OGH 10Os145/85

OGH10Os145/8521.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Jänner 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Regen als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner N*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.Juni 1985, GZ 6 b Vr 9047/82-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Reich-Rohrwig zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Werner (im Kopf des erstgerichtlichen Urteils unrichtig: Walter) N*** I./ des Verbrechens des Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB und II./ des Vergehens der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 und 2 (§ 161 Abs 1) StGB schuldig erkannt, weil er (zu I./) am 11. Mai 1984 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Rechtsanwalt Dr.Helmut Prankl, den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Aurelia J***, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe von Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit sowie durch Begeben zweier ungedeckter Schecks über insgesamt 175.000 S, zu die Konkursmasse Aurelia J*** schädigenden Handlungen, nämlich zur Ausfolgung der Schlüssel zu einem Warenlager und zur Übergabe der dort gelagerten Waren im Wert von 175.000 S, verleitet hatte, und (zu II./) als Geschäftsführer der "Werner N*** & Co GesmbH" fahrlässig 1./ in der Zeit von 1977 bis Winter 1981 (genauer 1980/81) die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens dadurch herbeigeführt hatte, daß er ohne ausreichende Eigenmittel die Geschäftstätigkeit begann und in der Folge unverhältnismäßig Kredite benützte, und 2./ ab Frühjahr 1981 in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines Teiles derselben vereitelt oder geschmälert hatte, indem er alte Schulden beglich, neue Verbindlichkeiten einging und die Eröffnung des Konkurses oder des Ausgleichsverfahrens nicht rechtzeitig beantragte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist unbegründet.

In der Verfahrensrüge macht der Beschwerdeführer in bezug auf den Schuldspruch wegen Betruges geltend, das Erstgericht habe zu Unrecht die beantragten Beweisaufnahmen darüber abgelehnt, daß er "in anderen Fällen gutgläubig" gewesen sei.

Dem betreffenden Beweisantrag fehlte indes die prozessuale Voraussetzung einer Bezeichnung der Beweismittel (§§ 199 Abs 2 a. E., 222 Abs 1 StPO, vgl Bertel, StPO 2 , RN 628). Weder der Antrag auf "Ladung von (nicht einmal namentlich bezeichneten) Zeugen, mit denen der Angeklagte derartige Geschäfte schon abgewickelt hat", noch das Begehren auf "Ausforschung von diversen Geschäftsfällen" und "Beischaffung von Unterlagen" (S 86 f/II) enthalten die für eine Beweisaufnahme nötige Spezifizierung. Davon abgesehen räumte das Erstgericht ohnedies ein, daß der Angeklagte andere Geschäftsfälle zumeist ordnungsgemäß abwickelte und insoweit auch nicht mit Betrugsvorsatz handelte (US 7 und 12). Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die Feststellung zum Schuldspruch wegen fahrlässiger Krida, wonach die Kapitalausstattung des Unternehmens zu gering war, durch Befund und Gutachten des Buchsachverständigen (S 379 f/I in Verbindung mit S 87/II) gedeckt und durch die Bezugnahme des Urteils hierauf (US 10 f) angesichts des Umstandes, daß keine konkreten Verfahrensergebnisse gegen die Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen sprachen, zureichend und somit mängelfrei begründet.

Soweit sich der Beschwerdeführer in der Mängelrüge in Ansehung des Schuldspruches wegen Betruges gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite wendet, versucht er - zum Teil mit aktenwidrigem Vorbringen - in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung zu bekämpfen, ohne einen Begründungsmangel formaler Natur aufzeigen zu können:

Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß der Angeklagte zwar möglicherweise auf einen Weiterverkauf der Waren aus der Konkursmasse gehofft, jedoch gewußt hatte, daß dies keinesfalls sicher war, damit gerechnet hatte, daß sein Konto bei der B*** auch im Falle des Eingehens der Verkaufserlöse nicht über ausreichende Deckung zur Einlösung der beiden Schecks verfügen werde und daß er sich mit einer Schädigung der Konkursmasse um den gesamten Kaufpreis von 175.000 S abgefunden hatte (US 9 bis 11). Diese Feststellungen leitet das Erstgericht durchaus logisch und lebensnah aus dem Zeitpunkt der Scheckübergabe (an einem Freitagnachmittag, womit eine sofortige Prüfung der Einlösbarkeit faktisch unmöglich gemacht wurde), dem Umstand, daß der Angeklagte trotz der ihm bekannten Kontoüberziehung von rund 264.000 S (vgl hiezu S 454/I, 25 ff/II, 75/II) zur Zeit der Scheckübergabe (11.Mai 1984) sich nicht mit der Bank in Verbindung gesetzt hatte, um für die Abdeckung dieser nur bis 31.3.1984 gestatteten Überziehung zu sorgen, seinem Verhalten nach der Tat gegenüber dem getäuschten Masseverwalter Dr. Prankl und aus seiner allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Lage ab (US 11 ff).

