Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Adolf B und Heribert C wird Folge gegeben, der im übrigen unberührt bleibende Wahrspruch der Geschwornen in seinem die Hauptfrage 1. und die Zusatzfrage 2. betreffenden Teil in Ansehung dieser beiden Angeklagten sowie gemäß § 290 Abs. 1 (zweiter Anwendungsfall) StPO auch hinsichtlich des Angeklagten Roland A und demgemäß das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen sämtlicher Angeklagten wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142
Abs. 1, 143 StGB und in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das (genannte) Geschwornengericht zurückverwiesen. Der Angeklagte Roland A mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Staatsanwaltschaft und sämtliche Angeklagten mit ihren Berufungen werden auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 9.Jänner 1951 geborene Kfz-Spenglermeister Roland A, der am 18.Oktober 1940 geborene Autospengler Adolf B und der am 28.Juni 1951 geborene Autospengler Heribert C auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB (Punkt A/ des Urteilssatzes) und des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129
Z. 1 StGB (Punkt B/ des Urteilssatzes), der Angeklagte Heribert C überdies des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 StGB (Punkt C/ des Urteilssatzes) und der Angeklagte Adolf B überdies des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 (§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1) StGB (Punkt D/ des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Von der weiteren Anklage in Richtung des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB wurden die Angeklagten hingegen gemäß § 259 Z. 3 StPO (unangefochten) freigesprochen.
Zum Schuldspruchfaktum A/ liegt den drei Angeklagten inhaltlich des Urteils zur Last, daß sie am 14.Februar 1978
in Rinn (Bezirk Innsbruck-Land) in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben einem anderen Bargeld mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, dadurch abzunötigen versucht haben, daß Adolf B mit einem geladenen Revolver der Marke Smith & Wesson und Heribert C mit einem ungeladenen Vorderladerrevolver bewaffnet sowie mit einer Wollmütze bzw. einem Seidenstrumpf zur Maskierung versehen in den Vorraum des Kundenraumes der Raiffeisenkassa Rinn gingen, während Roland A, der die beiden anderen Beteiligten zum Tatort gebracht hatte, beim PKW. zum Abtransport der Beteiligten und der Beute wartete. In bezug auf dieses Faktum hatten die Geschwornen die für alle drei Angeklagten gemeinsam gestellte Hauptfrage (1.) wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes (stimmeneinhellig) bejaht und die - gleichfalls einheitliche - Zusatzfrage (2.) nach dem Strafaufhebungsgrund des Rücktritts der Angeklagten vom Versuch (mit 6:2 Stimmen) verneint. Die Eventualfrage (3.) in Richtung eines (die in Rede stehende Tat betreffenden) verbrecherischen Komplotts und die (für den Fall der Bejahung dieser Eventualfrage gestellte) Zusatzfrage (13.) nach tätiger Reue gemäß § 277 Abs. 2 StGB blieben demnach unbeantwortet.
Sämtliche Angeklagte bekämpfen das Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde nur in den sie betreffenden Schuldsprüchen wegen versuchten schweren Raubes, Roland A unter ziffernmäßiger Anrufung des § 345 Abs. 1 Z. 11
lit. a und lit. b StPO, Adolf B und Heribert C aus dessen Z. 6 und
8.
Einen - den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 6 StPO verwirklichenden - Verstoß gegen die Vorschriften der § 312 bis 317 StPO erblicken die Angeklagten Adolf B und Heribert C in der Stellung einer Zusatzfrage (2.) für alle drei Angeklagten gemeinsam, der erstgenannte Beschwerdeführer ferner auch darin, daß in der Hauptfrage 1. alle Angeklagten zusammengefaßt wurden und nicht für jeden Angeklagten eine gesonderte Frage wegen des angeklagten Verbrechens des versuchten schweren Raubes an die Geschwornen gerichtet wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerden sind schon insoweit begründet.
Gemäß § 317 Abs. 2 StPO ist es zwar an sich dem Ermessen des Schwurgerichtshofes anheimgestellt, mehrere Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen, wodurch auch eine einheitliche Fragestellung hinsichtlich mehrerer Tatbeteiligter grundsätzlich ermöglicht wird. Diese Befugnis findet jedoch insoferne eine Beschränkung, als die Geschwornen durch die Fragestellung immer in die Lage versetzt werden müssen, den unter Anklage stehenden Sachverhalt - in bezug auf jeden Angeklagten - unter allen nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens in Frage kommenden Gesichtspunkten in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung einer vollständigen Prüfung und Beurteilung zu unterziehen.
Eine Zusammenfassung von Fragen, ob mehrere Angeklagte eine ihnen angelastete Tat (als Mittäter oder in einer anderen Form der Beteiligung im Sinne des § 12 StGB) begangen haben, kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verfahrensergebnisse für alle Angeklagten im wesentlichen gleich sind und die Frage sohin unter diesem Gesichtspunkt für alle gleich beantwortet werden kann. Weichen die Verfahrensergebnisse dagegen in Ansehung der Tatbeteiligung einzelner Angeklagten wesentlich voneinander ab, so ist eine Zusammenfassung zweier oder mehrerer Beteiligter in einer einzigen (Haupt-)Frage (sog. komplexe Fragestellung) unzulässig und bewirkt Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z. 6 des § 281 Abs. 1 StPO, falls hiedurch - unter Berücksichtigung des gesamten Frageschemas und des Inhalts der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung - die Gefahr einer gemeinsamen und pauschalen Beurteilung der Angeklagten ohne differenzierende Prüfung der Schuld jedes einzelnen nach den für und wider sie vorgebrachten Tatsachen und vorliegenden Beweisen nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. § 13 StGB; Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 27 a zu § 317 StPO).
