OGH 10Os18/86

OGH10Os18/8618.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.März 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang H*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 10. Dezember 1985, GZ 18 Vr 2109/84-96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, und des Verteidigers Dr. Fodor, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 7 1/2 (siebeneinhalb) Jahre erhöht. Der Angeklagte wird mit seiner Berufung darauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Wolfgang H*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 (erster und zweiter Fall) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 19.Juni 1984 in Hannover in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Eduard S*** als Beteiligten (§ 12 StGB) dem Horst K*** mit Gewalt gegen dessen Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Aktenkoffer mit 700.000 DM Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie den Genannten gewaltsam in ein Hotelzimmer zerrten, ihm jeder eine Pistole vorhielten und H*** ihm eine Handfessel anlegte.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 345 Abs 1 Z 5 und 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt keine Berechtigung zu.

Eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte (Z 5) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung (S 6/III) seines Antrags, den in Jugoslawien inhaftierten Eduard S*** zur Vernehmung als Zeuge vor dem erkennenden Gericht nach Österreich überstellen zu lassen (S 5, 6/III).

Ein dementsprechendes Rechtshilfeersuchen hatte jedoch das Erstgericht ohnehin schon am 16.September 1985, also unter Beachtung der in Art. 13 Abs 3 (iVm Art. 14) des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. Nr. 542/1983, vorgesehenen 30-Tage-Frist, an die zuständige jugoslawische Behörde gerichtet, wobei es zugleich auch ein vorausgegangenes Ersuchen vom 1. März 1985 um gerichtliche Vernehmung des genannten Zeugen in Anwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft sowie des Verteidigers wiederholt hatte (ON 83, 90): da diesem Ersuchen ebenso wie jenem vom 1.März 1985 - letzterem trotz mehrerer Urgenzen des Bundesministeriums für Justiz (vgl. ON 91) - bis zur Hauptverhandlung am 10.Dezember 1985 nicht entsprochen worden war, wobei für die Nichtgewährung der Rechtshilfe keine Begründung (vgl. Art. 18 des obzitierten Vertrages) bekanntgegeben wurde, konnte der Schwurgerichtshof ohne eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten davon ausgehen, daß im vorliegenden Fall ungeachtet des aufrechten Bestandes des soeben relevierten Vertrages die erbetene Rechtshilfe faktisch nicht zu erlangen und demgemäß die beantragte Beweiserhebung nicht durchführbar sei.

Gleichermaßen geht auch die gegen die Abweisung des Antrags auf Beischaffung des Aktes 18 O 272/84 des Landgerichtes Hannover (S 6, 7/III) gerichtete weitere Verfahrensrüge (abermals Z 5) fehl. Denn der damit unter Beweis gestellte Umstand, daß dem Beschwerdeführer in dem dort abgeführten (zivilgerichtlichen) Verfahren der hier inkriminierte Sachverhalt (in einem Teil-Versäumnis-Urteil: vgl. S 11/III) als Beihilfe zu einem von S*** begangenen Betrug zur Last gelegt werde, ist - wie der Schwurgerichtshof zutreffend erkannte - für die Wahrheitsfindung im vorliegenden Strafverfahren ohne Belang (vgl. § 5 StPO); daß aber dem in Rede stehenden Akt bestimmte, dem Erstgericht bisher verschlossen gebliebene Beweisergebnisse zugunsten des Angeklagten entnommen werden könnten, ist in dem abgelehnten Beweisantrag gar nicht behauptet worden. Als Verstoß gegen § 314 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer (Z 6) die Nichtstellung von Eventualfragen nach Betrug und Erpressung, die seiner Meinung nach deshalb indiziert gewesen wären, weil nach seiner vom Zeugen K*** insoweit bestätigten Verantwortung S*** den Koffer mit dem Geld schon in Händen gehabt habe, bevor noch Gewalt oder Drohung gegen den genannten Zeugen gebraucht worden seien, und zwar bereits ab dem Zeitpunkt, als S***, von diesem gefolgt, zum Hotelzimmer ging; darnach sei anzunehmen, daß S*** das Geld mit der Vorspiegelung, er habe 5 Kilogramm Kokain zu verkaufen, von K*** betrügerisch herausgelockt und daß dessen folgende Bedrohung und Fesselung nur noch dazu gedient habe, letzteren mit Bereicherungsvorsatz zur Duldung des Wegbringens der Betrugsbeute und zur Unterlassung einer Verfolgung der Täter zu nötigen. Auch damit ist er indessen nicht im Recht, weil das solcherart relevierte Vorbringen an der rechtlichen Beurteilung der Tat als Raub nichts zu ändern vermöchte. Das Ergreifen einer Sache durch den Täter muß nämlich beim bisherigen Inhaber keineswegs zwangsläufig schon zum vollständigen Verlust des Gewahrsams führen; bleibt die Sache nichtsdestoweniger vorderhand in dessen tatsächlichem Machtbereich, so kann sie noch immer Objekt eines durch nachfolgende Gewalt oder Drohung begangenen Raubes sein (vgl. SSt 52/7 ua). Nach der Darstellung des Sachverhalts durch den Angeklagten in Verbindung mit den in der Beschwerde zitierten Angaben des Zeugen K*** hatte letzterer, solange er S*** unter seiner unmittelbaren Kontrolle (S 412/II) den Koffer vor sich her tragen ließ, noch den - keineswegs heimlich erlangten (vgl. EvBl 1985/6) - Mit-Gewahrsam an diesem Behältnis und dessen Inhalt. Erst durch den Einsatz von Drohung und Gewalt (im Sinn des § 142 StGB) - sei es auch in einer auf listige Weise herbeigeführten Situation - wurde er daran gehindert, über den dem S*** übergebenen Koffer und damit auch über das Geld weiter zu verfügen, wodurch der Allein-Gewahrsam der Täter an diesen Sachen begründet wurde (vgl. SSt 49/63, EvBl 1981/174 ua). Da der Beschwerdeführer somit keine in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen anzuführen vermochte, nach denen eine rechtliche Beurteilung der Tat als Betrug und (oder) Erpressung in Betracht gekommen und derentwegen (demgemäß) die Stellung von Eventualfragen in die vom Beschwerdeführer bezeichnete Richtung hin erforderlich gewesen wäre, ist dem Schwurgerichtshof durch deren Unterlassung eine Verletzung des § 314 Abs 1 StPO ebenfalls nicht unterlaufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach (dem ersten Strafsatz des) § 143 StGB zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wurden seine Anstiftung durch S***, die verlockende Gelegenheit zur Tatbegehung, sein teilweises Geständnis und eine geringfügige Schadensgutmachung durch die Sicherstellung eines Teiles der Raubbeute als mildernd, seine eher unbedeutende einschlägige Vorstrafe, die zweifache Verbrechensqualifikation und der überaus hohe Schaden hingegen als erschwerend gewertet.

Sowohl vom Angeklagten als auch von der Staatsanwaltschaft wird dieser Strafausspruch mit Berufung bekämpft; ersterer strebt eine Strafherabsetzung unter Anwendung des § 41 StGB an, letztere beantragt eine Erhöhung der Strafdauer. Die Anklagebehörde ist mit ihrem Begehren im Recht.

Von einem Geständnis des Angeklagten im Sinn des § 34 Z 17 StGB kann nach seiner Verantwortung in der Tat keine Rede sein, und auch ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung ist darin nicht zu erblicken; im Hinblick auf die professionelle Planung und Realisierung der dem Bereich der Schwerkriminalität zuzuordnenden Tat wurde dem Angeklagten außerdem zu Unrecht eine "verlockende Gelegenheit" als mildernd zugute gehalten.

Im Hinblick auf die darnach erforderliche Korrektur der Strafzumessungsgründe und auf deren Gewicht, insbesondere aber unter Bedacht auf die vom Geschwornengericht mit Recht hervorgehobene besondere kriminelle Energie, die beide Täter bei der Vorbereitung und Ausführung des schweren Raubes an den Tag gelegt haben, erweist sich nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) innerhalb des von fünf bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe reichenden gesetzlichen Rahmens eine Anhebung des Strafmaßes auf siebeneinhalb Jahre als angebracht. Dahin war der Berufung der Staatsanwaltschaft demnach Folge zu geben; der Angeklagte war mit seiner Berufung, mit der er nach dem Gesagten zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen einer außerordentlichen Strafmilderung darzutun sucht, darauf zu verweisen.

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