Die Beschwerdebehauptung, ein "unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Kontoüberziehung und der Nichteinlösung der Schecks" habe nicht bestanden, ist unzutreffend. Denn nach den vom Erstgericht seinen Feststellungen zugrundegelegten Zeugenaussagen des informierten Vertreters der Bank und der von ihm vorgelegten Korrespondenz hatte das Konto, wie erwähnt, am 10.Mai 1984, also einen Tag vor der Scheckübergabe, einen Debetsaldo von rund 264.000 S aufgewiesen, der sich in der Folge nur unwesentlich verminderte (S 25 ff/II in Verbindung mit S 86, 88/II). Die weiteren Beschwerdebehauptungen, der Angeklagte sei sicher gewesen, die Schecks "durch gewinnbringenden Verkauf der Ware bei Präsentation einlösen" zu können, erschöpfen sich darin, den gegenteiligen Urteilsfeststellungen die (vom Erstgericht abgelehnte) Verantwortung des Angeklagten entgegenzusetzen und zeigen somit keinen Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO auf. Entgegen den Ausführungen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist das Ersturteil im Schuldspruch wegen Betruges auch mit keinem Feststellungsmangel behaftet:

Eine allfällige Wiedererlangung der Verfügungsgewalt über einen Teil der Ware durch den Masseverwalter könnte lediglich eine teilweise Schadensgutmachung nach vollendetem Betrug darstellen. Feststellungen hiezu sind unter dem Gesichtspunkt des anzuwendenden Strafgesetzes nicht erforderlich. Im übrigen bieten die Verfahrensergebnisse keine Anhaltspunkte für eine solche - nur bei der Strafzumessung als möglicher Milderungsgrund zu beachtende - Schadensgutmachung.

Der Umstand, daß der Angeklagte durch Fortführung des Unternehmens bei gleichzeitigem Verzicht auf ihm zustehende Gehaltszahlungen und unter Personaleinsparungen noch größere Verluste aus drohenden höheren Konventionalstrafen abwenden wollte und auch einen weiteren Auftrag der Stadtgemeinde Baden in der "Absicht" übernahm, die Verbindlichkeiten weiter abzudecken (vgl US 6 f), ist entgegen der Beschwerdeauffassung (der Sache nach Z 9 lit a) für die Frage der fahrlässigen Gläubigerschädigung im Sinne des § 159 Abs 1 Z 2 StGB bedeutungslos. Den auf die Verfahrensergebnisse gestützten Feststellungen nach bestand für den Angeklagten unter der gebotenen Zugrundelegung des Erfahrungs- und Wissensstandes eines verantwortungsbewußten Kaufmannes (objektive Sorgfaltspflicht) kein begründeter Anlaß für die Annahme, durch Fortführung des Unternehmens dessen Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Nur in einem solchen - hier aber nicht zutreffenden - Fall könnte es unter Umständen an der objektiven und subjektiven Voraussehbarkeit der Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung mangeln (vgl Kienapfel, BT II, RN 40 f zu § 159 StGB).

Mit den restlichen Einwänden der Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich, denen zufolge das Erstgericht bei "richtiger Feststellung der Ergebnisse der Hauptverhandlung hätte zum Schluß kommen müssen, daß das dem Angeklagten unterstellte strafbare Verhalten nicht vorliege, insbesondere nicht das Verbrechen des Betruges gegeben sein könne, und sich aus dem gesamten Akteninhalt ergäbe, daß der Angeklagte im Falle der Krida nicht fahrlässig gehandelt, insbesondere nicht hätte erkennen können, daß die N*** GesmbH längst zahlungsunfähig war", weicht die Beschwerde vom (gegenteiligen) Urteilssachverhalt ab. Damit wird ein materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsmäßigen Darstellung gebracht.

Die teils unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war aus den angeführten Gründen zu verwerfen.

Das Vorbringen im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung, dem vom Masseverwalter Dr.Prankl gegen den Angeklagten angestrengten zivilgerichtlichen Verfahren sei das Klagebegehren eingeschränkt worden, weil dieser nicht das gesamte Warenlager übernommen habe, ist als unzulässige Neuerung im Nichtigkeitsverfahren unbeachtlich. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 147 Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Delikte, als mildernd die Unbescholtenheit des Angeklagten, eine teilweise Schadensgutmachung und ein Teilgeständnis.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung) anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Den vom Erstgericht angenommenen Erschwerungsgründen ist zwar als weiterer der Umstand hinzuzufügen, daß die fahrlässige Krida in zwei Erscheinungsformen verwirklicht wurde, doch ändert dies wenig am Gewicht der Strafzumessungsgründe, die im übrigen vom Erstgericht richtig festgestellt und zutreffend gewürdigt wurden. Der Angeklagte legte - den Berufungsausführungen zuwider - tatsächlich nur ein Teilgeständnis ab (S 75). Der vor den Taten ordentliche Lebenswandel des Angeklagten wurde vom Erstgericht (als Unbescholtenheit) ohnedies berücksichtigt.

Auch unter Beachtung des - vom Erstgericht keineswegs übergangenen (s US 6 f) - Umstandes, daß der Angeklagte sein Unternehmen weiterführte, um drohende Konventionalstrafen zu vermeiden und für sich keine Gehaltszahlungen mehr in Anspruch nahm, erscheint das Gewicht der Milderungsgründe nicht so hoch, daß von deren beträchtlichem Überwiegen gesprochen werden könnte. Für eine Anwendung der mit der Berufung angestrebten außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB und damit für eine Herabsetzung der vom Erstgericht ohnedies an der gesetzlichen Untergrenze ausgemessenen Freiheitsstrafe besteht daher kein Raum.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte