Spruch:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Kostenpunkt richtet, zurückgewiesen. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 23. 2. 1961 geborene Klägerin leidet an Morbus Little, Tetraspastik und neuropathischem Schmerz sowie an einer depressiven Verstimmung. Es treten bei ihr auch Angst- und Panikattacken auf. Sie ist persönlich, örtlich und zeitlich orientiert. Ihre intellektuellen Leistungen liegen im Normbereich, die Konzentrations- und Merkfähigkeit sind geringfügig herabgesetzt.
Aufgrund dieses Leidenszustandes kann sie die tägliche Körperpflege nicht mehr selbstständig verrichten. Auch das An- und Auskleiden sowie die Zubereitung der Mahlzeiten ist ihr ohne fremde Hilfe nicht möglich. Weiters benötigt sie für die Reinigung der Wohnung und ihrer persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche sowie für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen Bedarfsgütern des täglichen Lebens fremde Hilfe. Sie ist auch nicht mehr in der Lage, außerhalb ihres eigenen Wohnbereiches noch Wege beispielsweise zu einem Arzt oder zu einer Behörde selbstständig zurückzulegen.
Weiters sind bei der Klägerin Motivationsgespräche für die Beteiligung bei notwendigen Maßnahmen der Physiotherapie sowie für die Mithilfe beim An- und Auskleiden, bei der täglichen Körperpflege, beim selbstständigen Essen und Trinken sowie für das Aufstehen in der Früh erforderlich. Der tatsächliche zeitliche Aufwand für die Durchführung der Motivationsgespräche beträgt insgesamt zehn Stunden im Monat. Dabei liegt das Schwergewicht (zeitlich etwas mehr als fünf Stunden monatlich) auf der Motivation für die entsprechende Beteiligung an der Physiotherapie. Die Motivation für die anderen genannten Verrichtungen erreicht hingegen nicht das zeitliche Ausmaß von fünf Stunden monatlich. Im Übrigen besteht bei der Klägerin kein weiterer Pflegebedarf.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1. 8. 2004 ein Pflegegeld der Stufe 2 in Höhe von EUR 268 (monatlich) für den Zeitraum von 1. 8. 2004 bis 31. 12. 2004 und von EUR 273,40 (monatlich) ab 1. 1. 2005 zu bezahlen, und wies das darüber hinaus auf Gewährung des Pflegegeldes der Stufe 3 gerichtete Mehrbegehren ab. Ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt gelangte das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nach den maßgebenden Bestimmungen der EinstV zum BPGG einen monatlichen Pflegebedarf von jedenfalls 115 Stunden (20 Stunden für das An- und Auskleiden, 30 Stunden für die Zubereitung von Mahlzeiten, 25 Stunden für die tägliche Körperpflege sowie jeweils 10 Stunden für die Pflege der Leib- und Bettwäsche, Reinigung der Wohnung und persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten sowie für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn) habe. Die bei der Klägerin für die Durchführung der Physiotherapie erforderlichen Motivationsgespräche seien bei der Ermittlung des Pflegebedarfes nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht der selbstständigen Durchführung von in den §§ 1 und 2 EinstV angeführten Verrichtungen dienten und therapeutische Verfahren, welche der Erhaltung oder Verbesserung des Gesundheitszustandes der Versicherten dienten, nicht den pflegegeldrelevanten Betreuungs- und Hilfsverrichtungen zurechenbar seien. Die für die Mithilfe beim An- und Auskleiden, bei der täglichen Körperpflege, beim selbstständigen Essen und Trinken sowie für das Aufstehen in der Früh erforderliche Motivation erreiche nicht einen zeitlichen Aufwand von fünf Stunden monatlich. Da bei der Klägerin somit ein monatlicher Pflegebedarf von 120 Stunden nicht überschritten werde, gebühre nur Pflegegeldstufe 2. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es schloss sich in seiner rechtlichen Beurteilung der Rechtsansicht des Erstgerichtes an. Dem Einwand der Klägerin, der durchschnittliche monatliche Pflegeaufwand sei für die in § 1 Abs 3 und 4 EinstV angeführten Verrichtungen (An- und Auskleiden, tägliche Körperpflege und Zubereitung von Mahlzeiten) in der Weise zu ermitteln, dass der in der EinstV dafür vorgesehene tägliche Zeitaufwand mit 365 (Tagen) zu multiplizieren und dann durch 12 (Monate) zu dividieren sei, hielt das Berufungsgericht entgegen, dass diese Berechnungsmethode nicht der Praxis des Obersten Gerichtshofes entspreche. Obwohl es der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - bisher noch nicht ausdrücklich ausgesprochen habe, ergebe sich doch aus einer Vielzahl von Entscheidungen, dass der Oberste Gerichtshof die auf einen Tag bezogenen Zeitwerte der EinstV offenbar aus Gründen der Vereinfachung zur Errechnung des monatlichen Pflegeaufwandes einheitlich mit 30 (Tagen) multipliziere.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag sowie der Antrag gestellt, das Berufungsurteil dahin abzuändern, dass die Beklagte zum Ersatz der der Klägerin entstandenen Verfahrenskosten nach Billigkeit verpflichtet werde.
