OGH 10Os158/81

OGH10Os158/8120.4.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1982 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Skreinig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Thomas A wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach §§ 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.April 1981, GZ. 4 b Vr 7034/77-95, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Gstettner und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch gemäß Punkt II. des Urteilssatzes sowie im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung unter Neufassung des (gesamten) Urteilstenors gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Dr. Thomas A ist schuldig, sich in der Zeit vom 9. bis zum 23.August 1977 in Wien ein (auch) ihm als Rechtsanwalt anvertrautes Gut im Wert von mehr als 100.000 S mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er in fünf Angriffen Klienten-Gelder im Betrag von insgesamt 500.000 S von einem Konto der Kanzleigemeinschaft Dr. A/Dr. B bei der Österreichischen Postsparkasse abhob und für eigene Zwecke verbrauchte. Er hat hiedurch das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 sowie Abs. 2 zweiter Fall StGB begangen und wird hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 133 Abs. 2

StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe sowie nach § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB wird die Vorhaft vom 30.September 1977, 11,40 Uhr, bis zum 24.Oktober 1977, 14,00 Uhr, auf diese Strafe angerechnet.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Thomas A im zweiten Rechtsgang (I.) des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB sowie (II.) des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2

erster Fall StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er (zu I.) sich ein ihm als Rechtsanwalt anvertrautes Gut, nämlich Klienten-Gelder im Betrag von insgesamt 455.428,92 S, mit dem Vorsatz zueignete, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, sowie (zu II.) die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbrauchte und hiedurch dem Dr. Gerhard B einen Vermögensnachteil in der Höhe von 44.571,08 S zufügte, indem er (zu I. und II.) in Wien vom gemeinsamen Kanzleikonto der Anwalts-Sozietät Dr. A/Dr. B bei der Österreichischen Postsparkasse am 9.August 1977

120.000 S, am 12.August 1977 120.000 S, am 19.August 1977 100.000 S, am 22.August 1977 120.000 S sowie am 23.August 1977 40.000 S behob und diese Beträge für eigene Zwecke verbrauchte.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt teilweise Berechtigung zu.

Dem Gutachten des Buch-Sachverständigen Dr. C folgend ging das Erstgericht davon aus, daß die Kanzleigemeinschaft, die ihren gesamten unbaren Geldverkehr über zwei Bankkonten abwickelte, auf denen (für Klienten bestimmte) Treuhandgelder nicht von den echten Kanzleieingängen (Honoraren, Barauslagenersätzen) getrennt wurden, ihren regelmäßigen Aufwand (über jene Konten) anfangs zu einem guten Teil aus Klienten-Geldern finanzierte, letztere sodann jeweils durch einlangende Eigenmittel (nach Maßgabe von deren Höhe) ersetzte und solcherart schließlich die Gebarung sanierte, daß aber zu Beginn der inkriminierten Entnahmen durch den Angeklagten der Soll-Bestand an Treuhandgeldern die Höhe der gesamten Aktiven noch überstieg und daß dementsprechend zu dieser Zeit sämtliche Geldmittel der Sozietät wirtschaftlich gesehen für sie Fremdgelder waren; aus dem Anwachsen der überschuldung aus Klienten-Geldern im Tatzeitraum um 455.428,92 S leitete es ab, daß die vom Angeklagten während der betreffenden Zeitspanne für private Zwecke entnommenen (insgesamt) 500.000 S bis zur vorerwähnten Höhe des überschuldungszuwachses aus den neu eingegangenen Klienten-Geldern und (bloß) in der restlichen Höhe von 44.571,08 S aus mittlerweiligen (neuen) Kanzleieingängen stammten (S. 128 f., 132- 134/II).

Nicht gesetzmäßig dargestellt ist die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) demnach mit der Behauptung, das Urteil lasse eine exakte Spezifizierung der tatgegenständlichen Gelder nach ihrer Herkunft vermissen: hat doch das Schöffengericht eine derartige Zuordnung wie dargelegt ohnedies bis auf den Groschen genau vorgenommen. Zu Unrecht aber remonstriert der Beschwerdeführer, eben darauf Bezug nehmend, gegen die grundsätzlichen Erwägungen des Erstgerichts in Ansehung der Frage, ob sowie inwieweit die ihm angelasteten Abhebungen objektiv Klienten-Gelder und damit ein (auch) ihm (zu einer ganz bestimmten Verwendung) 'anvertrautes Gut' (§ 133 StGB) oder Eigenmittel der Kanzleigemeinschaft und solcherart (als Haftungsfonds für deren Passiven) ein (seiner - beschränkten - Dispositionsbefugnis unterlegenes) für ihn 'fremdes Vermögen' (§ 153 StGB) betrafen.

