OGH 10ObS85/87

OGH10ObS85/876.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck und Karl Siegfried Pratscher als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Notburga H***, 4046 Linz, Sperlstraße 10, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei O*** G***, 4010 Linz,

Gruberstraße 77, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Gewährung eines höheren Wochengeldes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1987, GZ 12 Rs 1047/87-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 4. Februar 1987, GZ 13 Cgs 2/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.188,-- (darin S 108,-- Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei bezahlte der Klägerin ab 1. Juni 1986 ein Wochengeld von S 208,27 täglich, wobei sie bei der Berechnung dieses Wochengeldes davon ausging, daß die Klägerin in der Zeit vom 21. April bis 31. Mai 1986 nach Verminderung um die gesetzlichen Abzüge einen Arbeitsverdienst von S 16.377,18 erzielte. Dieser Betrag sei durch die 92 Tage des Beobachtungszeitraums zu teilen und um 17 v.H. für Sonderzahlungen zu erhöhen.

Mit Bescheid vom 1. Oktober 1986 wies die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Auszahlung eines höheren Wochengeldes als S 208,27 täglich ab.

Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr ein weiteres Wochengeld von S 259,07 täglich zu gewähren. Der Nettoarbeitsverdienst, den sie in der Zeit vom 21. April bis 31. Mai 1986 bezogen habe, sei durch die Anzahl der Arbeitstage, also durch 41, zu teilen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach gemäß § 45 (richtig: gemäß § 46 Abs 2 Z 1) ASGG aus, daß die Revision zulässig sei. Beide Vorinstanzen billigten die von der beklagten Partei vorgenommene Berechnung des Wochengeldes unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien (SSV 24/80; SSV 24/130; 35 R 204/84). Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn des Klagebegehrens abzuändern. Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unabhängig von dem - demnach

überflüssigen - Ausspruch des Berufungsgerichtes gemäß § 46 Abs 4 ASGG zulässig, weil es sich beim Wochengeld um eine wiederkehrende Leistung im Sinn dieser Gesetzesstelle handelt. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 162 Abs 3 ASVG gebührt das Wochengeld, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, weiblichen Versicherten in der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden Teiles des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen (bei Versicherten, deren Arbeitsverdienst nach Kalendermonaten bemessen oder abgerechnet wird, in den letzten drei Kalendermonaten) gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind nach Maßgabe des Abs 4 zu berücksichtigen.

Die Klägerin meint, daß bei der Berechnung des Wochengeldes der um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsverdienst durch die Tage der "tatsächlichen Arbeitsleistung" zu teilen sei. Diese Auffassung kann schon deshalb nicht zutreffend sein, weil jedenfalls auch Tage berücksichtigt werden müßten, an denen keine Arbeitsleistung zu erbringen war, wie Samstage sowie Sonn- und Feiertage; für diese Tage gebührt nämlich ebenfalls Wochengeld. Davon geht im übrigen auch die Klägerin bei der von ihr befürworteten Art der Berechnung des Wochengeldes aus. Diese Art der Berechnung würde aber zu einem geradezu willkürlichen Ergebnis führen, wenn die Versicherte jeweils nur am Freitag und Montag gearbeitet hätte und ihr Arbeitsverdienst somit durch vier Kalendertage zu teilen wäre, während bei einer an zwei aufeinanderfolgenden Tagen einer Woche beschäftigten Versicherten die Teilung durch zwei Kalendertage vorzunehmen wäre. Keine sachlich vertretbare Lösung ergibt die Ansicht der Klägerin auch, wenn eine Arbeitnehmerin auf Grund eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses nur an einzelnen Tagen einer Woche Arbeitsleistung zu erbringen hat. Hier wäre es nicht gerechtfertigt, das Wochengeld auf Grund der Anzahl der Tage zu berechnen, an denen die Versicherte tatsächlich Arbeitsleistungen erbringt. Die von der Klägerin befürwortete Auslegung des § 162 Abs 3 ASVG scheidet daher aus, weil sie zu einem unhaltbaren Ergebnis führen würde (vgl. Bydlinski, Methodenlehre 457 f.).

