OGH 10ObS74/92

OGH10ObS74/9211.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Margarethe Peters (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Friedrich Wienerroither (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Uta M*****, vertreten durch Dr.Karl Zerner, Dr.Heinrich Vana und Dr.Christine Kolbitsch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen Waisenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 1991, GZ 33 Rs 57/91-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Jänner 1991, GZ 6 Cgs 42/90-15, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie insgesamt zu lauten haben:

"1. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen vierzehn Tagen für die Zeit vom 1.November 1989 bis 31.Juli 1990 die Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin die Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß auch für die Zeit vom 1.August bis 31.Oktober 1990 zu zahlen, wird abgewiesen."

Die Beklagte hat der Klägerin binnen vierzehn Tagen die (einschließlich 1.681,80 S Umsatzsteuer, 80,-- S Barauslagen) mit 10.170,80 S bestimmten Kosten ihrer Beteiligung am Verfahren erster Instanz, die (einschließlich 1.414,80 S Umsatzsteuer, 80,-- S Barauslagen) mit 8.568,80 S bestimmten Kosten ihrer Beteiligung am Berufungsverfahren und die (einschließlich 603,84 S Umsatzsteuer) mit 3.623,04 S bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 11.Dezember 1989 wies die Beklagte den Antrag der am 26. Juli 1963 geborenen Klägerin vom 20.Oktober 1989 auf Gewährung der Waisenpension über das vollendete 26. Lebensjahr hinaus nach § 260 iVm § 252 Abs 2 Z 1 ASVG in der gemäß Art VI Abs 13 der 44. ASVGNov anzuwendenden, am 31.Dezember 1987 geltenden Fassung ab.

Die dagegen fristgerecht erhobene Klage richtet sich nach Ausdehnung auf die abgelehnte Leistung im gesetzlichen Ausmaß über den 31.Juli 1989 hinaus bis 31.Juli 1991. Das von der Klägerin nach zwei Semestern Lebensmittel- und Gärungstechnik an der Universität für Bodenkultur in Wien seit dem Wintersemester 1982/83 betriebene Architekturstudium an der Technischen Universität Wien, das durchschnittlich 18 bis 20 Semester dauere, sei verzögert worden, weil sich die Klägerin während der ersten beiden Lebensjahre ihrer am 12. Oktober 1986 geborenen (unehelichen) Tochter Magdalena ausschließlich deren Pflege und Erziehung gewidmet habe und deshalb nicht zum Studieren gekomemn sei. Sie habe während dieser Zeit keine geeignete Pflegeperson für den Säugling gehabt. Ihre Mutter lebe in Linz, Geschwister habe sie nicht, eine Pflegemutter habe sie sich nicht leisten können. Erst am 12.Oktober 1988 habe sie einen Kindergartenplatz erhalten.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Hätte die Klägerin nach der Reifeprüfung im Juni 1981 nicht zunächst zwei Semester an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert, dann hätte sie das Architekturstudium, selbst wenn man wegen der Mutterschaft eine Verzögerung desselben für ein Jahr annehme, in 14 Semestern (also bis zum Sommersemester 1988) abschließen können. Es werde aber zu prüfen sein, ob für die Betreuung des Kindes wirklich ein ganzes Jahr oder nicht nur 16 Wochen nach der Geburt notwendig gewesen seien.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei im ersten Rechtsgang, der Klägerin die Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 1.November 1989 bis 31.Oktober 1990 zu gewähren, und wies das auf Gewährung der Waisenpension auch für frühere und spätere Zeiträume ab.

