OGH 10Os119/85

OGH10Os119/855.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zimmermann als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz Dieter A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 erster und dritter Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Gertraud A als gesetzliche Vertreterin des Franz Dieter A sowie die Berufungen des Angeklagten Hermann B, der Monika B als gesetzliche Vertreterin des Hermann B und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten A und C gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 18. Juli 1985, GZ 4 Vr 1419/85-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Gertraud A als gesetzliche Vertreterin des Angeklagten Franz Dieter A wird zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen der Genannten, des Angeklagten Hermann B, der Monika B als gesetzliche Vertreterin des Letztgenannten und der Staatsanwaltschaft (hinsichtlich der Angeklagten A und C) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten A die durch die Nichtigkeitsbeschwerde seiner gesetzlichen Vertreterin verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurden die zu den Tatzeiten jugendlichen Angeklagten Franz Dieter A und Alfred C des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 'erster Satz erster Fall und zweiter Satz' (besser: erster und dritter Fall) StGB, weiters A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 sowie 15 StGB, C des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahles nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 sowie 15 StGB und des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB und der zur Tatzeit gleichfalls jugendliche Angeklagte Hermann B des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 1, 128 Abs. 1 Z 2 und 4, 129 Z 1 und 2 sowie 15 StGB, des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB und des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Die Angeklagten A und C sowie die gesetzliche

Vertreterin des Angeklagten C verzichteten sogleich nach Urteilsverkündung auf Rechtsmittel. Der Angeklagte B und dessen gesetzliche Vertreterin meldeten nach Verkündung des Urteils Berufung an. Innerhalb der Bedenkzeit meldete sodann Gertraud A als gesetzliche Vertreterin des Angeklagten A Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an und führte diese Rechtsmittel auch aus. Der Angeklagte B führte die von ihm angemeldete Berufung aus; seine gesetzliche Vertreterin hingegen führte die von ihr angemeldete Berufung nicht aus. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit Berufung gegen den Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten A und C.

Rechtliche Beurteilung

Die auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Gertraud A ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Zum - allein bekämpften - Schuldspruch im Urteilsfaktum A liegt den Angeklagten A und C zur Last, am 31. März 1985 in Graz in Gesellschaft als Beteiligte dadurch, daß sie Lisbeth D gemeinsam verfolgten und C beim Vorbeilaufen an der Genannten deren Handtasche erfaßte und daran heftig anriß, wobei es ihm infolge des Widerstandes der Genannten jedoch nicht gelang, sich der Handtasche zu bemächtigen, mit Gewalt gegen eine Person einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei Lisbeth D durch die ausgeübte Gewalt (nämlich den dadurch ausgelösten Sturz) in Gestalt eines Oberarmbruches rechts und eines Ellbogenbruches rechts schwer verletzt wurde. Das Erstgericht konstatierte in den Entscheidungsgründen, daß jeder der beiden Angeklagten A und C vereinbarungsgemäß an je einer Seite der Pensionistin D vorbeilief, und dabei C die Handtasche zu entreißen versuchte, was ihm trotz mindestens zweier Versuche wegen des Widerstandes der Frau nicht gelang, wobei sie letztlich zu Sturz kam und die erwähnten Verletzungen erlitt. Die Feststellung, daß auch vom Angeklagten A 'das Moment der Gewaltanwendung' in den Tatausführungsplan miteinbezogen wurde, stützte das Erstgericht auf die in der Hauptverhandlung deponierten Verantwortungen des Angeklagten C, wonach A der Frau 'allenfalls helfend beistehen' sollte, 'falls sie umfallen würde', und des Angeklagten A, wonach er damit rechnete, die Frau werde vielleicht die Tasche festhalten (S 294 f. iVm S 264 und 265). Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5), für diese Tatsachenfeststellungen seien 'keine überzeugenden Beweisgrundlagen vorhanden' und die weiteren, aus Angaben der beiden Angeklagten vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter abgeleiteten Ausführungen der Mängelrüge, der von den Tätern in der Hauptverhandlung dargestellte Gedanke stehe 'auch in krassem Widerspruch mit dem Gesamtverhalten' (ersichtlich gemeint: zum Verhalten anläßlich der Verübung von Diebstählen) stellt sich inhaltlich bloß als eine im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichtes, das darlegte, worauf es sich bei Konstatierung des Raubvorsatzes stützte, dar und zeigt keinen der im § 281 Abs. 1 Z 5 StPO bezeichneten Begründungsmängel auf.

Die weiteren allgemein gehaltenen Ausführungen der Mängelrüge, der Ausspruch des Gerichtes über eine entscheidende Tatsache sei unvollständig, es seien unzureichende Gründe (für den Raubvorsatz) angegeben, das Gericht habe es unterlassen, die 'Tatbestandselemente genauer zu untersuchen und auseinanderzuhalten' bezeichnen nicht deutlich und bestimmt, welche Tatumstände den angerufenen Nichtigkeitsgrund bilden sollen (§ 285 a Z 2 StPO); sie sind daher zu einer sachbezogenen Erörterung ungeeignet.

Mit der - gleichfalls unsubstantiierten - Behauptung, 'die Aussagen C-A' stünden 'miteinander in unlösbarem

Widerspruch' wird gleichfalls kein Nichtigkeitsgrund dargetan, denn § 281 Abs. 1 Z 5 StPO bezieht sich auf Widersprüche im Ausspruch des Gerichtes. Auch dieses Vorbringen ist demnach nicht zielführend. Die Rechtsrüge (Z 10) ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil die Rechtsmittelwerberin nicht, wie dies zu einer ordnungsmäßigen Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unabdingbar ist, vom festgestellten Urteilssachverhalt ausgeht und diesen Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht. Keine prozeßordnungsgemäße Darstellung solcher Nichtigkeitsgründe liegt hingegen vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird. Die Ausführung der Rechtsrüge zitiert eingangs wohl zutreffende allgemeine Rechtssätze zur Abgrenzung zwischen Raub und Diebstahl, weicht aber dann auf den konkreten Fall übergehend, von der Tatsachenkonstatierung des Erstgerichtes zur subjektiven Tatseite ab, indem sie die Behauptung, es sei eine allfällige Gewaltanwendung gegen Lisbeth D weder ausdrücklich noch sinngemäß vereinbart worden, anstelle der gegenteiligen Konstatierung des Erstgerichtes setzt.

Aus den angeführten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde als zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt sofort bei der nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO).

In sinngemäßer Anwendung des § 285 b Abs. 6 StPO waren die Akten zur Erledigung der überdies erhobenen Berufungen dem Oberlandesgericht Graz zuzuleiten.

Dem jugendlichen Angeklagten A fallen ungeachtet des Umstandes, daß er auf Rechtsmittel verzichtete, die aus Anlaß der von seiner gesetzlichen Vertreterin erfolglos erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde entstandenen Verfahrenskosten zur Last (ÖJZ-LSK 1978/178).

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