Schon diese Überlegungen führen dazu, daß bei der Berechnung des Wochengeldes der um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsverdienst durch die Gesamtanzahl der Tage zu teilen ist, die in den für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebenden Zeitraum fallen, und daß es nicht darauf ankommt, inwieweit die Versicherte tatsächlich Arbeitsleistungen erbrachte und damit Anspruch auf Entgelt hatte. Daß dies auch der Ansicht des Gesetzgebers entsprach, zeigt deutlich die im § 162 Abs 3 ASVG noch getroffene Regelung, wonach bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes Zeiten der im § 11 Abs 3 ASVG bezeichneten Art außer Betracht zu bleiben haben. Allen diesen Zeiten ist gemeinsam, daß während eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses aus bestimmten Gründen keine Arbeitsleistungen erbracht werden. Wäre der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß es nur auf die Kalendertage ankommt, an denen die Versicherte im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses tätig war, so hätte es dieser Ausnahmebestimmung nicht bedurft. Richtig ist zwar, daß das Wochengeld einen Ersatz für den im Zusammenhang mit der Entbindung stehenden Verlust des Arbeitsverdienstes darstellen soll (Initiativantrag zur 9. ASVGNov. 517 BlgNR 9.GP 75). Der Gesetzgeber entschied sich dabei aber für das Durchschnittsprinzip, das vergangene Werte berücksichtigt, und nicht für das Ausfallsprinzip, das die in Zukunft voraussichtlich zu erwartende Entwicklung in Rechnung stellt (vgl. Löschnigg, Wochengeldberechnung unter Berücksichtigung von Probelehrerzeiten, RdA 1982, 395 FN 22). Der Gesetzgeber nimmt daher in Kauf, daß die Versicherte trotz des Wochengeldes einen Verdienstausfall erleidet.

§ 162 Abs 3 ASVG enthält zwar verschiedene Regelungen, um einen solchen Verdienstausfall zu vermeiden oder ihn möglichst gering zu halten. Dazu gehört neben der bereits erwähnten Anordnung, daß Zeiten der im § 11 Abs 3 ASVG bezeichneten Art nicht zu berücksichtigen sind, eine gleichartige Anordnung für Zeiten, während derer die Versicherte infolge Krankheit oder Kurzarbeit nicht das volle Entgelt bezogen hat, und schließlich die Anordnung, daß sich bei Versicherten, deren Lehrverhältnis während des für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebenden Zeitraums geendet hat, die Höhe des Wochengeldes nach dem Arbeitsverdienst im letzten Beitragszeitraum richtet, wenn dies für die Versicherte günstiger ist. Diese Sonderregelungen haben aber auf die Lösung der hier zu prüfenden Frage keinen Einfluß, weil sie hierauf nicht ausgedehnt werden können.

Der Oberste Gerichtshof kommt somit in Übereinstimmung mit der schon vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien, die im übrigen auch vom Schrifttum gebilligt wurde (Binder in Tomandl, System, 3. ErgLfg 255), zur Ansicht, daß für die Berechnung der Höhe des Wochengeldes unter "Kalendertag" iS des § 162 Abs 3 ASVG jeder Tag zu verstehen ist, der in den für die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes maßgebenden Zeitraum und daher in die letzten 13 Wochen oder drei Monate fällt. Da die von der beklagten Partei vorgenommene Berechnung des der Klägerin gebührenden Wochengeldes dem entspricht, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen richtig. Zutreffend unterließen es diese auch, dem Klagebegehren im Umfang des der Klägerin gebührenden Wochengeldes stattzugeben, weil die Beklagte hierüber nicht entschied. Ob dies § 367 Abs 1 Z 2 ASVG entsprach, muß hier nicht geprüft werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von der Lösung einer Rechtsfrage iS des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG abhing, entspricht der Zuspruch der von der Klägerin verzeichneten Kosten der Billigkeit, zumal diese weniger als die Hälfte der gemäß § 77 Abs 2 ASGG errechneten Kosten ausmachen.

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