Nach den damaligen Feststellungen des Erstgerichtes inskribierte die Klägerin nach der im Juni 1981 an einer Linzer AHS bestandenen Reifeprüfung zunächst ein Jahr an der Universität für Bodenkultur in Wien und hat seit Oktober 1982 an der Technischen Universität in Wien Architektur inskribiert. Nach der Geburt ihrer Tochter Magdalena am 12. Oktober 1986 widmete sie sich ausschließlich deren Betreuung, so daß sie zumindest ein Jahr nicht studierte. Eine andere (geeignete oder erschwingliche) Pflegeperson fehlte. Erst im Oktober 1988 erhielt sie einen Kindergartenplatz. Am 20.Oktober 1989 stellte die Klägerin einen Antrag auf Waisenpension nach ihrem am 11.Oktober 1989 verstorbenen (ehelichen) Vater, einem Diplomkaufmann.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes sei wegen der Wichtigkeit der Betreuung des Kindes durch die Mutter vor allem während des ersten Lebensjahres unabhängig davon, ob eine andere Pflegeperson vorhanden oder erschwinglich sei, jedenfalls eine Verlängerung der Kindeseigenschaft um ein Jahr gerechtfertigt. Deshalb habe die Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 2 Z 1 ASVG in der in diesem Fall geltenden Fassung über das 26. Lebensjahr hinaus noch ein Jahr bestanden. Der einmalige Studienwechsel schade nicht, weil er der richtigen Berufswahl diene. Der Zeitraum von Anfang Oktober 1982 bis Ende Oktober 1990 überschreite nicht die durchschnittliche Dauer des Architekturstudiums, so daß die Verlängerung um ein Jahr angemessen sei.

Die Klägerin ließ dieses erstgerichtliche Urteil unangefochten. Die beklagte Partei bekämpfte es zur Gänze mit Berufung.

Mit Beschluß vom 21.September 1990 ON 10 hob das Berufungsgericht den stattgebenden Teil des im ersten Rechtsgang gefällten erstgerichtlichen Urteils auf und verwies die Sozialrechtssache insoweit zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Im übrigen wies es die Berufung zurück. Nach der dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht könne nicht mehr generell gesagt werden, daß die Schul- oder Berufsausbildung der Mutter durch die Geburt und Betreuung ihres Kindes grundsätzlich für die 16 Wochen des absoluten Beschäftigungsverbotes nach § 3 MSchG verzögert werde. Weil die Tochter der Klägerin am 12.Oktober 1986 geboren wurde, wäre etwa der vor dem 1.Oktober 1986 gelegene Teil des absoluten Beschäftigungsverbotes nicht zu berücksichtigen, weil das Wintersemester 1986/87 erst mit diesem Tag begonnen habe. Die Klägerin habe nicht ausgeführt, worin die Studienverzögerung gelegen wäre, welches Ausmaß sie gehabt habe und welche Prüfungen sie in welchem Semester nicht ablegen konnte. Feststellungen zum Studienfortgang, über die durchschnittliche Studiendauer und das voraussichtliche Studienende wären ebenso erforderlich wie über die Notwendigkeit der Betreuung des Kindes durch die Klägerin. Die Behinderung des Studiums durch eine Schwangerschaft und die nachfolgende Betreuung eines Kindes sei im allgemeinen nicht so groß, daß das Studium zur Gänze unterbrochen werden müsse. Für gegenteilige besondere Umstände wäre die Klägerin beweispflichtig.

Im fortgesetzten Verfahren ergänzte die Klägerin, sie habe ihr Studium bis zum Ende des Sommersemesters 1986 ernsthaft und mit durchschnittlichem Erfolg betrieben und noch am 19.Juni 1986 zwei Prüfungen abgelegt. In der zweiten Woche des folgenden Wintersemesters habe sie ihr Kind geboren, mit dessen Betreuung sie praktisch rund um die Uhr beschäftigt gewesen sei. Sie habe es 26 Monate bis zu zehnmal täglich gestillt, es täglich öfters trockengelegt und täglich gebadet, wobei sie auch während der Nacht öfters in Anspruch genommen worden sei. Sie habe als Studentin kein eigenes Einkommen bezogen und deshalb keine Pflegeperson finanzieren können. Als geborene Linzerin habe sie in Wien außer einer Cousine keine Verwandten. Ihre Mutter wohne in Linz. Der Vater ihres Kindes, ein Student, habe bis Februar 1987 Zivildienst geleistet und sich schon deshalb nicht ausreichend dem Kleinkind widmen können. Seither habe er sich ausschließlich seinem Publizistik- und Politikwissenschaftsstudium widmen müssen. Seit dem WS 1988/89 habe die Klägerin wieder regelmäßig Vorlesungen besucht und am 27.Oktobner 1987, 28.Jänner, 4.Februar, 14.April, 3.Mai, 27.Juni, 28.Juni und 4. Juli 1988 Prüfungen abgelegt, die sie ohne die Behinderung durch die Betreuung ihres Kindes schon ein Jahr früher hätte ablegen können.

