OGH 10ObS68/87

OGH10ObS68/873.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinrich Basalka und Hermann Wachtberger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Luja S***, Banja Luka Ivanjska Kb 11, Jugoslawien, vertreten durch Dr. Herbert Michner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1092 Wien, Roßauerlände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Abfindung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Mai 1987, GZ 33 Rs 111/87-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Schiedsgerichtes der Sozialversicherung für Wien vom 17. November 1986, GZ 15 a C 337/86 -5 (15 Cgs 337/86 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Velimir und Luja S*** sind die Eltern des bei einem Arbeitsunfall in Österreich am 6. August 1984 tödlich verunglückten Franjo S***. Franjo S*** arbeitete saisonbedingt seit 28. Juli 1980 in Österreich, und zwar im Jahre 1980 durch 5 Monate, 1981 durch 8 Monate, 1982 9 Monate, 1983 3 Monate (zusätzlich erwarb er 3 Ersatzmonate), sowie 1984 vom 17. Mai bis zum Unfall vom 6. August; sein letzter Arbeits- und Wohnort lag im Bereich des Zillertals in Tirol. Luja S*** wohnt ständig in Jugoslawien (Teilrepublik Bosnien und Herzegowina, bei Banja L***). Franjo S*** hat während seiner Arbeitstätigkeit in Österreich seinen Eltern regelmäßig Geld für den Unterhalt gesandt.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 26. Februar 1986 wurde der Antrag der Klägerin Luja S*** auf Gewährung einer Abfindung nach Franjo S*** abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben Velimir S*** sowie Luja S*** Klage mit dem Begehren, ihnen Hinterbliebenenleistungen nach Franjo S*** zuzuerkennen.

Das Erstgericht wies das Begehren der Kläger auf eine Abfindung nach dem Tod des Versicherten Franjo S*** ab.

Dazu führte es aus, daß ein Anspruch auf die begehrte Leistung nicht bestehe, weil eine ständige Hausgemeinschaft zwischen den Klägern und ihrem Sohn nicht bestanden habe.

Das Berufungsgericht hob das Verfahren hinsichtlich des Erstklägers Velimir S*** als nichtig auf, wies die von ihm erhobene Klage zurück und gab der von der Zweitklägerin Luja S*** erhobenen Berufung nicht Folge.

Hiezu führte es aus, daß die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, weil die Klägerin mit ihrem Sohn vor dessen Tod nicht in ständiger Hausgemeinschaft gelebt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es dahingehend abzuändern, daß ihrem Begehren stattgegeben werde.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin meint, die Frage des Aufenthaltes oder Wohnsitzes des Verstorbenen Franjo S*** sei nach dessen Heimatrecht, sohin nach jugoslawischem Recht, zu beurteilen. Die jugoslawische Behörde habe bestätigt, daß sich Franjo S*** nur zur vorübergehenden Arbeit in Österreich aufgehalten habe; er habe daher mit ihr im gemeinsamen Haushalt gelebt. Nur diese Urkunde sei der Prüfung der Rechtsfrage zugrundezulegen.

Diesen Ausführungen kann nicht beigetreten werden.

Gemäß § 269 Abs 1 Z 2 ASVG ist der Abfindungsanspruch der Mutter neben den übrigen in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen davon abhängig, daß sie mit dem Versicherten zur Zeit seines Todes in ständiger Hausgemeinschaft gelebt hat. Dazu wird bestimmt, daß eine vorübergehende Unterbrechung der Hausgemeinschaft oder deren Unterbrechung wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder wegen Heilbehandlung außer Betracht zu bleiben habe. Der Anspruch der Revisionswerberin wird aus dieser Gesetzesstelle abgeleitet und die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ist an Hand der durch Auslegung dieser Normen gewonnenen Kriterien zu prüfen. Daß zur Interpretation der Gesetzesstelle an das Heimatstatut der betreffenden Person anzuknüpfen sei, trifft nicht zu. Ob die Anspruchsvoraussetzungen bestehen, ist allein aufgrund der österreichischen Gesetzeslage zu beurteilen, wobei auch zur Auslegung auf die Regeln des Österreichischen Rechtes zurückzugreifen ist.

Was der Gesetzgeber unter dem Begriff der ständigen Hausgemeinschaft versteht, ist im Gesetz nicht definiert, doch gibt der vorletzte Satz des § 269 Abs 1 Z 2 ASVG eine gute Auslegungshilfe. Er bestimmt wie dargestellt, daß eine vorübergehende Unterbrechung der ständigen Hausgemeinschaft oder deren Unterbrechung wegen schulmäßiger (beruflicher) Ausbildung oder wegen Heilbehandlung bei Prüfung dieser Voraussetzung außer Betracht zu bleiben habe. Schul- und Berufsausbildung außer Haus bringen regelmäßig mit sich, daß ein längerer Zeitraum (abgesehen von Besuchen) außer Haus zugebracht wird, während dessen der Mittelpunkt des Lebens der in Schul- oder Berufsausbildung stehenden Person an einen anderen Ort verlegt wird, wobei jedoch grundsätzlich die Verbindung zur Hausgemeinschaft aufrecht bleibt und auch die Absicht zur Rückkehr in die Hausgemeinschaft besteht. Daraus, daß der Gesetzgeber es für erforderlich erachtete, neben der vorübergehenden Abwesenheit die Schul- und Berufsausbildung, die regelmäßig eine längere Abwesenheit mit sich bringt, besonders zu nennen, ergibt sich, daß sich der erste Fall (vorübergehende Unterbrechung der Hausgemeinschaft) nur auf eine Unterbrechung für kurze Zeiträume bezieht, da es andernfalls entbehrlich gewesen wäre, daneben Fälle gesondert zu benennen, die eine längerfristige Unterbrechung mit sich bringen.

Im vorliegenden Fall befand sich der Kläger wohl nur zur vorübergehenden saisonmäßigen Arbeit in Österreich, doch brachte diese Tätigkeit jährlich jeweils eine mehrmonatige Abwesenheit von seinem Heimatort in Bosnien mit sich, wobei schon bedingt durch die räumliche Entfernung auch die Besuchsmöglichkeit sehr beschränkt war. Der Mittelpunkt seiner Lebensführung befand sich während der Zeit seiner Arbeit in Österreich im Bereich seines Arbeitsortes, zuletzt in Tirol. Die zeitliche Komponente der Unterbrechung der häuslichen Gemeinschaft unterscheidet sich nicht wesentlich vom Fall einer auswärts in Schulausbildung befindlichen Person, für den es der Gesetzgeber erforderlich erachtete, eine Sonderbestimmung zu treffen. Eine solche Sonderbestimmung ist im Gesetz für eine längerfristige Unterbrechung der Hausgemeinschaft durch beschäftigungsbedingte Abwesenheit nicht vorgesehen. Im Hinblick darauf, daß sich Franjo S*** in der Absicht hier für längere Zeit einer Arbeitstätigkeit nachzugehen nach Österreich begab - er hielt sich zur Zeit des Unfalles bereits seit fast 3 Monaten durchgehend im Inland auf - bestand zum Zeitpunkt des Todes keine ständige Hausgemeinschaft mit der Klägerin. Die Voraussetzungen des § 269 Abs 1 Z 2 ASVG sind daher nicht erfüllt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; Umstände, die einen Kostenanspruch nach Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder bescheinigt noch ergeben sich Hinweise auf solche Umstände aus dem Akteninhalt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte