OGH 10ObS58/95

OGH10ObS58/9528.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Michael Manhard (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag.Ernst Löwe (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alois S*****, ohne Beschäftigung, nunmehr ***** vertreten durch Dr.Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in Horn, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Weitergewährung der Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Dezember 1994, GZ 34 Rs 103/94-68, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 10.März 1994, GZ 8 Cgs 12/93t-63, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Weitergewährung der ihm befristet zuerkannten Invaliditätspension ab 1.1.1991 ab. Der Kläger habe in den letzten 15 Jahren vor dem 1.4.1990 (Stichtag) nicht überwiegend eine angelernte Tätigkeit ausgeübt. Dabei komme es auf die überwiegenden 86 Beitragsmonate an, die er während seiner Arbeit bei der StraßenbaustoffeGmbH erworben habe. Auch bei einem angelernten Beruf bleibe der Berufsschutz nur dann erhalten, wenn sich die ausgeübte Tätigkeit in ihrer Gesamtheit noch als Ausübung des angelernten Berufes darstelle. Dies sei jedoch beim Kläger nicht der Fall gewesen, weil sich seine Tätigkeit während dieser Beitragsmonate in ihrer Gesamtheit als die eines (nicht angelernten) Kraftfahrers darstellte. Die Frage der Invalidität sei somit nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen und wegen der umfassenden Verweisungsmöglichkeiten zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es vertrat ebenfalls die Auffassung, daß die Tätigkeit des Klägers bei der StraßenbaustoffeGmbH nicht dem Berufsbild eines Berufskraftfahrers iS der Verordnung BGBl 1987/396 entsprochen habe. Der Kläger habe keine Kenntnisse in kaufmännischen Arbeiten, für grenzüberschreitende Transporte und grundlegende rechtliche Bestimmungen gehabt. Ein einmal erworbener Berufsschutz ginge zwar nicht verloren, wenn der Versicherte in der Folge nur noch Teiltätigkeiten des erlernten oder angelernten Berufes ausübe; es sei aber erforderlich, daß die qualifizierten Kenntnisse und Fähigkeiten in der im Beobachtungszeitraum überwiegend ausgeübten Tätigkeit in jenem Ausmaß zum Tragen kommen, das hiefür üblicherweise von gelernten Arbeitern dieser Berufsgruppe erwartet wird. Da der Kläger bei der StraßenbaustoffeGmbH nur zu etwa 20 % seiner Gesamtarbeitskraft zu Mechanikerarbeiten herangezogen wurde, habe er seine (diesbezüglichen) Kenntnisse und Fähigkeiten keineswegs in jenem Maß verwerten können, wie dies bei gelernten Arbeitern üblich sei. Wenn es bei einer Mischtätigkeit auch nicht allein auf die zeitliche Komponente ankomme, so habe der Kläger hauptsächlich die nicht sehr schwierigen Arbeiten der Reifenwechsel an den Fahrzeugen vorgenommen; bei größeren technischen Problemen seien Monteure anderer Firmen herangezogen worden. Daher sei seine Tätigkeit bei der StraßenbaustoffeGmbH nicht als solche in einem erlernten oder angelernten Beruf anzusehen. Da er diese Tätigkeit in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt habe, genieße er keinen Berufsschutz und sei auf die vom Erstgericht genannten Tätigkeiten verweisbar.

In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung geltend; er beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es, allenfalls auch das erstgerichtliche Urteil aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG in der gemäß Art X § 2 Z 7 Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz-Novelle 1994 BGBl 624 hier noch anzuwendenden Fassung BGBl 1989/343 auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 der erstzit Gesetzesstelle zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Für die Beurteilung, ob der Kläger überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig war, kommt es nach § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG auf seine Tätigkeit bei der StraßenbaustoffeGmbH an, weil diese Berufstätigkeit in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1.4.1990) ausgeübt wurde. Ob der Kläger während dieser Zeit in einem angelernten Beruf tätig war, hängt nach dem ersten Satz des zit Abs davon ab, ob er bei diesem Dienstgeber eine Tätigkeit ausgeübt hat, für die qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderlich waren, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Das wäre dann zu bejahen, wenn für diese überwiegende Tätigkeit des Klägers entweder die qualifizierten Kenntnisse oder Fähigkeiten eines Kfz-Mechanikers oder eines Berufskraftfahrers erforderlich gewesen wäre.

