Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 7. Dezember 1987 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch des Klägers auf Alterspension und stellte die Pensionshöhe ab 1. November 1987 mit S 324,20 monatlich fest.
Nur gegen die Pensionshöhe, der als Bemessungsgrundlage das Lehrlingsentgelt des Klägers im Jahre 1938 zugrundegelegt wurde, richtet sich die vorliegende Klage.
Das Erstgericht wies das Begehren auf Gewährung einer über 324,20 S hinausgehenden monatlichen Alterspension ab. Es stellte fest, daß der am 16. Oktober 1922 geborene Kläger insgesamt 250 Versicherungsmonate aufweist, und zwar zwei Beitragsmonate im Jahr 1938 fünf Monate Pauschalabgeltung und 243 Monate Entschädigung als Beitragszeit von Jänner 1939 bis März 1959.
Der Kläger wurde als Kurt W*** in Wien geboren. Er war vom 15. Oktober 1936 bis 10. November 1938 Arbeiterlehrling und bezog in der Zeit vom 1. Juli 1938 bis 10. November 1938 eine wöchentliche Lehrlingsentlohnung von vier Reichsmark. Im Juni 1939 emigrierte der Kläger und befand sich bis Dezember 1950 in Frankreich (in der Zeit vom 1. Oktober 1943 bis 30. Juli 1946 in der französischen Armee). Im Dezember 1950 wanderte der Kläger in die USA aus, wo er bis heute als amerikanischer Staatsbürger lebt.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Bemessungsgrundlage sei auf der Basis des Arbeitsverdienstes zu ermitteln, der im Durchschnitt der drei letzten Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit vor Eintritt des sozialversicherungsrechtlichen Nachteiles vorgemerkt gewesen sei. Da der Nachteil am 11. November 1938 eingetreten sei und der Arbeitsverdienst des Klägers damals vier Reichsmark wöchentlich betragen habe, ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von S 819,- und ein Steigerungsbetrag von S 324,18. Die beklagte Partei habe die Alterspension des Klägers daher richtig bemessen.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers, in welcher der Zuspruch einer Alterspension basierend auf einer Einstufung nach § 251 Abs.4 ASVG iVm § 9 ARÜG von S 170,- (1939) begehrt wird, keine Folge. Auch eine Lehrlingsentschädigung sei ein Arbeitsverdienst im Sinne des § 251 Abs.4 ASVG. Der Begriff Arbeitsverdienst in dieser Gesetzesbestimmung könne aus dem Zusammenhang mit den Normen der allgemeinen Beitragsgrundlagen nicht anders verstanden werden, als ihn die §§ 44 und 49 ASVG definierten. Der Gesetzgeber habe die Beitragsgrundlage der begünstigt angerechneten Monate in einem Naheverhältnis zu den Einkünften der begünstigten Personen vor der Schädigung festgesetzt. Mit der Normierung einer Beitragsgrundlage von S 210,- für den Kalendermonat in § 251 Abs.4 letzter Satz ASVG für jene Fälle, in denen eine Beschäftigung noch nicht ausgeübt worden sei, habe der Gesetzgeber in Kauf genommen, daß derjenige, der einen geringeren Arbeitsverdienst vorgemerkt habe, schlechtergestellt sein könne als derjenige, der eine Beschäftigung noch nicht ausgeübt habe. Da die Berechnung, ausgehend von der Lehrlingsentschädigung des Klägers im Jahre 1938 nicht bekämpft sei, habe das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß auch eine Lehrlingsentschädigung ein Arbeitsverdienst im Sinne des § 251 Abs.4 ASVG ist. Nach § 44 Abs.1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte der im Beitragszeitraum gebührende Arbeitsverdienst. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinn des § 49 Abs.1, 3, 4 und 6. § 49 definiert das Entgelt als Geld- und Sachbezüge, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder einem Dritten erhält. Wenn daher in § 251 Abs.4 ASVG wiederum im Zusammenhang mit der Beitragsgrundlage in erster Linie der vorgemerkte Arbeitsverdienst heranzuziehen ist, so kann diesem kein anderer Sinn beigelegt werden, als in den genannten allgemeinen Vorschriften desselben Gesetzes. Dazu kommt noch, daß gerade bei Vorschriften, die gegenüber der generellen Normierung eine Ausnahme und Begünstigung darstellen, sich eine extensive Auslegung verbietet.
Der Gesetzgeber ist durch den Gleichheitsgrundsatz verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen (VfSlg. 5727 ua). Differenzierungen sind dann sachlich begründet, wenn sie nach objektiven Unterscheidungsmerkmalen erfolgen.
Wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu unterschiedlichen Regelungen führen (VfSlg. 8806 uva). Nur unterschiedliche Regelungen, die nicht in entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen eine Grundlage haben, sind gleichheitswidrig (VfSlg. 8600 ua), wobei unter Sachlichkeit einer Regelung nicht eine "Zweckmäßigkeit" oder "Gerechtigkeit" zu verstehen ist (VfSlg. 4711). Dem einfachen Gesetzgeber kommt auch eine, freilich nicht unbegrenzte, rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zu, die außer bei einem Exzess nicht der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt und insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Maßstäben zu messen ist. Innerhalb dieser Grenzen ist die Rechtskontrolle nicht zur Beurteilung der Rechtspolitik berufen (VfSlg. 9583 mwN). Der Gesetzgeber hat bei den Begünstigungsbestimmungen der §§ 500 f ASVG versucht, bei der Festsetzung der Beitragsgrundlage (§ 251 Abs.4 ASVG) in erster Linie an die tatsächlichen Verhältnisse, den Arbeitsverdienst vor dem Schadenseintritt anzuknüpfen. Nur dort, wo ein solcher nicht vorgemerkt ist, wurden - wiederum um eine größtmögliche Wirklichkeitsnähe zu erreichen - die auf Durchschnittsverdiensten basierenden Beträge nach § 9 ARÜG und schließlich, falls vor Eintritt des Nachteiles in den sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen keine Versicherungsmonate erworben wurden, ein Betrag von S 7,- pro Kalendertag (S 210,- für den Kalendermonat) zugrundegelegt. Wenn der Revisionswerber meint, es könne nicht für den gesamten Begünstigungszeitraum von einer Lehrlingsentschädigung ausgegangen werden, weil eine Lehre nur einige Jahre dauere, so muß ihm entgegengehalten werden, daß auch die nach Durchschnittssätzen festgelegten Arbeitsverdienste nach dem ARÜG und der Betrag von S 210,- monatlich in gleicher Weise "festgeschrieben" sind und auch hier eine Berücksichtigung der Erhöhung des Einkommens im Zuge des fortschreitenden Berufslebens ebensowenig möglich ist, sondern nur eine in allen Fällen stattfindende Valorisierung der Beträge. Gleiches gilt auch für jeden anderen am Beginn des Erwerbslebens erreichten und regelmäßig niedrigen Arbeitsverdienst als bei längerer Berufsdauer, der ebenfalls der Berechnung im niedrigeren Ausmaß zugrunde zu legen ist.
Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum insoweit zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist. Gerade im Sozialversicherungsrecht ist eine durchschnittliche Betrachtungsweise erforderlich, die auf den Regelfall abstellt und damit Härten in Einzelfällen nicht ausschließen kann. Wenn daher der Gesetzgeber für die Bemessungsgrundlage begünstigter Zeiten, denen keinerlei Beiträge gegenüberstehen, in erster Linie an den tatsächlichen Arbeitsverdienst anknüpft und nur in jenen Fällen, in denen ein solcher nicht ermittelt werden kann, von Durchschnittssätzen ausgeht, so kann dies im Rahmen des begünstigten Personenkreises nicht als gleichheitswidrig angesehen werden. Der Gesetzgeber bleibt damit durchaus im Rahmen des von ihm gewählten Ordnungsprinzips. Daß sich dieses auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles, also nur aus Unterschieden im Tatsächlichen, unterschiedlich auswirken kann und muß, liegt auf der Hand und ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich.
Für eine Vorgangsweise nach Art. 140 Abs.1 B-VG sieht der Oberste
Gerichtshof daher keine Veranlassung.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG.
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