Die Beklagte gestand dieses Tatsachenvorbringen zu.

Auch im zweiten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht die beklagte Partei, der Klägerin die Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 1.November 1989 bis 31.Oktober 1990 zu gewähren.

Es stellte fest, daß die Klägerin während des "gegenständlichen" Jahres niemanden hatte, der das Kind hätte pflegen können. Ihre Mutter war in Linz. Der Vater des Kindes wohnte zwar bei der Klägerin, leistete aber bis Februar 1987 seinen Präsenzdienst und studierte dann wieder Politikwissenschaft und Publizistik. Er wäre auch nicht geeignet gewesen, das sehr unruhige Kind, das sich nur durch Stillen beruhigen ließ, zu pflegen. Es wäre nicht möglich gewesen, eine andere Pflegeperson anzustellen, weil das die finanziellen Möglichkeiten eines Studentenpaares überstiegen hätte. Die Klägerin erwarb im Juni 1986 das letzte Zeugnis vor der Entbindung. Der nächste Leistungsnachweis datiert erst vom 27.Oktober 1987.

Weil die klägerin im WS 1986/87 und im SS 1987 keine Studienerfolge aufzuweisen habe, habe sich ihr Studium durch die Geburt und anschließende Betreuung des Kindes verzögert. Die Heranziehung einer anderen Pflegeperson sei nicht möglich gewesen. Deshalb habe die Kindeseigenschaft der Klägerin für die einjährige Studienbehinderung bestanden.

Das Berufungsgericht gab der im zweiten Rechtsgang erhobenen Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren nur für die Zeit vom 1.November 1989 bis 28.Februar 1990 stattgab, es für die Zeit vom 1.März bis 31. Oktober 1990 jedoch abwies.

Nach den ergänzenden Feststellungen des Berufungsgerichtes inskribierte die Klägerin im WS 1986/87 29 Stunden, im SS 1987 35 Stunden. Am 15.Juni 1987 bestand sie eine Prüfung nicht, am 27. Oktober 1987 legte sie eine Prüfung mit befriedigendem Erfolg ab. Hätte die Klägerin die entsprechenden Vorlesungen nicht inskribiert, hätte sie sie ein Jahr später inskribieren müssen. Im WS 1986/87 und im SS 1987 besuchte sie keine Vorlesungen oder Übungen. Die Inskription der angeführten Vorlesungen war jedoch Zulassungsvoraussetzung für die entsprechenden Prüfungen. Für die Prüfung am 27.Oktober 1987 bereitete sie sich mit Skripten vor, auf die Prüfung vom 15.Juni 1987 konnte sie sich nicht besonders vorbereiten. Die entsprechenden Vorlesungen hatte sie ein Jahr vorher besucht. Die Klägerin inskribierte auch deshalb, um weiterhin Versicherungsschutz zu genießen bzw. den Bezug des Kinderzuschusses durch ihren Vater zu sichern. Sie mußte ihr Kind allein betreuen, weil ihre Mutter in Linz wohnt und der Vater des Kindes bis Februar 1987 Zivildienst leistete und dann weiterstudierte. Die Beschäftigung einer Pflegeperson war ihr wegen ihrer finanziellen Lage nicht möglich.

Das Berufungsgericht teilte grundsätzlich die Ansicht der Klägerin, daß die Geburt und Betreuung ihrer Tochter ein unüberwindbares Hindernis ihres Studiums hätte sein können. Weil das Kind am 12. Oktober 1986 geboren sei, sei jedenfalls der nach der Geburt gelegene Teil des absoluten Beschäftigungsverbotes nach § 3 MSchG als Hinderungszeitraum anzunehmen. Eine Verzögerung in der Hochschulausbildung sei nur für das WS 1986/87 anzunehmen, aber nicht mehr für das SS 1987. Die Klägerin habe in beiden Semestern als Voraussetzung für spätere Prüfungen Vorlesungen inskribiert und sei im Juni 1987 erfolglos zu einer Prüfung angetreten. Daher könne von einer Verzögerung um mehr als ein Semester nicht gesprochen werden, zumal die Klägerin dazu auch nichts Konkretes vorgebracht habe.

Gegen den klageabweisenden, abändernden Teil des Berufungsurteils richtet sich die nicht beantwortete Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, den angefochtenen Urteilsteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder ihn allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist teilweise berechtigt.