Davon kann aber nach den vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen keine Rede sein. Danach war der Kläger bei der StraßenbaustoffeGmbH als Kraftfahrer (aufgenommen und) tätig. Er wurde üblicherweise als Baggerfahrer eingesetzt, nötigenfalls auch als Lenker eines Muldenkippers. Die reine Lenkertätigkeit, für die offenkundig keine qualifizierten Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderlich waren, die jenen in einem erlernten Berufe gleichzuhalten wären, machte rund 80 %, also rund vier Fünftel der Arbeit des Klägers aus. Daneben führte er - üblicherweise nach Beendigung der Lenkertätigkeit - Arbeiten an den zum Fuhrpark seines Dienstgebers gehörenden Fahrzeugen (vier Schwerlastmulden, zwei bis drei Radladern, zwei bis drei Baggern, einem Unimog, einer Raupe, einem Bohrgerät und Fahrzeugen für den betriebsinternen Verkehr) durch. Dabei handelte es sich um (einfachere) Servicearbeiten, für die er durch einen Meister eingeschult wurde, und zwar am häufigsten um das Wechseln von Reifen. Wenn es größere technische Probleme gab, wurden Monteure entsprechender Firmen herangezogen, denen der Kläger "zur Hilfe" (als Helfer) beigegeben wurde. Großreparaturen wurden vom Kläger bei diesem Dienstgeber nicht vorgenommen.

Unter diesen Umständen ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß für die Tätigkeit des Klägers bei der StraßenbaustoffeGmbH keine qualifizierten Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderlich waren, die jenen in einem Lehrberuf, insbesondere dem des Kfz-Mechanikers oder des Berufskraftfahrers, gleichzuhalten wären. Darauf, daß der Kläger aufgrund seiner Kfz-Mechanikerlehre und seiner Tätigkeit als Kfz-Mechanikergehilfe entsprechende qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten hatte, käme es nur dann an, wenn er diese als Kraftfahrer bei der StraßenbaustoffeGmbH auch in einem Ausmaß hätte einsetzen müssen, wie sie üblicherweise von gelernten Facharbeitern dieser Berufsgruppe erwartet werden. Der in einem erlernten oder angelernten Beruf erworbene Berufsschutz bleibt nämlich, wenn später überwiegend nur Teiltätigkeiten ausgeübt werden, nur dann erhalten, wenn die spätere Tätigkeit in ihrer Gesamtheit noch als Ausübung des erlernten oder angelernten Berufes anzusehen ist (SSV-NF 3/29 mwN; 4/80; ähnlich 7/104). Das ist jedoch nach den zu beurteilenden Feststellungen bei der iS des § 255 Abs 2 ASVG überwiegend ausgeübten Tätigkeit in der StraßenbaustoffeGmbH nicht der Fall (ähnlich SSV-NF 8/17 mwN). Daß der Kläger während der ebenfalls in den am 1.4.1975 beginnenden Beobachtungszeitraum fallenden Beitragsmonate vom 10.1. bis 8.4.1976, 5.3. bis 27.7.1979 und 6.8.1979 bis 21.8.1981, möglicherweise auch vom 15.9. bis 24.12.1981, als gelernter bzw angelernter Kfz-Mechanikergehilfe in einem angelernten Beruf iS des § 255 Abs 1 und 2 ASVG tätig war, ändert nichts daran, daß er nicht überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig war. Im Beobachtungszeitraum überwogen nämlich die Beitragsmonate, in denen keine qualifizierte Tätigkeit ausgeübt wurde. Die Frage, ob der Kläger als invalid gilt, ist daher nach Abs 3 leg cit zu beurteilen. Sie wurde von den Vorinstanzen wegen der dem Kläger zumutbaren Verweisungsmöglichkeiten zu Recht verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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