Abermals nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist die Beschwerde insoweit mit dem Einwand, hiebei sei nur das Konto bei der Postsparkasse, nicht aber auch jenes bei der Volksbank berücksichtigt worden; dazu genügt ein Hinweis auf das der bekämpften Beurteilung zugrunde gelegte Gutachten (S. 39, 47, 59, 119/II), aus dem sich das Gegenteil ergibt. Die auf den Anfang und auf das Ende des (bloß fünfzehn Tage langen) Tatzeitraums bezogene, auf die jeweilige Relation zwischen Eigen- und Fremdmitteln der Sozietät abstellende bilanzierende Betrachtung des Schöffengerichts jedoch war im Hinblick darauf, daß sämtliche inkriminierten Entnahmen des Angeklagten keine bestimmten Eingänge erfaßten, bei der Entscheidung darüber, ob es sich bei den betreffenden, von einem Konto behobenen Beträgen aus wirtschaftlicher Sicht um Fremd- oder um Eigengeld (der Kanzleigemeinschaft) handelte, durchaus sachgerecht.

Diese bilanzierend-wirtschaftliche Betrachtung ist indessen, worauf der Beschwerdeführer (mit einem darauf abzielenden Eventualeinwand, insoweit der Sache nach einen Subsumtionsirrtum - Z. 10 - relevierend) zutreffend hinweist, eben darum, weil seine Entnahmen keine bestimmten Eingänge betrafen, richtigerweise nicht (wie im Urteil geschehen) bloß auf die (Eingänge und Ausgaben, also auf die) Vermögensverschiebungen im Tatzeitraum zu beschränken, sondern vielmehr - wie es das Erstgericht (allerdings nur) für den Tatzeit-Beginn ohnehin tat - jeweils in bezug auf die gesamte Vermögenslage der Sozietät anzustellen. Daraus folgt, daß die Bankguthaben der Kanzleigemeinschaft deshalb, weil letztere auch noch zum Tatzeit-Ende (allein schon) aus Treuhandverbindlichkeiten überschuldet war, zur Zeit aller dem Angeklagten zur Last fallenden Entnahmen (von einem jener Konten) ökonomisch für sie als - zur Weiterleitung an Klienten bestimmte (allenfalls nach vorübergehender Entnahme durch Eigenmittel ersetzte) - Fremdgelder und damit für ihn samt und sonders als ein (auch) ihm anvertrautes Gut im Sinn des § 133 StGB anzusehen waren.

Dementsprechend war die bekämpfte teilweise Unterstellung des dem Angeklagten angelasteten Verhaltens unter den Tatbestand des § 153 StGB tatsächlich im Sinn seines zuletzt erörterten Beschwerdeeinwands rechtlich verfehlt, sodaß der Schuldspruch gemäß Punkt II. des Urteilssatzes zu beheben war, ohne daß es einer Erörterung seines weiteren darauf bezogenen Vorbringens bedarf. Soweit aber der Beschwerdeführer in diesem Umfang sowie überhaupt zur Gänze einen Freispruch anstrebt, ist er deswegen nicht im Recht, weil sein Tatverhalten bei dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt nicht nur im Ausmaß des Schuldspruchs nach Punkt I. des Urteilssatzes, sondern insgesamt als Veruntreuung (§ 133 Abs. 1 und Abs. 2

zweiter Fall StGB) zu beurteilen ist; seine dagegen erhobenen Einwände sind nicht stichhältig.

Beizupflichten ist der Auffassung des Schöffengerichts, daß die dem Beschwerdeführer zugute gehaltene Bereitschaft, die entnommenen Beträge aus seinem 'Auseinandersetzungsguthaben', also aus seinen erst in einiger Zeit realisierbaren Gewinnanteilen an der Sozietät zurückzuzahlen (S. 140), bloß eine nachträgliche Schadensgutmachung betraf, die demzufolge seinen Bereicherungsvorsatz (§ 133 StGB) - der unmißverständlich auch mit dem (in Literatur und Judikatur nicht ungebräuchlichen: vgl. Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 21 zu § 133; ÖJZ-LSK. 1978/313, 1976/30 u.a.) Ausdruck Bereicherungs- 'Tendenz' (S. 138) angenommen wurde - weder aus dem Aspekt eines 'präsenten Deckungsfonds' noch aus dem einer 'Verrechnungsabsicht' in Frage zu stellen vermag; ein auf eine dauernde Vermögensvermehrung gerichtetes Tätervorhaben ist ja zu einem derartigen Vorsatz keineswegs nötig (EvBl. 1980/182, 1979/119 u. v.a.). Insoweit geht die (zum Teil im Rahmen der Mängelrüge ausgeführte) Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) demgemäß fehl.

Alle jene Beschwerdeausführungen (Z. 5 und 9 lit. a) aber, mit denen der Angeklagte darzutun sucht, daß er (im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichts doch) über einen präsenten Deckungsfonds aus eigenen Vermögenswerten sowie aus Forderungen gegen seine Mutter und gegen einen Bruder verfügt oder immerhin zu verfügen geglaubt habe, gehen daran vorbei, daß ihm nach den Entscheidungsgründen in Ansehung eines derartigen Deckungsfonds jeglicher Erstattungswille fehlte (S. 139 f./II); formelle Begründungsmängel des Urteils (Z. 5) in bezug auf diese Feststellung werden in der Beschwerde, die sich dazu mit der Behauptung, er habe auch insoweit eine 'Verrechnungsabsicht' gehabt, bloß in einem unzulässigen Angriff gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung erschöpft, gar nicht geltend gemacht. Das bloße Vorhandensein eines 'präsenten', also zur Tatzeit sofort (oder doch binnen kurzem) unabhängig vom Zahlungswillen und von der Zahlungsfähigkeit Dritter frei verfügbaren, ausreichenden Deckungsfonds jedoch stünde im Hinblick auf eben jenes Fehlen eines darauf bezogenen Erstattungswillens des Beschwerdeführers der Annahme seines Bereicherungsvorsatzes (§ 133 StGB) - gleichfalls - nicht entgegen; daraus folgt, daß seine auf eine gegenteilige Beurteilung abzielende Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) versagt, seine Mängelrüge (Z. 5) aber in dieser Hinsicht keine entscheidenden Tatsachen betrifft.

Zu Unrecht schließlich reklamiert der Angeklagte der Sache nach unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO Feststellungsmängel in Ansehung einer tätigen Reue (§ 167 StGB) dahin, daß noch vor der Anzeigeerstattung eine Willensübereinstimmung zwischen Dr. B und ihm über die Auflösung der Kanzleigemeinschaft und damit über eine (seiner Ansicht nach) als Schadenersatz zu beurteilende Abrechnung zustande gekommen sei. Denn in bezug auf den (wie dargelegt hier allein aktuellen) Tatbestand der Veruntreuung hätte ein strafaufhebender Vertrag über eine Schadensgutmachung (§ 167 Abs. 2 Z. 2 StGB) jedenfalls eine Vereinbarung zwischen ihm und den Verletzten, also den geschädigten Klienten erfordert, sodaß die Frage, ob er insoweit mit Dr. B eine Verabredung traf, schon deswegen ohne Belang ist.

Da sich nach den Urteilsfeststellungen der bedingte Zueignungsvorsatz des Beschwerdeführers alternativ auch darauf erstreckte, daß es sich bei den (gesamten) von ihm entnommenen Beträgen (wirtschaftlich) um Klientengelder, also um ein (auch) ihm anvertrautes Gut handle, liegen demnach sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite alle Voraussetzungen für seine Verurteilung wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2

zweiter Fall StGB im vollen Umfang der Anklage vor. In diesem Sinn war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, der demzufolge nur hinsichtlich des Schuldspruchs gemäß Punkt II. des Urteilssatzes dahingehend Berechtigung zukommt, daß das Tatverhalten des Angeklagten auch insoweit als Veruntreuung zu beurteilen ist (§ 281 Abs. 1 Z. 10 StPO), wogegen ihr im übrigen kein Erfolg beschieden sein konnte, wie im Spruch zu erkennen.

Bei der (dementsprechend erforderlichen) Strafneubemessung war - wie schon vom Erstgericht angenommen - die Wiederholung der strafbaren Angriffe als erschwerend, der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, mit dem seine Taten in auffallendem Widerspruch stehen, deren längeres Zurückliegen und sein seitheriges Wohlverhalten sowie die Schadensgutmachung dagegen als mildernd zu werten. Schon im Hinblick auf das Gewicht der vorliegenden Strafzumessungsgründe, bei dem auf die tat- und persönlichkeitsbezogene Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) Bedacht zu nehmen, also die Höhe des (ursprünglichen) Schadens von nicht weniger als eine halbe Million Schilling und die besondere Verwerflichkeit des vom Täter als Rechtsanwalt zur Finanzierung seiner Spielleidenschaft auf Kosten seiner Klienten (sowie zur Beschwer seines Kompagnons) begangenen groben Vertrauensbruchs mit zu berücksichtigen war, kam eine außerordentliche Strafmilderung (§ 41 Abs. 1 Z. 4 StGB) ungeachtet dessen nicht in Betracht, daß der Angeklagte mittlerweile auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet hat.

Darum und (jedenfalls) auf Grund des Verschlimmerungsverbots (§ 290 Abs. 2 StPO) war ebenso wie in erster Instanz die gesetzliche Mindeststrafe (§ 133 Abs. 2 zweiter Strafsatz StGB) zu verhängen sowie die bedingte Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB) zu gewähren. Mit seiner Berufung, die beachtenswerte Argumente für die damit angestrebte Anwendung des § 41 StGB vermissen läßt, war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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