Die Beklagte hat von der ihr freigestellten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsbeantwortung keinen Gebrauch gemacht.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig, soweit damit die Entscheidung des Berufungsgerichtes über den Kostenpunkt bekämpft wird. Nach stRsp kann nämlich die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden. Dies gilt auch in Sozialrechtssachen (SSV-NF 12/22 mwN ua). Die unzulässige Revision im Kostenpunkt ist daher zurückzuweisen. Im Übrigen ist jedoch die Revision nach den insoweit zutreffenden Ausführungen der Revisionswerberin zulässig, weil der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - zur Frage der Umrechnung der in § 1 Abs 3 und 4 EinstV jeweils auf einen Tag bezogenen Richt- und Mindestwerte auf den „durchschnittlichen" monatlichen Pflegebedarf iSd § 4 Abs 2 BPGG noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat und dieser Frage über den vorliegenden Einzelfall hinaus rechtserhebliche Bedeutung zukommt. Die Revision ist aber insoweit nicht berechtigt. Die Revisionswerberin macht in ihrem Rechtsmittel wiederum geltend, der Pflegeaufwand werde in § 1 Abs 3 und 4 EinstV nicht in Stunden pro Monat sondern in Minuten pro Tag angegeben. Da es nach dem BPGG immer auf Durchschnittswerte ankomme, sei der maßgebende durchschnittliche Pflegeaufwand pro Monat richtigerweise so zu ermitteln, dass der tägliche Zeitaufwand mit 365 (Tagen) bzw wegen der Schaltjahre mit 365,5 (Tagen) multipliziert und danach durch 12 (Monate) dividiert werde. Diese genaue Berechnung folge aus dem Gesetz. Hätte der Gesetzgeber auch bei den in § 1 Abs 3 und 4 EinstV angeführten Verrichtungen des täglichen Lebens einen runden monatlichen Pflegeaufwand ansetzen wollen, hätte er dies entsprechend normiert, wie er es auch bei anderen Tätigkeiten getan habe. Der monatliche Pflegeaufwand der Klägerin betrage daher bereits ohne Berücksichtigung des Zeitaufwandes für die Motivation 116,15 Stunden und übersteige daher bei der gebotenen Berücksichtigung des gesamten für Motivation festgestellten Zeitaufwandes von zehn Stunden monatlich durchschnittlich mehr als 120 Stunden, weshalb der Klägerin Pflegegeld der Stufe 3 gebühre.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Nach § 1 BPGG hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Das Pflegegeld ist somit nur als Beitrag zur pauschalierten Abgeltung der pflegebedingten Mehraufwendungen konzipiert und wird daher nicht streng nach der Bedarfslage im Einzelfall, sondern - aus Gründen der Verwaltungsökonomie - in pauschalierter Form gewährt (Pfeil, BPGG 36). Bei der Ermittlung des Pflegebedarfes - und damit bei der Bemessung der Höhe des Pflegegeldes - stellt das BPGG in erster Linie auf das Ausmaß des Aufwandes in zeitlicher Hinsicht ab. Der für die Bemessung des zeitlichen Ausmaßes des Pflegebedarfes maßgebende Zeitraum ist der Monat. Der Einstufung in die einzelnen Pflegegeldstufen ist nach § 4 Abs 2 BPGG der „durchschnittliche" monatliche Pflegebedarf zugrundezulegen. Durch die Berücksichtigung des in einem Monat „durchschnittlich" anfallenden Aufwandes für Betreuung und Hilfe können Schwankungen im Bedarfsausmaß ebenso berücksichtigt werden wie nur in größeren Abständen notwendig werdende Verrichtungen, insbesondere solche im Rahmen der Hilfe nach § 2 EinstV (Pfeil aaO BPGG 97).
