tatbestand nach § 134 Abs. 1, zweiter Fall, StGB nicht in Betracht kommt.
Die Annahme einer (sogenannten 'Anschluß'-) Unterschlagung nach § 134 Abs. 2 StGB schließlich scheidet darum aus, weil jene Fälle, in denen der Gewahrsamsinhaber die Herrschaftsmacht über das betreffende Gut zwar durch eigenes Zutun, aber - wie hier, und zwar ungeachtet des zuvor erörterten Irrtums in der Vorphase der Geschäftsabwicklung - im Einvernehmen mit dem Berechtigten erworben hat, durch § 133 StGB abschließend geregelt sind (vgl. EvBl. 1982/90, 10 Os 54/84 u.a.).
In Ansehung jenes (von der Anklage relevierten) Straftatbestands allerdings reichen die mängelfrei getroffenen Urteilsfeststellungen zur Beurteilung des als erwiesen angenommenen Sachverhalts nicht aus, weil sie eine verläßliche Prüfung des Rechtsverhältnisses zwischen E, B und C D nicht zulassen.
Im Fall eines echten - sei es auch mit Auflagen verbundenen Zwischenerwerbs der zum Export bestimmten Ware durch die B im eigenen Namen wäre gewiß auch für die Annahme einer Veruntreuung kein Raum, weil diesfalls der Gesellschaft die Ware von E nicht zur Verwahrung oder bestimmten Verwendung im fremden Namen ausgefolgt, sondern eben veräußert, und der Preis von C D nicht zur Weiterleitung übergeben, sondern bezahlt worden wäre; bei einer Verkaufskommission, einem kommissionsähnlichen Verhältnis oder gar einer echten Stellvertretung dagegen wäre der B sehr wohl die Ware und der an deren Stelle tretende Erlös im Sinn des § 133 StGB anvertraut worden.
Dem Umstand, daß ihr dieser Erlös im vorliegenden Fall nicht bar, sondern im Weg eines (Dokumenten-) Akkreditivs, also in Form einer (bedingten) Bankforderung zur Verfügung gestellt wurde, kommt dabei keine entscheidende Bedeutung zu, weil es, den heute längst üblichen (und keineswegs bloß auf das Geschäftsleben beschränkten) Usancen des Zahlungsverkehrs entsprechend, keinen Unterschied machen kann, ob es sich bei dem in den Gewahrsam, also in die unmittelbare faktische Verfügungsmacht, des Täters gelangten Geld um bare oder um unbare Mittel handelt.
Denn bei einer Bank erliegende Gelder ('Giralgeld'), auf die der Berechtigte Anspruch hat und über die er daher, sei es auch auf Kreditbasis (wie etwa im Weg eines Kontokorrentkredits) faktisch jederzeit als effektive Zahlungsmittel zu verfügen vermag, sind - entsprechend der ökonomischen Konsequenz von Buchungsvorgängen, die als unmittelbare Folge zur sofort wirksamen Erhöhung oder Schmälerung des solcherart verfügbaren Geldvermögens des Kontoinhabers führen (vgl. EvBl. 1981/193; 1981/224 = JBl. 1981, 551 mit Besprechung von Liebscher) - bei einer im Strafrecht auch insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise in teleologischer Auslegung durchaus dem Begriff 'Gut' in § 133 (und in § 134) StGB (im Sinn von 'Wirtschaftsgut') zuzurechnen (vgl. Bertel im WK, Rz. 24 zu § 133, Rz. 18 zu § 134; i.d.S.