(Die folgenden Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG.)

Nach dem gemäß § 270 auch in der Pensionsversicherung der Angestellten entsprechend geltenden § 260 haben Anspruch auf Waisenpension nach dem Tode des (der) Versicherten die Kinder iS des § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2, wobei über das vollendete 18. Lebensjahr hinaus Waisenpension nur auf besonderen Antrag gewährt wird, der von der Klägerin am 20.Oktober 1989 gestellt wurde.

Weil es sich bei der Waisenpension um eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Todes handelt, gilt dieser Versicherungsfall nach § 223 Abs 1 Z 3 mit dem Tod des Vaters der Klägerin am 11. Oktober 1989 als eingetreten. Stichtag für die Feststellung, ob ....... der Klägerin eine Waisenpension gebührt, ist nach Abs 2 leg cit der dem Eintritt des Versicherungsfalles folgende Monatserste, also der 1.November 1989.

Die binnen sechs Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalles beantragte Waisenpension fiel nach § 86 Abs 3 Z 1 mit dem dem Versicherungsfall folgenden Monatsersten, also am 1.November 1989 an.

Die Beantwortung der im zweiten Rechtsgang strittigen Frage, ob die Klägerin in der Zeit vom 1.November 1989 bis 31.Oktober 1990, und der in diesem Revisionsverfahren strittigen Frage, ob sie vom 1.März bis 31. Oktober 1990 Anspruch auf Waisenpension hat, hängt davon ab, ob sie in diesen Zeiträumen die im gemäß § 270 entsprechend geltenden § 260 hiefür vorgesehene (besondere) Voraussetzung erfüllte, also ein Kind des verstorbenen Versicherten iS des § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 war.

Daß die Klägerin ein eheliches Kind des Versicherten war und daher nach § 252 Abs 1 Z 1 bis zum vollendeten 18. Lebensjahr als Kind des Versicherten galt, war nie strittig.

Strittig war im zweiten Rechtsgang nur, ob die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres in der Zeit vom 1.November 1989 bis 31.Oktober 1990 nach Abs 2 Z 1 der letztgenannten Gesetzesstelle bestand.

Das Berufungsgericht vertrat zutreffend die Rechtsansicht, daß diese Ziffer im vorliegenden Fall nach Art VI Abs 13 der 44. ASVGNov (BGBl 1987/609) in folgender, vor dieser Nov (seit 1.Jänner 1975) geltender Fassung (der 31.ASVGNov BGBl 1974/775) anzuwenden ist:

"Die Kindeseigenschaft besteht auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind 1. sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres; zur Schul- oder Berufsausbildung zählt auch ein angemessener Zeitraum für die Vorbereitung auf die Ablegung der entsprechenden Abschlußprüfungen und auf die Erwerbung eines akademischen Grades. Ist die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der Wehrpflicht, der Zivildienstpflicht, durch Krankheit oder ein anderes unüberwindbares Hindernis verzögert worden, so besteht die Kindeseigenschaft über das 26. Lebensjahr hinaus für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum."

Durch Art IV Z 10 der 44. ASVGNov erhielt § 252 Abs 2 Z 1 folgende Fassung:

"Die Kindeseigenschaft besteht auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind

1. sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres; die Kindeseigenschaft verlängert sich höchstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Berufsausbildung über das 25. Lebensjahr hinaus andauert, das Kind ein ordentliches Studium betreibt und eine Studiendauer im Sinne des § 2 Abs 3 des Studienförderungsgesetzes 1983 nicht überschreitet. Überschreitungen, die wegen Erfüllung der Wehrpflicht, der Zivildienstpflicht oder wegen sonstiger wichtiger Gründe gemäß § 2 Abs 3 letzter Satz des Studienförderungsgesetzes 1983 eintreten, sind hiebei außer Betracht zu lassen;"

Nach der Übergangsbestimmung des Art VI Abs 13 der 44. ASVGNov ist § 252 Abs 2 Z 1 idF des Art IV Z 10 in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kind das 18. Lebensjahr nach dem 31.Dezember 1987 vollendet, also seit dem 1.Jänner 1970 geboren ist.

