OGH 10ObS4/89

OGH10ObS4/8924.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Eduard Giffinger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Augusta H***, Unterauerling 26 a, 9451 Preitenegg, vertreten durch Dipl.Ing. Dr. Arthur Traußnig, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1092 Wien, Roßauer

Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Juli 1988, GZ 8 Rs 132/88-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 14. Jänner 1988, GZ 33 Cgs 1193/87-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 1.400,-- an Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht stellte fest, daß das Begehren der Klägerin auf Leistung des Hilflosenzuschusses in der gesetzlichen Höhe ab 20. Februar 1987 dem Grunde nach zu Recht bestehe und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von monatlich S 2.167,-- auf. Es stellte fest, daß die 65-jährige Klägerin in einem in der Einschicht gelegenen Wohnhaus lebt, das mit einem Holzofen beheizt wird. Die nächste öffentliche Verkehrshaltestelle und das nächste Lebensmittelgeschäft sind etwa 9 km entfernt. Die Klägerin ist in der Lage sich selbständig an- und auszuziehen, die komplette Körperreinigung durchzuführen, sich kleine Mahlzeiten zuzubereiten und zu essen und die Toilette aufzusuchen. Auf Grund der örtlichen Gegebenheiten ist sie aber nicht in der Lage, selbst Lebensmittel und Medikamente zu besorgen, Brennholz aufzubereiten und herbeizuschaffen und die groben Hausarbeiten zu verrichten. Sie kann auch nicht die große Wäsche waschen und im Winter die Schneeräumarbeiten durchführen. Eine Feuerstelle in Betrieb zu halten, ist der Klägerin möglich.

Aus diesem Sachverhalt folgerte das Erstgericht rechtlich, der für fremde Hilfe benötigte Aufwand erreiche im Monatsdurchschnitt die Höhe des Hilflosenzuschusses, die Klägerin sei daher hilflos. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Hilflosigkeit liege immer dann vor, wenn der Pensionist nicht mehr in der Lage sei, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst durchzuführen. Dabei seien aber nur jene Verrichtungen zu berücksichtigen, die nicht allgemein von dritten Personen besorgt werden, sondern die auch eine nicht eingeschränkte Person gewöhnlich selbst erledige. Die Lage des Wohnhauses der Klägerin in der Einschicht hätte auch für einen in seiner Gesundheit nicht eingeschränkten Menschen mit sich gebracht, daß er seine Einkäufe nur fallweise, rationell und in größeren Zeitabständen durchführe, wobei er sich mit Rücksicht auf die Entfernung entweder eines eigenen Fahrzeuges oder fremder Hilfe bedienen hätte müssen. Durch den beeinträchtigten Gesundheitszustand der Klägerin hätten sich diese Hilfeleistungen und die Kosten hiefür nur mehr in einem gewissen Umfang erweitert. Die für die Herbeischaffung des Heizmaterials, der groben Hausarbeiten und Schneeräumarbeiten in dem für die Benützung des Wohnhauses notwendigen Ausmaß nur in größeren Zeitabständen erforderlichen Kosten für fremde Hilfe erreichten nicht annähernd die Höhe des Hilflosenzuschusses. Das Klagebegehren sei daher abzuweisen. Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 48 ASGG). Es ist richtig, daß die persönlichen Verhältnisse des Pensionisten insoweit zu berücksichtigen sind, als die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel bei der Beurteilung der Hilflosigkeit einbezogen werden müssen. Da jedoch von einem Hilflosen erwartet werden muß, daß er einen Standard hält, der unter nicht hilflosen Beziehern gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblich ist, ist bei der Schätzung der Dienstleistungen mindestens dieser Standard zugrunde zu legen (SSV-NF 1/46). Um ungerechte und ungleiche Ergebnisse zu vermeiden, kann daher eine von den üblichen Gegebenheiten - auch im bäuerlichen Bereich - extrem abweichende Wohnlage nur insoweit berücksichtigt werden, als diese nicht auch schon körperlich gesunden Menschen in überdurchschnittlichem Ausmaß Mehrkosten verursacht. Dies aber trifft bei einer Entfernung von rund 9 km vom nächsten öffentlichen Verkehrsmittel und der nächsten Einkaufsmöglichkeit zu. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht darauf verwiesen, daß in einem solchen Fall Einkäufe besonders rationell und nur fallweise in größeren Abständen durchgeführt werden. Anläßlich solcher Einkäufe aber können auch die übrigen erforderlichen Hilfeleistungen - grobe Hausarbeiten, Großwäsche und allenfalls - genaue Feststellungen darüber fehlen - die nur in den Wintermonaten nötige Herbeischaffung des Brennmaterials aus dem Vorratsraum (die Zustellung bis dorthin werden auf Grund der örtlichen Gegebenheiten auch gesunde Personen üblicherweise durch dazu befugte Unternehmen vornehmen lassen) sowie die Schneeräumung, soweit diese für die Benützung des Wohnhauses überhaupt erforderlich ist - durchgeführt werden. Eine nicht im voraus zu prognostizierende Krankheit oder ein Unfall können aber auch jeden körperlich gesunden Menschen treffen. Die Tatsache allein, daß ein alleinlebender Mensch dadurch größeren Gefährdungen ausgesetzt sein kann, als ein in Gemeinschaft lebender, vermag noch keinen Anspruch auf eine abzugeltende fremde Betreuung zu rechtfertigen, wenn diese medizinisch nicht indiziert ist. Daß es aus medizinischen Gründen erforderlich wäre, die Klägerin täglich aufzusuchen und zu überwachen, wurde aber nicht festgestellt. Damit aber ist auszuschließen, daß die für fremde Hilfe erforderlichen Kosten durchschnittlich auch nur annähernd die Höhe des Hilflosenzuschusses erreichen.

Ob dies nur dann der Fall sein könnte, wenn - wie das Berufungsgericht meint - Hilfsdienste im Ausmaß von 40-50 Stunden monatlich erforderlich wären, muß daher nicht geprüft werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über den Zuspruch von Revisionskosten nach Billigkeit beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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