auch 11 Os 151/71 sowie schon seinerzeit SSt. 23/57; a.M. Kienapfel, BT. II, RN. 12 zu § 133, RN. 10 zu § 134; Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN. 1 zu § 133, RN. 2 zu § 134; Steininger in ÖJZ. 1982, 597 FN. 72; sowie in bezug auf Forderungen ganz allgemein seinerzeit SSt. 17/78, 39/29, 41/35 und EvBl. 1970/341); von einer durch den Wortsinn des in Rede stehenden Begriffs 'Gut' (im vorerwähnten wirtschaftlichen Sinn) nicht mehr gedeckten Auslegung oder gar Analogie (Kienapfel, a.a.O.) kann insoweit keine Rede sein (vgl. ÖJZ. 1980, 63 f.). Dementsprechend stellt sich auch die jederzeitige Verfügungsmacht über derartiges Bankgeld sehr wohl als eine unmittelbare wirtschaftliche Herrschaftsbeziehung im Sinn des strafrechtlichen Gewahrsamsbegriffs dar.
Eine (planwidrige Strafbarkeitslücken eröffnende) einschränkende Interpretation der Begriffe 'Gut' und 'Gewahrsam' in den hier aktuellen Tatbeständen wäre umso weniger gerechtfertigt, als mit dem Zweiten AntikorruptionsG., BGBl. 1982/205, bei der sogenannten 'Werthehlerei' (§ 164 Abs. 1 Z. 4 StGB) die Gleichstellung 'empfangener Geldbeträge' mit 'solchen Geldforderungen' im Bereich der in Betracht kommenden Vortaten - zu denen auch Veruntreuung (§ 133 StGB) und Unterschlagung (§ 134 StGB) zählen - ausdrücklich klargestellt und sogar das wissentliche Verhehlen solcher Forderungen, also eine Nachtat, (unter besonderer Hervorhebung von Geldforderungen gegen Kreditinstitute in den Materialien) zur 'zweifelsfreien Erfassung strafwürdiger Fälle' 'selbständig vertypt' (JAB. 3). Eine Verantwortlichkeit der Beschwerdeführerin nach § 133 StGB kommt demgemäß dann in Betracht, wenn unter den dargelegten, von ihrem Vorsatz umfaßten Umständen der B das Akkreditiv (von E, allenfalls auch von C D, als Verkaufserlös) anvertraut war und sie die gesamte Valuta dem Firmenkonto - zur (teilweisen) Abdeckung des Debetsaldos - zuführen ließ (vgl. S. 86, 87, 89, 155); auch insoweit kommt es nämlich, der im Urteil vertretenen Auffassung zuwider, aus den eingangs (zu § 134 StGB) dargelegten Erwägungen nicht darauf an, ob der in Rede stehende Erlös der Gesellschaft durch mit der Angeklagten persönlich oder mit anderen Verfügungsberechtigten getroffene Vereinbarungen anvertraut worden war.
Die aufgezeigten, mit der Beschwerde im Kern zutreffend gerügten Feststellungsmängel (Z. 9 lit. a) machen daher eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich; daß das Erstgericht die zuletzt relevierte Annahme (einer Verfügung über die Akkreditiv-Valuta durch die Angeklagte zugunsten der B) ablehnte, ändert an dieser Notwendigkeit nichts, weil die dahingehenden, ohne ausreichende Erörterung der maßgebenden Verfahrensergebnisse getroffenen Urteilsfeststellungen von der Anklagebehörde (infolge des trotzdem ergangenen Schuldspruchs) nicht bekämpft werden konnten und deshalb der Rechtsmittelentscheidung nicht als unbedenklich zugrundegelegt werden können.
Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht gegebenenfalls auch zu prüfen haben, ob der Zeuge H seine Weigerung (ON. 22) zu einer weitergehenden (mit einer Beschädigung verbundenen) Begutachtung der von ihm zur Verfügung gestellten Urkunde (S. 161) auch dann aufrecht erhält, wenn sein (von ihm ins Treffen geführtes) Interesse an ihrem unversehrten Bestand durch das bereits vorliegende und durch das noch einzuholende (ergänzende) Gutachten (in Verbindung mit den vorhandenen Fotokopien) als ausreichend gewahrt erscheint.
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