OGH 10Os154/78

OGH10Os154/7825.10.1978

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1978

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Anneliese A wegen des Verbrechens des versuchten Raubs nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB. über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29.Mai 1978, GZ. 20 c Vr 6700/77-24, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Galvanek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 11.April 1952 geborene beschäftigungslose Anneliese A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des versuchten schweren Raubs nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 (erster und zweiter Anwendungsfall) StGB. schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, daß sie am 22.Juni 1977 in Wien in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Gerhard B und Wolfgang C als Beteiligte unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines schußbereit geladenen Trommelrevolvers trachtete, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben einem anderen Bargeld und Schmuck mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie gemeinsam mit Gerhard B und Wolfgang C das Haus Wien I., D -

straße 6 betrat und in der Folge an der Wohnungstür des Ignaz E anläutete, während B und C neben der Tür warteten, um es den Genannten dadurch zu ermöglichen, nach dem Öffnen der Tür Iganz E oder einen anderen Anwesenden durch Bedrohung mit der Waffe zur Herausgabe von Schmuck und Bargeld zu zwingen.

Die Staatsanwaltschaft hatte in Ansehung dieses Sachverhalts Anklage wegen versuchter Erpressung nach den § 15, 144 StGB. erhoben, das Schöffengericht jedoch gemäß dem § 261 Abs. 1 StPO. ein Unzuständigkeitsurteil gefällt, weil seiner Auffassung nach durch die der Anklage zugrundeliegenden Tatsachen der Verdacht einer zur Zuständigkeit des Geschwornengerichts gehörigen strafbaren Handlung, nämlich des Verbrechens des versuchten schweren Raubs begründet sei, worauf die Staatsanwaltschaft gemäß dem § 261 Abs. 2 StPO. die Anordnung einer Hauptverhandlung vor dem Geschwornengericht beantragt hatte. In diesem Verfahren bejahten die Geschwornen die im Sinn des zitierten Unzuständigkeitsurteils gestellte Hauptfrage (vgl. KH. 1705) ohne einschränkenden Zusatz, worauf das eingangs erwähnte Urteil erging.

Den Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z. 6 und 8 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht die Beschwerdeführerin zunächst geltend, es hätte auf Grund ihres Vorbringens, zum Tatzeitpunkt infolge Konsums von Valiumtabletten unter Drogeneinfluß gestanden zu sein, eine Eventual- (richtig: Zusatz-)frage in Richtung des § 11 StGB. gestellt werden müssen.

Diesem Beschwerdeeinwand ist entgegenzuhalten, daß in der Hauptverhandlung keine Tatsachen vorgebracht wurden, die - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die Schuld der Angeklagten ausschließen würden (§ 313 StPO.).

Die Angeklagte verantwortete sich zwar dahin, unter Einwirkung von Schlaftabletten gestanden zu sein und deshalb von dem Vorhaben der beiden Tatbeteiligten, einen Raubüberfall zu begehen, keine Kenntnis genommen und an der Wohnung des Ignaz E nicht mit dem Vorsatz, die Begehung eines solchen überfalls zu ermöglichen, angeläutet zu haben (S. 173, 175). Im übrigen erklärte sie jedoch ausdrücklich, sich an die damalige Situation genau erinnern zu können (S. 177 unten) und konnte auch wesentliche Umstände, wie z.B. die Straßenbahnroute, die zurückgelegte Wegstrecke, die Lage der Wohnung und ihr Verhalten am Tatort genau angeben (S. 172, 173). Durch dieses Vorbringen wird somit nicht indiziert, die Angeklagte hätte sich zur Zeit der Tat im Zustand einer ihre Diskretionsund Dispositionsfähigkeit ausschließenden tiefgreifenden Bewußtseinsstörung (§ 11 StGB.) befunden. Ihre Verantwortung lief vielmehr nur auf die Behauptung hinaus, es habe ihr infolge einer durch Drogeneinwirkung hervorgerufenen Bewußtseinstrübung der Raubvorsatz gefehlt. über diese Frage hatten die Geschwornen aber durch Bejahung oder Verneinung der bezüglichen Hauptfrage zu entscheiden. Schon aus dem Gesagten ergibt sich, daß den Geschwornen unter demselben Gesichtspunkt auch keine Zusatzfrage wegen (allfälliger) irrtümlicher Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts durch Anneliese A gemäß dem § 8 StGB. zu stellen war. Ob sich die Angeklagte bei der Tatbegehung infolge einer ihre Zurechnungsfähigkeit bloß vermindernden Drogeneinwirkung in einem vorsätzliches Handeln ausschließenden Tatbildirrtum befand und es sohin an der subjektiven Tatseite fehlte, hatten die Geschwornen nicht auf Grund einer Zusatzfrage, sondern gleichfalls schon im Rahmen der Hauptfrage zu entscheiden.

