Spruch:
Durch den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. November 1978, GZ. 2 c E Vr 3857/75-21, womit ungeachtet der mit Beschluß desselben Gerichtes vom 4.Oktober 1978 bereits ausgesprochenen endgültigen Strafnachsicht die seinerzeit (dem Verurteilten) bestimmte Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, ist das Gesetz in den Bestimmungen der § 43 Abs. 3 sowie 53
Abs. 1 und 2 StGB verletzt worden.
Der Beschluß vom 10.November 1978 wird aufgehoben und der Antrag der Staatsanwaltschaft, die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern, abgewiesen.
Text
Gründe:
Mit rechtskräftigem Abwesenheitsurteil eines Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.Juni 1975, GZ. 2 c E Vr 3857/75-12, wurde Josef A des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2
StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Zugleich wurde dem Verurteilten mit gesondertem Beschluß die Weisung erteilt, den aus seiner Tat entstandenen Schaden bis 1.Juli 1976 gutzumachen (S. 44, 55; siehe auch Bezugnahme im Urteil S. 49).
Ob der Verurteilte diese Weisung befolgte, ist nicht aktenkundig. Nach Ablauf der Probezeit sprach das Landesgericht für Strafsachen Wien, da in der eingeholten Strafregisterauskunft vom 26.September 1978 nach der vorangeführten Verurteilung des Josef A keine weitere aufschien (S. 61), auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß aus, daß die Strafe endgültig nachgesehen sei. Bei den Akten befindet sich zwar keine Urschrift dieses Beschlusses; dennoch steht fest, daß ein solcher auf Anordnung des Einzelrichters vom 4.Oktober 1978 durch die Geschäftsabteilung vorbereiteter Beschluß ergangen und nach Abfertigung insbesondere dem Strafregisteramt - versehen mit dem Datum: 5.Oktober 1978 - zugekommen ist (S. 58, 71). Am 11.Oktober 1978 erhielt das Landesgericht für Strafsachen Wien von der Bundespolizeidirektion Wien die Mitteilung, daß Josef A vom Bezirksgericht Vöcklabruck neuerlich verurteilt wurde. Inhaltlich des sohin beigeschafften Bezugsaktes 4 U 2653/77 des Bezirksgerichtes Vöcklabruck war über ihn mit rechtskräftiger Strafverfügung vom 14.August 1978 (ON. 12) wegen des zwischen 28. Februar und 7.April 1977 - mithin während der Probezeit - begangenen Vergehens des Betruges nach § 146 StGB eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100 S (und demgemäß eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen) verhängt worden. Das Bezirksgericht Vöcklabruck hatte es unterlassen, das Landesgericht für Strafsachen Wien von der Anhängigkeit des noch während der (aktenkundigen - siehe S. 5) Probezeit eingeleiteten neuen Verfahrens zu verständigen (vgl. JABl. 1976/17).
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft und ohne Anhörung des Verurteilten sprach der Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im Verfahren 2 c E Vr 3857/75
nunmehr mit Beschluß vom 10.November 1978 (ON. 21) aus, daß die bedingte Nachsicht der über Josef A mit dem Urteil vom 16.Juni 1975 verhängten Strafe zwar nicht widerrufen, die Probezeit aber auf insgesamt fünf Jahre verlängert werde.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Beschluß ist rechtskräftig; er steht jedoch mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Unbeschadet dessen, daß an sich gemäß § 53 Abs. 1
und 2 StGB im Hinblick auf die Verurteilung des Josef A durch Strafverfügung des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 14.August 1978 wegen einer während der ursprünglichen Probezeit begangenen strafbaren Handlung ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht oder aber bei Absehen vom Widerruf eine Verlängerung der Probezeit bis auf fünf Jahre innerhalb der noch offenen Fristen nach § 56 StGB möglich gewesen wäre, kam eine derartige Verfügung nach der mit Beschluß vom 4.Oktober 1978 ausgesprochenen endgültigen Nachsicht der Strafe nicht mehr in Betracht.
Ist dem Verurteilten nämlich nach Ablauf der Probezeit die Strafe endgültig nachgesehen worden, kann das Gericht diesen Beschluß zum Nachteil des Verurteilten weder formlos aufheben noch sich einfach stillschweigend darüber hinwegsetzen, auch wenn sich zeigt, daß die Voraussetzungen der endgültigen Strafnachsicht seinerzeit zu Unrecht angenommen worden waren. Das Gesetz sieht jedenfalls für einen solchen Fall eine önderung des früheren Beschlusses nicht vor; dem Verurteilten sind durch den Ausspruch der endgültigen Strafnachsicht Rechte erwachsen, deren er nicht mehr verlustig gehen kann (SSt. 4/37; EvBl. 1974/176).
Durch die hier vom Landesgericht für Strafsachen Wien eingehaltene Vorgangsweise wurde die Rechtswirkung der bereits ausgesprochenen endgültigen Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 3 StGB sowie die den Bestimmungen des § 53 Abs. 1 und 2 StGB zugrundeliegende Voraussetzung, daß die Strafe nicht schon endgültig nachgesehen ist, außer acht gelassen.
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