OGH 10ObS9/94

OGH10ObS9/9415.2.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Prof.Dr.Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und HR Robert List (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eva L*****, Pensionistin, ***** vertreten durch DDDr.Franz Langmayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1101 Wien, Wienerbergerstraße 15-19, wegen S 12.727,08 s.A., infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.September 1993, GZ 32 Rs 130/93-14, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 11.August 1993, GZ 5 Cgs 90/93y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die bei der beklagten Gebietskrankenkasse krankenversicherte Klägerin begehrt den Kostenersatz für den für die Verwendung eines Badelifters erforderlichen Neueinbau einer behindertengerechten Badewanne in ihrer Wohnung. Die Kostenübernahme für den Badelifter über ärztliche Verordnung erfolgte gemäß § 154a ASVG durch die Beklagte. Mit Schreiben der Beklagten vom 17.3.1993 wurde der Klägerin mitgeteilt, daß ihrem Antrag auf Ersatz der Kosten für eine Behindertenbadewanne nicht entsprochen werden könne; der medizinische Dienst der Kasse habe keine Befürwortung erteilen können, da diese als Leistung der Krankenversicherung nicht vorgesehen sei. Mit einem weiteren Schreiben der Beklagten vom 2.4.1993 wurde der Klägerin weiters mitgeteilt, daß Badezimmereinrichtungen und -umbauten keine Leistungen der sozialen Krankenversicherung, also keine Versicherungsleistungen nach dem 2.Teil des ASVG seien, weshalb hierüber ein Bescheid in Leistungssachen nicht erlassen werden könne.

Mit der am 6.5.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von S 12.727,08 samt 4 % Zinsen seit 1.4.1993. Sie sei nach zwei Schlaganfällen und einem Oberschenkelhalsbruch so sehr bewegungsunfähig, daß sie sich nicht ohne Rollstuhl bewegen könne. Aus diesem Grund habe sie bei der Leistungsabteilung der Beklagten einen Badelifter samt Zubehör beantragt, der auch bewilligt worden sei. In der Folge habe sich nach Rücksprache mit einer Fachfirma herausgestellt, daß der Lifter nicht in die alte gußeiserne Badewanne passe, die aus dem Jahr 1948 stamme. Aus diesem Grund habe eine neue behindertengerechte Badewanne installiert werden müssen. Inklusive Montage hätten die diesbezüglichen Installateurkosten den Klagebetrag ausgemacht. Eine Bescheiderlassung sei von der Beklagten offensichtlich entgültig abgelehnt worden.

Die Beklagte beantragte die Zurückweisung der Klage. Nach § 367 Abs 1 Z 2 ASVG sei über den Antrag auf Zuerkennung einer Leistung aus der Krankenversicherung ein Bescheid zu erlassen, wenn die beantragte Leistung ganz oder teilweise abgelehnt werde und der Anspruchswerber ausdrücklich einen Bescheid verlange. Da Badezimmereinrichtungen und -umbauten keine Leistungen der sozialen Krankenversicherung, also keine Versicherungsleistungen nach dem 2.Teil des ASVG seien, könne hierüber ein Bescheid in Leistungssachen nicht erlassen werden.

Das Erstgericht wies die Klage mit Beschluß zurück. Der Rechtsweg an das Arbeits- und Sozialgericht sei nur bei Vorliegen einer Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 ASGG gegeben. Bei freiwilligen Leistungen, deren Gewährung im Ermessen des Versicherungsträgers liege, handle es um keine Sozialrechtssachen im genannten Sinn. Über derartige Ansprüche sei auch nicht mit Bescheid abzusprechen. Die von der Klägerin angestrebte Leistung, nämlich Einbau einer neuen Badewanne zur Adaption zu einem Badelift, stelle die Hilfe bei körperlichen Gebrechen im Sinne des § 154 ASVG bzw eine medizinische Maßnahme der Rehabilitation im Sinne des § 154a ASVG dar, für die schon nach der Gesetzesdiktion kein durchsetzbarer Rechtsanspruch des Versicherten bestehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die durch Art II Z 29 der 50.ASVG-Novelle mit Wirkung vom 1.1.1992 eingefügte Bestimmung des § 154a ASVG sehe die Gewährung medizinischer Maßnahmen der Rehabilitation nach pflichtgemäßem Ermessen durch den Krankenversicherungsträger vor. Dies bedeute, daß die Krankenversicherungsträger zur Leistung der Maßnahmen der Rehabilitation zwar verpflichtet seien, dieser Verpflichtung aber kein individueller Leistungsanspruch gegenüberstehe. Vielmehr sei beabsichtigt, ab dem Jahr 1994 die Rehabilitation der Krankenversicherung in eine Pflichtleistung umzuwandeln. Da die derzeitige Leistungsgewährung nur eine freiwillige Versicherungsleistung als "Probebetrieb" für eine später in Aussicht genommene Pflichtleistung sei, handle es sich um keine Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 ASGG, so daß der Rechtsweg hiefür unzulässig sei. Der Umbau der Badewanne sei kein Heilmittel im Sinne des § 133 Abs 1 ASVG und auch kein Hilfsmittel, sondern seiner Art nach eine medizinische Maßnahme der Rehabilitation. Auf diese bestehe aber kein Rechtsanspruch.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsanspruch der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Klägerin steht auf dem Rechtsstandpunkt, daß der Umbau ihrer Badewanne, selbst wenn es sich dabei um keinen Anwendungsfall des § 133 ASVG handle, unter den Hilfsmittelbegriff des § 154 Abs 1 ASVG zu subsumieren wäre. Dieser Umbau stehe in untrennbarem Zusammenhang und in Einheit zur vorweg gewährten Leistung des Badewannenlifts, ohne welche dieses Hilfsmittel technisch nicht einsetzbar gewesen wäre. Es handle sich daher in Wahrheit um eine satzungsmäßige Mehrleistung, auf die ein Rechtsanspruch bestehe.

Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden.

Bei Verstümmelungen, Verunstaltungen und körperlichen Gebrechen, welche die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit oder die Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen, wesentlich beeinträchtigen, kann die Satzung Zuschüsse für die Anschaffung der notwendigen Hilfsmittel sowie für deren Instandsetzung vorsehen, soweit nicht unter anderem eine Leistungsverpflichtung im Rahmen der medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation besteht (§ 154 Abs 1 Satz 1 ASVG). Es handelt sich dabei um Mehrleistungen, die über die gesetzlichen Mindestleistungen hinausgehen und die innerhalb gewisser Grenzen in der Satzung vorgesehen werden können, also sogenannte satzungsmäßige Mehrleistungen im Sinne des § 121 Abs 3 ASVG.

Wie die Beklagte in ihrer an das Gericht zweiter Instanz erstatteten Rekursbeantwortung ausführte, ist infolge der nunmehrigen Rechtsmeinung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (Beschluß des Hilfsmittelkataloges durch den Präsidialausschuß des Hauptverbandes vom 31.3.1993) ein Badelifter als Hilfsmittel nach § 154 ASVG zu gewähren. Dies erscheint auch sachgerecht, weil es sich bei einem Badelifter schon begrifflich nicht um eine medizinische Maßnahme handelt und nur solche Maßnahmen vom § 154a ASVG umfaßt sind. Wie die Beklagte weiter hervorgehoben hat, wurde die Klägerin durch Gewährung eines Kostenersatzes für den Badelifter in voller Höhe aber begünstigt, weil sie als satzungsmäßige Mehrleistung nach § 154 ASVG auf Grund des § 39 Abs 2 der Satzung der Beklagten (vgl SoSi 1985, 349) für die Anschaffung eines solchen Hilfsmittels einen Kostenersatz von höchstens S 5.000,- erhalten hätte können. Daß der Einbau einer neuen Badewanne kein Heilmittel und kein Heilbehelf im Sinne des § 133 Abs 1 ASVG ist, bedarf keiner näheren Begründung, es handelt sich dabei aber auch um keine medizinische Maßnahme.

An der Beurteilung der Rechtswegzulässigkeit ändert sich jedoch auch dann nichts, wenn man im Sinne des Rechtsstandpunktes der Klägerin ihr Begehren dem § 154 ASVG unterstellt. Nach dem vorletzten Satz des Absatzes 1 dieser Gesetzesstelle sind als Hilfsmittel solche Gegenstände oder Vorrichtungen anzusehen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigung zu mildern oder zu beseitigen (vgl Binder in Tomandl SV-System 5.ErgLfg 260).

Der Beklagten ist darin zuzustimmen, daß die Gewährung von Badezimmereinrichtungen und -umbauten, wie auch der Einbau von Badezimmern selbst in sogenannte Substandardwohnungen und insbesondere der Einbau neuer Badewannen keine Aufgabe der sozialen Krankenversicherung, also keine Versicherungsleistung nach dem 2.Teil des ASVG darstellt. Dies kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die Beklagte auf Grund einer ärztlichen Verordnung der Klägerin auf ihren ausdrücklichen Antrag einen Badelifter gewährte. Die Herstellung eines möglicherweise gar nicht vorhandenen Badezimmers, die Ausgestaltung und Umgestaltung eines solchen und auch der Einbau einer passenden Badewanne stellen keine Leistungen dar, für die die soziale Krankenversicherung aufzukommen hätte. Da mit dem vorliegenden Klagebegehren keine Versicherungsleistung geltend gemacht wird, liegt keine Sozialrechtssache im Sinn des § 65 ASVG vor. Die Klage wurde daher von den Vorinstanzen zutreffend mangels Zulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen (SSV-NF 1/13, 6/40; ebenso Kuderna ASGG 358 mwN).

Aus diesen Erwägungen war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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