OGH 10Os178/81

OGH10Os178/8112.1.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Jänner 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hoch als Schriftführer in der Strafsache gegen Erich A und eine andere wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und § 15 StGB

sowie einer anderen strafbaren Handlung über die von der Angeklagten Renate A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.September 1981, GZ 6 a Vr 7224/81-49, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das angefochtene Urteil im Ausspruch nach § 38 StGB dahin ergänzt, daß den Angeklagten Erich A und Renate A jeweils die Vorhaft auch auf die Geldstrafe angerechnet wird.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über die Angeklagte Renate A verhängte Freiheitsstrafe auf ein Jahr herabgesetzt; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dieser Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (unter anderem) Renate A (A.) des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. und § 15

StGB sowie (B.) des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2

(dritter und vierter Fall) SuchtgiftG. schuldig erkannt. Das bezeichnete Verbrechen liegt ihr nach dem Urteilssatz zur Last, weil sie und (ihr zugleich rechtskräftig abgeurteilter Ehegatte) Erich A (in Wien) im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen, daß daraus eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, (I.) im Mai 1981 in Verkehr setzten, indem beide mindestens 7,5 g Heroin um einen Preis von 3.000 S je Gramm an Unbekannte verkauften, sowie (II.) im Mai und gegen Anfang Juni 1981 in Verkehr zu setzen versuchten, indem Renate A 11 g Heroin zwecks Weiterverkaufs an Erich A übergab und dieser das Suchtgift bei sich führte sowie Verkaufsverhandlungen anbahnte.

Rechtliche Beurteilung

Der inhaltlich nur gegen die zuletzt angeführten Schuldsprüche gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z. 5, 9

lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde (lediglich) der Angeklagten Renate A kommt keine Berechtigung zu. Nach den Urteilsfeststellungen kaufte die Beschwerdeführerin im Mai 1981 vorerst 15 g Heroin, von dem sie 3 g selbst verbrauchte und 12 g ihrem Gatten übergab, der seinerseits 7 g davon für seinen Eigenbedarf verwendete und die restlichen 5 g an Unbekannte weiterverkaufte;

am 25.Mai 1981 erwarb sie weitere 20 g Heroin, von dem sie abermals 3 g selbst konsumierte und die verbleibende Menge ihrem Gatten überließ; bis zu seiner Festnahme am 1.Juni 1981 verbrauchte dieser davon 3,5 g selbst, 2,5 g verkaufte er weiter und die restlichen 11 g wurden bei ihm sichergestellt (S. 302-306). Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagten (subjektiv) 'klar war', ihr Ehegatte werde einen Großteil des ihm übergebenen Heroins weiterveräußern, daß es ihr aber egal war, was er mit dem Suchtgift machte, und daß (auch) sie damit rechnete sowie sich damit abfand, das weitergegebene Heroin werde an einen größeren Personenkreis gelangen (S. 302 f., 307 f.).

Daß die Beschwerdeführerin vom Weiterverkauf des Suchtgifts durch ihren Gatten geradezu 'gewußt' oder daß sie ihm das Heroin gezielt zu diesem Zweck übergeben hätte, hat das Schöffengericht demnach - der in diesem Belang mißverständlichen Fassung des Urteilstenors (zum Faktum A.II.) zuwider - ohnedies gar nicht festgestellt. Soweit sie in Ansehung einer derartigen Konstatierung Begründungsmängel des Urteils (Z. 5) geltend macht, ist die Beschwerde folglich schon darum verfehlt.

In bezug auf den als erwiesen angenommenen bedingten Gemeingefährdungs-Vorsatz der Beschwerdeführerin dagegen bedurfte es deshalb keiner besonderen Erörterung des Umstands, daß Erich A an sich in der Lage gewesen wäre, seinen Heroin-Konsum aus eigenen Mitteln zu finanzieren, weil das Erstgericht ihr Wissen, daß er den Großteil des ihm übergebenen Heroins weiterverkaufen werde, keineswegs etwa (auch) daraus abgeleitet hat, daß ihn finanzielle Erwägungen dazu veranlaßt hätten (S. 303, 307 f.). Die Motivation der Angeklagten aber dafür, warum sie ihrem Gatten das in Rede stehende Suchtgift überließ, ist eben im Hinblick auf (dieses) ihr Bewußtsein, er werde es jedenfalls zum Großteil weiterveräußern, womit sie sich abfand, (gleichfalls) ohne Belang. Auch insoweit geht daher die Mängelrüge (Z. 5) fehl.