Durch Art I Z 9 der 46. ASVGNov 1988/749 erhielt § 252 Abs 2 Z 1 folgende Fassung:

"Die Kindeseigenschaft besteht auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind

1. sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres; die Kindeseigenschaft verlängert sich höchstens bis zur Vollendung des 27.Lebensjahres, wenn die Berufsausbildung über das 25.Lebensjahr hinaus andauert, das Kind ein ordentliches Studien betreibt und eine Studiendauer im Sinne des § 2 Abs 3 des Studienförderungsgesetzes 1983 ohne wichtige Gründe nicht überschreitet;"

Mangels einer diesbezüglichen Übergangsbestimmung trat diese Bestimmung mit 1.Jänner 1988 in Kraft.

Der erkenennde Senat sprach in SSV-NF 4/134 ua aus, daß - der § 252 Abs 2 Z 1 ASVG entsprechende - § 128 Abs 2 (Z 1) GSVG in der vor der - der 44.ASVGNov entsprechenden - 13. GSVGNov geltenden Fassung nach deren - Art VI Abs 13 der 44. ASVGNov entsprechenden - Art II Abs 8 ungeachtet der neuerlichen Novellierung durch die - der 46. ASVGNov entsprechende - 15. GSVGNov weiterhin anzuwenden sei, wenn das Kind das 18. Lebensjahr vor dem 1.Jänner 1988 vollendet habe. Dazu zitierte er die Meinung Teschners in MGA ASVG - damals - 50. ErgLfg 1275 FN 9, 1276 FN 11a - nunmehr 54. ErgLfg 1276/1 FN 9 und 11a, der sich auf eine Empfehlung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger vom 7.November 1989 bezog, in der zur Sicherstellung einer einheitlichen Vorgangsweise der Versicherungsträger bei der Prüfung der Kindeseigenschaft gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG bzw. § 128 Abs 2 Z 1 GSVG bzw § 119 Abs 2 Z 1 BSVG im Einvernehmen mit dem BMAS empfohlen wurde, nach folgenden Grundsätzen vorzugehen: "Mit der 44. Nov zum ASVG ..... wurde die Altersgrenze für die Kindeseigenschaft auf das vollendete 25. Lebensjahr herabgesetzt. Diese Neuregelung trat mit 1.Jänner 1988 in Kraft. Durch eine Übergangsbestimmung in Art VI Abs 13 der 44. Nov zum ASVG (....) wurde für die vor dem 1.Jänner 1970 geborenen Kinder der Gesetzesstand zum 31.Dezember 1987 (zB 26. Lebensjahr) aufrechterhalten. Durch die 46. Nov zum ASVG (....) wurden die Vorschriften über die Kindeseigenschaft neuerlich geändert, wobei aber die Normierung einer Übergangsbestimmung unterblieb. Trotz des Fehlens einer Übergangsbestimmung im Sinne des Art VI Abs 13 der 44.

Nov. zum ASVG .... ist für die vor dem 1.Jänner 1970 geborenen Kinder

§ 252 Abs 2 Z 1 ASVG ..... in der am 31.Dezember 1987 geltenden

Fassung weiterhin anzuwenden."

Diese Rechtsansicht ist vor allem deshalb begründet, weil aus der Regierungsvorlage zur 46. ASVGNov 782 der BlgNR 17. GP 10 und aus dem Ausschußbericht über diese RV, 853 BlgNR 17. GP 2 hervorgeht, daß die rasche neuerliche Novellierung des § 252 Abs 2 Z 1 nur die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Anspruchsberechtigung über das 25. Lebensjahr hinaus nach dem Familienlastenausgleichsgesetz und den Sozialversicherungsgesetzen zum Ziel hatte, aber nichts daran ändern wollte, daß vor allem die durch die 44. ASVGNov verfügte grundsätzliche Herabsetzung der Altersgrenze vom vollendeten 26. auf das vollendete 25. Lebensjahr, aber auch VI Abs 13 dieser Nov nach wie vor nur in den Fällen gelten sollte, in denen das Kind das 18. Lebensjahr nach dem 31.Dezember 1987 vollendet. Für die Kinder, die vor dem 1.Jänner 1970 geboren wurden und daher schon vor dem Inkrafttreten der 44.ASVGNov am 1.Jänner 1988 das 18.Lebensjahr vollendet hatten, sollte das Weiterbestehen der Kindeseigenschaft nach den bis dahin geltenden gesetzlichen Bestimmungen beurteilt werden.