Aus diesen Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall, daß eine für alle drei Angeklagten gemeinsame Fragestellung sowohl hinsichtlich der die angeklagte Tat betreffenden Hauptfrage 1. als auch hinsichtlich der auf den Strafaufhebungsgrund des § 16 Abs. 1 StGB gerichteten Zusatzfrage 2. verfehlt war, verantwortete sich doch der Angeklagte Adolf B in der Hauptverhandlung dahin, daß er - und seiner Meinung nach auch Heribert C -
gar keinen Raubüberfall auf die Raiffeisenkassa in Rinn verüben wollte und den Vorraum des Kassenraumes der genannten Raiffeisenkasse (bloß) 'zum Schein' und (nur), um aus dem Blickwinkel des Mitangeklagten Roland A wegzukommen, betreten habe (vgl. Band II, S. 25 d.A.). Da dieser Angeklagte - zum Unterschied vom (ihn und C belastenden) Angeklagten Roland A (vgl. Band II, S. 28 d.A.) - mithin einen Raubvorsatz leugnete, lagen schon in Ansehung der Frage der (Mit-)Täterschaft der Angeklagten verschiedene Beweisergebnisse vor, die eine Zusammenfassung aller Tatbeteiligten in einer Hauptfrage nicht zuließen. Die Geschwornen wurden zudem in der Rechtsbelehrung durch die Zitierung des Wortlautes des § 330 Abs. 2 StPO nur allgemein auf ihr Recht hingewiesen, gestellte Fragen teilweise zu bejahen (S. 10 der Beilage 3 und Beilage 4 zum Hauptverhandlungsprotokoll, Band II, ON. 64 d.A.). Da sie jedoch nach der Aktenlage weder auf die Möglichkeit besonders aufmerksam gemacht wurden, daß komplexe Fragen bei einer Mehrheit von Tätern bezüglich eines Täters bejaht und hinsichtlich eines anderen verneint werden können - das im § 330 Abs. 2 StPO genannte Beispiel stellt bloß auf die Nichtannahme von in einer Frage enthaltenen (Tat)'Umständen' ab -, und den Geschwornen auch sonst durch das Frageschema die Notwendigkeit einer gesonderten Prüfung des Verhaltens jedes einzelnen Angeklagten nicht klar und deutlich vor Augen geführt wurde, war die Gefahr einer gemeinsamen und pauschalen Beurteilung der Angeklagten nach Lage des Falles gegeben. Aus den gleichen Erwägungen hätte aber auch nur die Stellung getrennter Zusatzfragen die Geschwornen in die Lage versetzt, über das Vorliegen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch für jeden Angeklagten verläßlich abzusprechen, handelt es sich doch hier, wie die Beschwerdeführer B und C zutreffend erkannt haben, um einen Strafaufhebungsgrund, der nur dem Täter zustatten kommt, der die Voraussetzungen hiefür unmittelbar erfüllt. Der Rücktritt eines oder mehrerer Beteiligter bewirkt keine Straffreiheit für andere Beteiligte, die nicht (auch) zurückgetreten sind. Zur Erlangung dieser Straffreiheit ist vielmehr (beim unbeendeten Versuch) für den einzelnen Beteiligten erforderlich, daß er seinen Tatentschluß freiwillig (vgl. LSK. 1978/325, EvBl. 1976/98 =
LSK. 1975/163, 164) aufgibt und die (weitere) Ausführung der Tat verhindert (§ 16 Abs. 1, zweiter Halbsatz StGB).
Der Täter wird auch straflos, wenn die Ausführung oder der Erfolg ohne sein Zutun unterbleibt, er sich jedoch in Unkenntnis dessen freiwillig und ernstlich bemüht, die Ausführung zu verhindern oder den Erfolg abzuwenden (§ 16 Abs. 2 StGB).
So gesehen stellt sich die Verfahrenslage bei Beurteilung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch für die Angeklagten Adolf B und Heribert C, die als unmittelbare Täter von der weiteren Tatausführung selbst Abstand nahmen und sie dadurch verhinderten, anders dar als für den (bei der geplanten Tatausführung /im Sinne des Anklagevorwurfs / nicht unmittelbar beteiligten) Angeklagten Roland A, der (als Raubgenosse) im Tatortbereich bei seinem PKW. zwecks Abtransport aller Beteiligten und der Raubbeute wartete. Dieser Verschiedenheit der faktischen Tatbeteiligung wurde vom Schwurgerichtshof durch Stellung einer für alle drei Angeklagte gemeinsamen Zusatzfrage nicht Rechnung getragen und möglicherweise eine erschöpfende Beurteilung des Sachverhaltes mit Bezug auf einen in Betracht kommenden strafbefreienden Rücktritt vom Versuch durch die Geschwornen zum Nachteil der Angeklagten beeinträchtigt. Schon aus diesen Erwägungen erweist sich eine Aufhebung des die Hauptfrage 1. und die Zusatzfrage 2. betreffenden Teils des Wahrspruches und demgemäß auch der hierauf beruhenden Schuldsprüche wegen versuchten schweren Raubes in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Adolf B und Heribert C, sowie ferner hinsichtlich des Angeklagten Roland A, dem dieselben (von ihm nicht geltend gemachten) Gründe zustatten kommen, von Amts wegen gemäß § 290 Abs. 1, zweiter Anwendungsfall, 344 StPO und die Anordnung einer nochmaligen Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht als unumgänglich, ohne daß es eines Eingehens auf die weiteren von den Angeklagten geltend gemachten Beschwerdegründe bedurfte.
Es war sohin gemäß § 285 e, 344 StPO mit Zustimmung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort (zum Vorteil der Angeklagten) spruchgemäß zu erkennen.
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