OGH 10Os155/85

OGH10Os155/854.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.März 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jagschitz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas K*** wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 18.Juli 1985, GZ 28 Vr 1190/85-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und dessen Verteidigers, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas K*** des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 2 (im Tenor irrig: Abs 1 und Abs 2; vgl ÖJZ-LSK 1985/12) schuldig erkannt, weil er am 3.April 1984 in Zell am Ziller vor dem dortigen Bezirksgericht in der unter dem AZ C 89/84 anhängig gewesenen Rechtssache als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptung, er habe mit Haschisch nie etwas zu tun gehabt, falsch ausgesagt und diese Aussage mit einem Eid bekräftigt hatte. Er wurde hiefür zu einer Geldstrafe - als Zusatzstrafe - verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung erhoben.

Zu dem zur Entscheidung hierüber anberaumten Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung ist trotz gehöriger Ladung weder der Angeklagte noch sein Verteidiger erschienen.

Es wurde daher gemäß der - sowohl dem Angeklagten als auch dessen Verteidiger in der Ladung bekannt gegebenen - Bestimmung des letzten Satzes des § 286 Abs 1 StPO die Rechtsmittelschrift im Gerichtstag verlesen und der Entscheidung mit zugrundegelegt.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er sich auf einen Aussagenotstand nach § 290 StGB oder zumindest auf einen Putativnotstand im Sinn des § 10 Abs 2 StGB beruft, kommt keine Berechtigung zu.

Denn die Fälle eines Aussagenotstands nach § 290 Abs 1 StGB setzen durchwegs voraus, daß der Täter an der erfolgreichen Geltendmachung eines ihm zukommenden Entschlagungsrechtes gehindert ist, sei es, daß er den in Betracht kommenden Befreiungsgrund gar nicht kennt (Z 1), sei es, daß er ihn nicht offenbaren kann, ohne sich schon dadurch jenen Nachteilen auszusetzen, deren Abwendung die Zeugnisbefreiung dienen soll (Z 2), oder sei es, daß er trotz der Offenbarung des Befreiungsgrundes zu Unrecht zur Aussage verhalten wird (Z 3).

Die Besorgnis von Nachteilen aus der tatsächlichen Inanspruchnahme eines im konkreten Fall schon eingeräumten Entschlagungsrechtes dagegen vermag nach dem klaren Wortlaut des § 290 Abs 1 StGB einen entschuldigenden Aussagenotstand nicht zu begründen (vgl ÖJZ-LSK 1983/191). Auch eine (methodisch zulässige) analoge Anwendung dieses Entschuldigungsumstands auf solche Fälle kommt nicht in Betracht, weil bei ihnen das Offenliegen des Befreiungsgrundes bereits vorauszusetzen ist und dessen Inanspruchnahme allein keinesfalls zum Nachteil des die Aussage Verweigernden verwertet werden darf (vgl etwa RZ 1976/7 ua). Bei der (solcherart objektiv jedenfalls unbegründeten) Besorgnis von allenfalls (schon) aus der Verweigerung einer Aussage (allein) resultierenden Nachteilen handelt es sich dementsprechend nicht (bloß) um einen Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Aussagenotstands, auf den § 10 Abs 2 StGB sinngemäß anzuwenden wäre (vgl ÖJZ-LSK 1978/11), sondern vielmehr um die rechtsirrige Annahme eines im Gesetz gar nicht vorgesehenen Entschuldigungsumstands, die ihrerseits nicht zu entschuldigen vermag (vgl Kienapfel AT RN 28 zu Z 21).

Die Beschwerdeauffassung (Z 9 lit b), daß dem Angeklagten deswegen ein Aussagenotstand nach § 290 Abs 1 (gemeint offenbar Z 2) StGB zugutezuhalten sei, weil er als Laie davon habe ausgehen müssen, daß ihn schon die Verweigerung der Aussage allein in dem gegen ihn anhängig gewesenen Strafverfahren (28 Hv 273/83 des Landesgerichtes Innsbruck) belasten würde, geht daher fehl. Die Annahme eines Putativnotstands im Sinn des § 10 Abs 2 StGB aber scheidet insoweit nach dem zuvor Gesagten überhaupt aus, sodaß die der Sache nach geltend gemachten Begründungsmängel (Z 5) in Ansehung der Urteilsannahme, es wäre ganz unlogisch, wenn der Beschwerdeführer (irrtümlich) befürchtet hätte, schon eine bloße Aussageverweigerung würde ihn in jenem Strafverfahren belasten, keine in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes "entscheidende Tatsache" betreffen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 37 Abs 1, 288 Abs 2 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.Juli 1984, AZ 28 Vr 3.500/83, mit dem er wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 160 Tagessätzen zu je 100 S verurteilt worden war, nunmehr zu einer Zusatz-Geldstrafe in der Höhe von 260 Tagessätzen zu je 300 S; die Dauer der jeweils verhängten Ersatzfreiheitsstrafe betrug bei der ersten Verurteilung 80 und bei der zweiten 130 Tage. Bei der Strafzumessung wurde mit Bezug auf die Vorverurteilung des Angeklagten wegen der in einem weiteren Verfahren zeugenschaftlich erhobenen Falschbehauptung, er habe niemals mit Drogen zu tun gehabt, das durch die Wiederholung der falschen Aussage bewirkte Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, seine bisherige Unbescholtenheit dagegen als mildernd gewertet. Von der Erwägung ausgehend, daß bei gemeinsamer Aburteilung beider Delikte (§ 40 StGB) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten angemessen wäre, hielt das Schöffengericht in bezug auf die darnach zu verhängende Zusatzstrafe die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB für gerechtfertigt. Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung sowohl der Anzahl der Tagessätze als auch der Höhe des einzelnen Tagessatzes anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Konkrete Umstände, auf Grund deren die hypothetisch angenommene, ohnehin nur geringfügig über der gesetzlichen Un Argrenze des § 288 Abs 2 StGB gelegene Dauer der Gesamt-Freiheitsstrafe für beide Delikte mit sieben Monaten als überhöht anzusehen wäre, vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen; diese wird vielmehr seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus gerecht. In Anwendung der §§ 40, 37 Abs 1 und 19 Abs 3 StGB erweist sich demnach die Zahl der verhängten Tagessätze sehr wohl als angemessen.

Im Hinblick darauf, daß der ledige und für niemanden sorgepflichtige Angeklagte schon zur Zeit des Urteils erster Instanz nicht nur einen 50 %-igen Geschäftsanteil an einer mit fünf LKW-Zügen arbeitenden Transport-Gesellschaft besaß, sondern außerdem testamentarisch berechtigt war, ab seinem 25.Lebensjahr, also etwa sieben Monate später, das Reise-Unternehmen seines verstorbenen Vaters mit rund 14 LKWs zu übernehmen, ist dem Erstgericht aber auch darin vollauf beizupflichten, daß die Höhe des Tagessatzes mit 300 S den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 19 Abs 2 StGB) ungeachtet dessen entsprach, daß er damals als Angestellter im Familienbetrieb bei freier Kost und nicht ausgenützter freier Station nur 7.500 S monatlich netto bezog.

Der Berufung mußte sohin gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

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