Im Revisionsverfahren geht es nur mehr darum, ob das Architekturstudium der Klägerin im Zusammenhang mit der Geburt und Pflege ihrer am 12.Oktober 1986 geborenen Tochter so unüberwindbar verzögert wurde, daß die Verlängerung der Kindeseigenschaft über das am 26.Juli 1989 vollendete 26.Lebensjahr hinaus nicht nur bis 28. Februar 1990, sondern auch noch bis 31.Oktober 1990 angemessen ist.

Dies ist zu bejahen.

Der erkennende Senat hat schon wiederholt dargelegt (zB SSV-NF 3/7, 49, 105, 4/134), daß der Gesetzgeber für den in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung des § 252 Abs 2 Z 1 verwendeten Begriff "anderes unüberwindbares Hindernis" dadurch eine Auslegungsregel gab, daß er die in derselben Gesetzesstelle genannten Hinderungsgründe Wehrpflicht, Zivildienst und Krankheit ausdrücklich zu den "unüberwindlichen Hindernissen" zählte. Ein "anderes unüberwindliches Hindernis" ist daher jeder Umstand, der das Kind - wie die Erfüllung der Wehr- oder Zivildienstpflicht oder eine Krankheit - daran hindert, die Schul- oder Berufsausbildung rechtzeitig zu beginnen oder zu vollendeten, und der trotz Aufbietung aller Anstrengungen nicht beseitigt werden kann. An das Kriterium der Unüberwindbarkeit sind daher strenge Anforderungen zu stellen, und nur vom Willen des Betroffenen unabhängige Hindernisse, die trotz aller Bemühungen nicht hatten beseitigt werden können, als die Kindeseigenschaft verlängernde Umstände anzuerkennen.

Bei Erfüllung dieser strengen Anforderungen sind, wie der erkennende Senat zu SSV-NF 3/105 ausgesprochen hat, Einzelfälle denkbar, in denen die Pflege eines nahen Angehörigen ein unüberwindbares Hindernis darstellen kann.

Unter diesen und nur unter diesen besonderen Umständen kann auch zB die Pflege eines Säuglings oder Kleinkindes im Einzelfall ein die Schul- oder Berufsausbildung der Pflegeperson verzögerndes unüberwindbares Hindernis sein.

Daß die Pflege und Erziehung eines Kindes vor Vollendung des dritten Lebensjahres, zu der der Studierende während seines Studiums verpflichtet ist, nach § 19 Abs 4 Studienförderungsgesetz 1992 BGBl 305 (als wichtiger Grund) die Verlängerung der Anspruchsdauer für Studienbeihilfen um insgesamt höchstens zwei Semester je Kind bewirkt, ohne daß es eines weiteren Nachweises über die Verursachung der Studienverzögerung bedarf, daß nach § 2 Abs 1 lit b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 BGBl 376 idF der Nov BGBl 1992/311 Zweiten des Mutterschutzes sowie der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres den Ablauf des Nachweiszeitraumes (für die Erbringung des Studiennachweises) hemmen und daß nach der durch Art 4 Z 1 des BG BGBl 1992/314 geänderten Fassung des § 17 Abs 2d des Pensionsgesetzes 1965 BGBl 340 der Ablauf des Nachweiszeitraumes nach den Abs 2a und 2b leg cit durch 1. Zeiten des Mutterschutzes oder 2. Zeiten der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres gehemmt wird, bestätigt die obige Rechtsauffassung, daß die Pflege und Erziehung eines Kindes zwar im Einzelfall ein unüberwindbares Hindernis für eine verzögerungsfreie Schul- oder Berufsausbildung sein können, aber nicht in jedem Fall sein müssen. Pflege und Erziehung eines Kindes (im ersten Lebensjahr) gilt zwar als wichtiger Grund für die Überschreitung der Studiendauer iS des § 2 Abs 3 Studienförderungsgesetzes 1983 und kann sich als solcher für das Weiterbestehen der Kindeseigenschaft nach der im vorliegenden Fall nicht anzuwendenden Fassung des § 252 Abs 2 Z 1 auswirken, doch muß es sich dabei auch nach der zit Studienförderungsbestimmung nicht um ein unüberwindbares Hindernis handeln. Nach dieser Bestimmung gelten als wichtige Gründe Krankheit, Pflege und Erziehung eines Kindes im ersten Lebensjahr und jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, das der Studierende nicht selbst verschuldet hat, sofern dadurch der Studienerfolg nachweislich beeinträchtigt wurde, sowie die Schwangeschaft, sofern dadurch der Besuch von Lehrveranstaltungen nicht möglich war, so daß Pflege und Erziehung eines Säuglings auch dann als wichtiger Grund gelten, wenn der Studierende dazu nicht gezwungen gewesen wäre.

