OGH 10Os119/83

OGH10Os119/8320.9.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 1983 durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 25. Mai 1983, GZ 19 Vr 1722/82-25, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Gloß sowie des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser - zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter A der Verbrechen (1.) des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und (2.) der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie der Vergehen (3.) des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB und (4.) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, in Pottenbrunn (zu 1.) vom Herbst 1981 bis zum 28. November 1982 dreimal mit der am 30. Dezember 1968 geborenen Sabine B, sohin einer unmündigen Person, den außerehelichen Beischlaf unternommen;

(zu 2.) zur selben Zeit die unmündige Sabine B dadurch, daß er sie mehrfach an den Brüsten und am Geschlechtsteil abtastete, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

(zu 3.) gleichfalls zur selben Zeit minderjährige Stiefkinder, und zwar a) Sabine B durch die in den Punkten 1.) und 2.) bezeichneten Straftaten und b) die am 21. Mai 1966

geborene Maria B durch wiederholtes Betasten an den Brüsten und am Geschlechtsteil, zur Unzucht mißbraucht; sowie (zu 4.) im Herbst 1981 und im Frühjahr 1982 Sabine B durch die Ankündigung, er werde sie schlagen, falls sie ihrer Mutter von den stattgefundenen Beischlafshandlungen erzähle, durch gefährliche Drohung zur Unterlassung der Aufdeckung dieser (im Punkt 1. bezeichneten) Straftaten genötigt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten, nur gegen den Schuldspruch wegen Nötigung gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer hält diese Verurteilung deshalb für verfehlt, weil die Ankündigung von Schlägen 'mit dem Tatbestand nach § 115 Abs 1 StGB gleichgesetzt' werden könne, zumal nicht festgestellt worden sei, daß er über eine bloße Züchtigung hinausgehende Schläge angedroht habe; derartige Ankündigungen durch Eltern gegenüber Kindern kämen ständig vor und seien (daher) nicht als gefährliche Drohung (oder als Drohung mit Gewalt) zu beurteilen. Diese Rechtsrüge (sachlich Z 9 lit c) hält jedoch einer überprüfung nicht stand.

Für die Bedeutung und Tragweite einer Drohung ist nicht allein deren Wortlaut ausschlaggebend, sondern ihr für den Bedrohten erkennbarer Sinngehalt (vgl ÖJZ-LSK 1977/97 ua);

bei dessen Feststellung geht es um eine Tatfrage.

In diesem Sinn hat das Erstgericht als erwiesen angenommen, daß den vom Angeklagten gegenüber seiner damals rund 13-jährigen Stieftochter geäußerten Ankündigungen, er werde sie schlagen, falls sie ihrer Mutter von seinen an ihr begangenen sexuellen Verfehlungen erzähle, die Bedeutung von Drohungen mit einer Verletzung am Körper zukam (S 123). Soweit sich der Beschwerdeführer über diese Tatsachenfeststellung hinwegsetzt, bringt er die Rechtsrüge nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Drohungen mit einer Verletzung am Körper sind aber dann als 'gefährlich' (§ 74 Z 5 StGB) zu beurteilen, wenn sie (objektiv) geeignet sind, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten übels begründete Besorgnisse einzuflößen; werden sie von Erwachsenen gegenüber Kindern geäußert, dann wird dies gewiß weit eher zutreffen als bei gleichartigen Ankündigungen gegenüber Erwachsenen (vgl EvBl 1969/87, 10 Os 121/78 ua).