Als nicht stichhältig erweist sich ferner der Beschwerdeeinwand, es hätte einer gesonderten Zusatzfrage nach dem strafsatzändernden Umstand der Begehung eines Raubs unter Verwendung einer Waffe (§ 143, zweiter Anwendungsfall, StGB.) bedurft. Nach der ständigen Rechtsprechung ist es der Beurteilung des Schwurgerichtshofs anheimgestellt, ob ein strafsatzändernder Umstand in die Hauptfrage aufgenommen oder zum Gegenstand einer besonderen Zusatzfrage gemacht wird, sofern nur in der Rechtsbelehrung auf die Möglichkeit einer teilweisen Bejahung von Fragen bzw. der Beifügung einer Einschränkung hingewiesen wird, wie dies im vorliegenden Fall auch geschehen ist (siehe Beilage C/ zu ON. 23, S. 1 unten). In Ausführung des Nichtigkeitsgrunds des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. bezeichnet die Beschwerdeführerin die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung zum Begriff der Waffe im Sinn des § 143 StGB. als unrichtig und bringt vor, daß es ein vom Zeugen B waffenscheinfrei gekaufter 'antiquierter Vorderlader' gewesen sei, der 'im Zweifelsfall als ungeladen zu bezeichnen' und nach seinem Aussehen ungeeignet gewesen sei, jemandem Furcht einzuflößen. Der Vorwurf ist unbegründet. Nach den im Wahrspruch getroffenen Tatsachenfeststellungen handelt es sich bei der Waffe, die bei der Begehung des gegenständlichen Raubs (mit Kenntnis der Angeklagten) verwendet werden sollte, um einen schußbereit geladenen Trommelrevolver Kal. 36. Daß ein solcher Revolver tauglich für die Verübung eines Raubs 'unter Verwendung einer Waffe' ist, kann vernünftigerweise nicht bezweifelt werden und erübrigt sich dazu jedes Wort, sei es in einer Rechtsbelehrung, sei es in einem Urteil des Obersten Gerichtshofs.

Soweit sich die Beschwerdeführerin über die von den Geschwornen in ihrem Wahrspruch getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, welche die Annahme der Qualifikation des § 143, zweiter Anwendungsfall, StGB. decken, hinwegsetzt und vermeint, diese seien in den Verfahrensergebnissen nicht begründet, übersieht sie, daß im geschwornengerichtlichen Verfahren der Wahrspruch als solcher, die darin enthaltenen tatsächlichen Annahmen und die ihnen zu Grunde liegende Beweiswürdigung einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren gänzlich entrückt sind.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte Anneliese A nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 41 StGB. sowie gemäß dem § 31 StGB. unter Bedachtnahme auf das Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 30.Juni 1977, AZ. 6 U 1813/77, zu einer Zusatzstrafe in der Dauer von einem Jahr, elf Monaten und 21 Tagen.

Bei der Strafbemessung wertete es eine einschlägige Vorstrafe sowie die zweifache Erfüllung der im § 143 StGB.

normierten Qualifikationsmerkmale als erschwerend, hingegen den Umstand, daß es lediglich beim Versuch der Straftat geblieben ist, ferner die gegenüber Gerhard B und Wolfgang C untergeordnete Beteiligungsform sowie eine gewisse Enthemmung der Angeklagten infolge Drogenabhängigkeit als mildernd.

Mit ihrer Berufung begehrt Anneliese A eine Herabsetzung der Strafe

und deren bedingte Nachsicht.

Die Berufung ist nicht begründet.

Behält man im Auge (was bei einem neuen Strafrecht mit praxisbezogenen Strafrahmen nicht übersehen werden sollte), daß die Tat der Berufungswerberin gemäß § 143

StGB. mit bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsentzug bedroht ist, so muß die gemäß § 31 StGB. zusätzlich zu einer bezirksgerichtlichen Verurteilung verhängte Strafe von einem Jahr, elf Monaten und 21 Tagen eher als mild bezeichnet werden. Die Gefährlichkeit des Raubverbrechens kommt darin jedenfalls kaum zum Ausdruck, ebensowenig die nicht unerhebliche Rolle, die dieses schwere Verbrechen in der Kriminalstatistik spielt. Wohl hat das überwiegen der Milderungsgründe zur Anwendung des § 41 StGB. geführt; zieht man aber in Betracht, daß die Berufungswerberin erst im Oktober 1976 wegen eines dem Raub zunächst verwandten Delikts, nämlich wegen Diebstahls, vom Amtsgericht Traunstein abgestraft wurde, so besteht, will man schon nicht von raschem Rückfall sprechen, doch kein Anlaß für eine Strafermäßigung. Gerade der in der Berufungsschrift hervorgehobene labile Gemütszustand der Rechtsmittelwerberin verhindert nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 StGB. die bedingte Strafnachsicht, weil ein solcher Zustand der in der angeführten Gesetzesstelle geforderten Gewähr unüberwindlich entgegensteht.

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