Aus den maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichtes im Zusammenhang mit den von der Beklagten in der Tagsatzung vom 10. Jänner 1991 ON 14 AS 66 ausdrücklich zugestandenen (§ 266 ZPO) ergänzenden Tatsachenbehauptungen der Klägerin in deren in der genannten Tagsatzung vorgetragenem Schriftsatz ON 12 ergibt sich, daß das Architekturstudium der Klägerin durch die ihr nach § 166 ABGB allein zustehende Obsorge für ihr im ersten Monat des genannten WS geborenes Kind nicht nur während des WS 1986/87 sondern auch noch während des SS 1987 iS des § 252 Abs 2 Z 1 so verzögert wurde, daß das Weiterbestehen der Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr hinaus für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum von einem Jahr gerechtfertigt erscheint.

Die Klägerin hatte zwar im WS 1986/87, in dessen erstem Monat ihre Tochter geboren wurde, und im SS 1987 inskribiert, aber keine Vorlesungen oder Übungen besucht. Sie trat in diesem Zeitraum nur zu einer Prüfung an, und zwar im letzten Monat des SS, die sie aber nicht bestand, weil sie sich darauf nicht besonders vorbereiten konnte. Sie mußte nämlich während der beiden Semester ihren Säugling allein betreuen, weil ihre Mutter in Linz lebte, der Vater ihres Kindes sie bei dessen Pflege nicht unterstützte und sie wegen ihre finanziellen Lage keine fremde Pflegeperson beschäftigen konnte.

Unter diesen Umständen ist die praktisch vollständige Unterbrechung des Architekturstudiums während des WS 1986/87 und des SS 1987, also während eines ganzen Studienjahres, auf ein unüberwindbares Hindernis zurückzuführen. Die Klägerin mußte während dieser Zeit ihr Kind praktisch rund um die Uhr beaufsichtigen, weshalb ihr während dieser beiden Semester der Besuch der inskribierten Lehrveranstaltungen auch bei Aufbietung aller Kräfte nicht möglich war. Deshalb, aber auch wegen der sie praktisch ständig beanspruchenden Pflege des Säuglings, den sie durch 26 Monate bis zu zehnmal täglich stillte, öfters trockenlegte und täglich badete, konnte sie sich auch nicht ausreichend auf Prüfungen vorbereiten.

Das bloße Inskribieren von Lehrveranstaltungen im WS 1986/87 und im SS 1987 und der mangels ausreichender Vorbereitungsmöglichkeit gescheiterte Versuch, Ende dieses SS eine Prüfung abzulegen, stellen entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes kein Betreiben des Studiums während dieser beiden Semester dar. Die Behauptung des Berufungsgerichtes, die Klägerin hätte kein konkretes Vorbringen erstattet, worin die Verzögerung bestanden habe, und insbesondere nicht behauptet, welche Prüfungen sie früher abgelegt hätte, wenn sie nicht ihre Tochter zu betreuen gehabt hätte, ist wegen des von der Beklagten zugestandenen (siehe ON 14 AS 66) ergänzenden Vorbringens der Klägerin im schon erwähnten Schriftsatz ON 12 unrichtig.

Dennoch konnte der Revision nicht gänzlich Folge gegeben und das angefochtene Urteil nicht durch gänzliche Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abgeändert werden. Nach der hier noch anzuwendenden Fassung des § 252 Abs 1 Z 1 bestand die Kindeseigenschaft über das 26.Lebensjahr der Klägerin hinaus für einen der Dauer der Behinderung angemessenen Zeitraum von einem Jahr weiter, also nur bis zur Vollendung des 27.Lebensjahres im Juli 1990 (vgl. SSV-NF 5/89). Deshalb hat sie nur für die Zeit vom 1.November 1989 bis 31.Juli 1990 Anspruch auf Waisenpension. Die Urteile der Vorinstanzen waren daher wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG.

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