Im vorliegenden Fall, in dem - auch für Sabine B erkennbar - keine Rede davon sein konnte, daß es sich bei den ihr vom Angeklagten angedrohten Schlägen etwa um eine erzieherische Maßnahme handeln solle, sondern letzterer mit den Drohungen den erklärten Zweck verfolgte, die Unmündige zur Unterlassung von Mitteilungen über die sexuellen Vorfälle an ihre Mutter zu zwingen, ist die Androhung von Schlägen durch ihn gegenüber der Dreizehnjährigen, um sie einzuschüchtern, unter den gegebenen Umständen fraglos als Ankündigung eines so bedeutenden und wichtigen übels aufzufassen, daß das Kind eine ernstliche Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität befürchten mußte, zumal er dessen Schwester Maria B bereits tatsächlich durch zwei Faustschläge leicht verletzt hatte (S 32); nicht umsonst hat das Kind ein Jahr lang über die sexuellen Verfehlungen des Angeklagten geschwiegen, obwohl es darunter derart litt, daß es sogar Selbstmordabsichten hatte (S 123). Der Unterstellung des Sachverhalts unter den Tatbestand des § 105 Abs 1 StGB, derzufolge eine Beurteilung der Tat bloß als Bedrohung mit einer körperlichen Mißhandlung im Sinn des § 115 Abs 1 StGB schon im Hinblick auf die in jener Strafbestimmung enthaltene Subsidiaritätsklausel nicht in Betracht kommt, haftet daher ein Rechtsirrtum nicht an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 206 Abs 1 StGB zu zwanzig Monaten Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Zusammentreffen mehrerer Straftaten und deren Wiederholung sowie das Auftreten ganz augenscheinlicher seelischer Schäden bei Sabine B als Folge der Verfehlungen des Angeklagten als erschwerend, hingegen dessen volles und reumütiges Geständnis als mildernd. Auch die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des Strafmaßes sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, erweist sich als unberechtigt.

Von einer als mildernd wirkenden 'aufgestoßenen Gelegenheit' kann bei Sittlichkeitsdelikten an unmündigen und jugendlichen Mädchen durch eine ihnen gegenüber in einem Autoritätsverhältnis stehende Person (wie im vorliegenden Fall durch den Berufungswerber als Stiefvater) keine Rede sein.

Auch der Umstand, daß der Angeklagte nach der mittlerweiligen Scheidung seiner Ehe keinen Kontakt mehr zu den Tatopfern hat, ist für das Maß seiner Schuld (§ 32 StGB) ohne jede Bedeutung. Sein mit einem Beitrag zur Wahrheitsfindung verbundenes reumütiges Geständnis aber wurde ihm ohnedies als Milderungsgrund zugute gehalten. Die Annahme des Erschwerungsumstands hinwieder, daß Sabine B durch die sexuellen Verfehlungen des Berufungswerbers psychische Schäden erlitt und sogar an Selbstmord dachte, findet in der Aktenlage vollauf Deckung (S 78).

Hält man dazu, daß sich der Angeklagte an zwei Mädchen vergangen und die Tathandlungen einen längeren Zeitraum hindurch wiederholt hat, wobei ihm insgesamt vier verschiedene Delikte zur Last liegen, dann erweist sich das Ausmaß der über ihn verhängten Freiheitsstrafe keineswegs als überhöht; deren Herabsetzung kam demgemäß nicht in Betracht.

Aber auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht unter den erschwerten Bedingungen des § 43 Abs 2 StGB liegen nicht vor.

Völlig unzutreffend ist die Berufungsbehauptung, der Angeklagte habe sich bereits einmal dieser Rechtswohltat 'als würdig erwiesen'; hat er doch die ihm im gegebenen Fall angelasteten Verfehlungen bereits im Herbst 1981, also während einer noch offenen Probezeit begonnen, die ihm im Verfahren zum AZ 19 E Vr 413/79 des Kreisgerichtes St. Pölten in Ansehung einer dort über ihn verhängten bedingt nachgesehenen einjährigen Freiheitsstrafe gewährt worden war, und im übrigen zudem ersichtlich nur durch die an Sabine B verübte Nötigung bewirkt, daß diese Straftaten erst nach dem Ablauf jener Probezeit bekannt wurden. Schon darum kann keinesfall gesagt werden, es sei aus besonderen Gründen die - im Hinblick auf die Strafdauer für eine bedingte Nachsicht erforderliche - Gewähr für ein künftiges Wohlverhalten des Angeklagten geboten.

Der Berufung konnte daher gleichfalls kein Erfolg beschieden sein.

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