Die weiteren Einwände der Beschwerdeführerin richten sich gegen die Urteilsannahmen, daß die gesamte bei Erich A sichergestellte Restmenge von 11 g Heroin (Faktum A.II.) zum Weiterverkauf bestimmt gewesen (Z. 5) und ein derartiges Vorhaben bereits bis ins Versuchsstadium gediehen sei (Z. 9 lit a, sachlich Z. 10), sowie - mit der Behauptung von Feststellungsmängeln über den (vorgesehenen) Verteilungsmodus - gegen die Auffassung, die weitergegebenen (A.I.) und zur Weitergabe bestimmten (A.II.) Suchtgiftmengen seien im vorliegenden Fall zur Herbeiführung einer nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG. tatbestandsmäßigen Gemeingefahr geeignet gewesen (Z. 10).

Dieses Vorbringen ist indessen zum Teil gar nicht zielführend und im übrigen ebenfalls verfehlt.

Denn schon durch die Weitergabe von insgesamt 29 g des von ihr erworbenen Heroins (mittlerer Qualität), also eines die Grenzmenge von 0,5 g (reinem) Heroin jedenfalls um ein Vielfaches übersteigenden Quantums, in den ausschließlichen Gewahrsam ihres Ehegatten mit der dabei von ihrem bedingten Vorsatz umfaßten Konsequenz, daß jener zumindest einen Großteil davon weiterverkaufen werde, wobei ihr (auch) die näheren Umstände einer derartigen Weiterveräußerung gleichgültig waren und sie damit rechnete sowie sich damit abfand, das Suchtgift werde an einen größeren Personenkreis gelangen, hat die Angeklagte das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG.

durch ein (im Rahmen einer sogenannten 'Deliktskette') selbständiges In-Verkehr-Setzen (jedenfalls) der gesamten ihr angelasteten Menge von (7,5 + 11 =) 18,5 g Heroin als unmittelbare Täterin im vollen Umfang vollendet und nicht, wie das Schöffengericht (zu ihren Gunsten) rechtsirrig annahm, erst als Mittäterin ihres Gatten bei dem von jenem teils vollendeten und teils versuchten In-Verkehr-Setzen des (von ihm nicht zu seinem eigenen Verbrauch verwendeten oder bestimmten restlichen) Suchtgifts.

Darauf, ob Erich A nach dieser Tatvollendung durch die Beschwerdeführerin wirklich (auch) die ganze bei ihm sichergestellte Restmenge von 11 g Heroin (zumindest potentiell) zur Weiterveräußerung bestimmt und hiezu (durch ihr Bereithalten zum jederzeitigen Verkauf an unbekannte Süchtige in ungewogenen Mengen und ohne die Gewähr, daß sie es ausschließlich selbst konsumieren würden - vgl. S. 286 f.) bereits einen ausführungsnahen Versuch (§ 15 StGB) begangen hat - wie ihm das Schöffengericht unangefochten anlastete -, kommt es bei der Beurteilung ihres Verhaltens gar nicht an: genug daran, daß bei der in Rede stehenden Weitergabe des Suchtgifts durch sie an ihren Ehegatten in objektiver Hinsicht real zu besorgen war, die im Spruch bezeichneten Heroinmengen könnten im Weg einer Weiterverbreitung letzten Endes wenigstens 30 bis 50 Menschen erreichen und diese (damit) der Sucht zuführen oder darin bestärken, sowie weiters, daß die eine derartige Besorgnis begründenden Tatumstände von ihrem (bedingten) Vorsatz umfaßt waren. Nähere Konstatierungen über den späteren Verteilungsmodus waren dabei aber deshalb entbehrlich, weil sich die Beschwerdeführerin nach den Urteilsfeststellungen mit jeder Art einer Weiterverteilung des Suchtgifts, also auch mit dessen (später zum Teil tatsächlich erfolgtem - Faktum A.I.) Weiterverkauf an Unbekannte (unter den vorerwähnten, die Annahme einer Gemeingefahr begründenden Umständen), abfand; die zuvor erörterte, für die Annahme der tatbestandsmäßigen Gemeingefahr in objektiver und subjektiver Hinsicht vorauszusetzende reale Besorgnis einer entsprechend breit gestreuten Weiterverbreitung der im Spruch bezeichneten Suchtgiftmengen aber wird durch die vom Erstgericht ohnedies berücksichtigte Erwartung der Angeklagten, ihr Gatte werde das ihm übergebene Heroin zum Teil selbst verbrauchen (S. 302 f., 307 f.), umso weniger in Frage gestellt, als sie ihre nunmehr in der Beschwerde vorgebrachte Behauptung, sein Eigenbedarf habe (über das im Urteil als erwiesen angenommene Quantum von 0,5 g hinaus) täglich fast 1 g Heroin betragen, in Wahrheit in erster Instanz niemals erhoben hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Strafgesetz wurde allerdings, wie sich der Oberste Gerichtshof ferner überzeugt hat, in einer von der Beschwerdeführerin nicht aufgezeigten Richtung, nämlich insofern zu ihrem und ihres Gatten Nachteil unrichtig angewendet (§ 281 Abs 1 Z. 11 StPO), als die jeweilige Vorhaft der Anordnung des § 38 Abs 1 Z. 1 StGB zuwider (vgl. auch Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN. 10 zu § 38 StGB und die dort zitierte Judikatur) nicht auch auf die (nach § 12 Abs 4 SuchtgiftG.) verhängten (Verfallsersatz-) Geldstrafen angerechnet wurde. Die dadurch begründete materiellrechtliche Nichtigkeit war gemäß § 290 Abs 1

StPO aus Anlaß der durch die Angeklagte Renate A ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde von Amts wegen - und zwar auch in Ansehung des (bereits rechtskräftig abgeurteilten) Angeklagten Erich A - wahrzunehmen und der bezügliche Ausspruch (gemäß § 38 StGB) wie aus dem Spruch ersichtlich zu ergänzen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte Renate A nach § 28 StGB, § 12 Abs 1 SuchtgiftG. zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe und gemäß Abs 4 dieser Gesetzesstelle zu einer (Verfallsersatz-) Geldstrafe von 11.250 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einem Monat Ersatzfreiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend den Umstand, daß die Angeklagte 'die Kontaktperson war, welche das Suchtgift beschaffte und (dadurch) die vorliegenden (ihr und dem Ehegatten angelasteten) Delikte erst ermöglichte', sowie das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, als mildernd hingegen das Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Der Berufung, mit welcher die Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe (allenfalls unter Anwendung außerordentlicher Strafmilderung nach § 41 StGB) und deren bedingte Nachsicht (gemäß § 43 StGB) anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu. Da die Angeklagte - wie eingangs dargelegt, rechtsrichtig betrachtet - das Verbrechen nach § 12 Abs 1

SuchtgiftG. durch selbständiges In-Verkehr-Setzen der gesamten ihr angelasteten Menge von 18,5 g Heroin zur Gänze vollendet hat, kommt der von ihr zusätzlich relevierte Milderungsgrund, daß es teilweise beim Versuch geblieben sei, nicht zum Tragen. Andererseits bleibt aber unter diesem Gesichtspunkt auch für den oben an erster Stelle genannten Erschwerungsgrund kein Raum.

Den beiden zutreffend angenommenen Milderungsgründen steht somit als erschwerend (bloß) die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art gegenüber.

Ausgehend von den solcherart korrigierten, tatsächlich gegebenen Strafzumessungsgründen erweist sich die vom Erstgericht festgesetzte Freiheitsstrafe nach Lage des Falles, nicht zuletzt wegen der negativen Beeinflussung der Angeklagten durch ihren (bereits einschlägig vorbestraften und) offensichtlich in höherem Maße (als sie selbst) rauschgiftabhängigen Ehegatten, aber auch im Hinblick auf die (ernstlichen) Bemühungen der Angeklagten um die Bekämpfung der eigenen Süchtigkeit, als überhöht; es konnte darum eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf das gesetzliche Mindestmaß (von einem Jahr) Platz greifen. Eine weitere Milderung unter Anwendung des § 41 StGB kam hingegen nicht in Betracht, liegt doch kein - die außerordentliche Strafmilderung rechtfertigender (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar2, RN. 4

zu § 41 StGB) - atypisch leichter Fall einer Suchtgiftkriminalität (gemäß § 12 SuchtgiftG.) vor.

Keinesfalls in Betracht kam die Gewährung bedingter Strafnachsicht. Die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür waren schon wegen der Tatwiederholung und des den Gegenstand der Tat bildenden größeren - die sogenannte 'Grenzmenge' des § 12 Abs 1 SuchtgiftG. nicht unbeträchtlich überschreitenden - Heroinquantums vor allem aus generalpräventiver Sicht zu verneinen.

Die Berufung ist demnach insoweit nicht begründet.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

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