Aufgrund des § 4 BPGG wurden durch eine Einstufungsverordnung zum BPGG (EinstV) die Voraussetzungen für den Anspruch auf Pflegegeld näher determiniert. Mit den in dieser EinstV vorgesehenen Pauschalierungen sollte eine verwaltungstechnisch zu aufwendige und damit kaum administrierbare Prüfung im Einzelfall vermieden werden (Pfeil aaO BPGG 81 mwN). So sieht die EinstV für einige der demonstrativ aufgezählten Betreuungsverrichtungen - jeweils auf einen Tag bezogene - Richtwerte (§ 1 Abs 3) und Mindestwerte (§ 1 Abs 4) sowie für die taxativ angeführten Hilfsverrichtungen - jeweils auf einen Monat bezogene - verbindliche Pauschalwerte (Fixwerte) vor (§ 2). Der Umstand, dass für die Betreuungsverrichtungen - jeweils auf einen Tag bezogene - und für die Hilfsverrichtungen - jeweils auf einen Monat bezogene - Zeitwerte vorgesehen sind, hängt ganz offensichtlich damit zusammen, dass die angeführten Betreuungsverrichtungen in der Regel täglich anfallen, während es sich demgegenüber bei den Hilfsverrichtungen um in der Regel aufschiebbare Verrichtungen handelt, bei denen eine gewisse zeitliche Planung und Vorausschau möglich ist. Für die Bemessung des sich aus dem Pflegebedarf ergebenden Zeitaufwandes ist es gemäß § 4 BPGG jedoch in der Regel ohne Bedeutung, ob dieser Zeitaufwand aus einer Betreuungs- oder Hilfsverrichtung resultiert. Die Pauschalierung der Hilfsverrichtungen in § 2 Abs 3 EinstV mit dem fixen Zeitwert von jeweils zehn Stunden pro Monat zeigt, dass eine Berücksichtigung des Zeitaufwandes für diese Verrichtungen unstrittig nicht davon abhängig sein soll, ob der betreffende Monat 28, 30 oder 31 Tage umfasst. Demgegenüber vertritt die Revisionswerberin für den Bereich der Betreuungsleistungen iSd § 1 Abs 3 und 4 EinstV den Standpunkt, dass insoweit eine genaue Berechnung des Pflegebedarfes in der Form zu erfolgen habe, dass der - jeweils auf einen Tag bezogene Mindest- oder Richtwert - zunächst auf einen (fiktiven) Jahrespflegebedarf hochzurechnen und dann der monatliche Pflegebedarf durch die Division des Jahrespflegebedarfs durch 12 ermittelt werden müsse. Konsequenterweise müsste jedoch bei der von der Revisionswerberin verlangten genauen Berechnung auch die unterschiedliche Anzahl der Tage pro Monat berücksichtigt werden, da in Grenzfällen auch dieser Umstand für einen Anspruch auf (höheres) Pflegegeld entscheidend sein könnte. Dass eine solche exakte Berechnung dem den erwähnten Regelungen auch im Sinne der besseren Administrierbarkeit zugrundeliegenden Pauschalierungsgedanken diametral entgegengesetzt wäre, bedarf keiner weiteren Erörterung. Es würde eine solche Berechnungsweise auch im Widerspruch zur Regelung des § 4 Abs 2 BPGG stehen, worin der Gesetzgeber durch die Bezugnahme auf einen „durchschnittlichen" monatlichen Pflegebedarf jedenfalls klargestellt hat, dass Schwankungen des Pflegebedarfs innnerhalb eines Monats grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind und die Einstufung trotz der auf einen Tag bezogenen Richt- oder Mindestwerte für Betreuungsverrichtungen auch nicht davon abhängig sein soll, ob der jeweilige Monat 28, 30 oder 31 Tage umfasst. Es erscheint daher sachlich gerechtfertigt, zur Vereinheitlichung und Vermeidung von zufallsbedingten Differenzierungen bei der Auslegung des Begriffes des „durchschnittlichen" monatlichen Pflegebedarfs in § 4 Abs 2 BPGG im Sinne der bisherigen Judikatur und Praxis weiterhin einheitlich von einem Zeitraum von 30 Tagen auszugehen. Diese Berechnungsweise, den (Kalender-)Monat einheitlich mit 30 Tagen zu rechnen, findet sich aus Gründen der Einheitlichkeit und administrativen Vereinfachung auch in verschiedenen anderen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes (vgl § 45 Abs 3 ASVG, § 242 Abs 2 Z 3 ASVG, § 133 Abs 2 GSVG ua), vor allem aber auch in Bestimmungen des BPGG selbst (vgl § 9 Abs 3 im Fall der Aliquotierung des Anspruchs auf Pflegegeld im Sterbemonat sowie § 12 Abs 4 im Falle des Ruhens des Anspruchs). Die Vorinstanzen sind daher im Sinne dieser Ausführungen zutreffend von einem durchschnittlichen Pflegebedarf der Klägerin ohne Berücksichtigung des Zeitaufwandes für die Motivation von 115 Stunden monatlich ausgegangen.
Die weitere Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Aufwand für Motivationsgespräche sei nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 4 Abs 2 EinstV nur im Zusammenhang mit den in den §§ 1 und 2 EinstV angeführten typischen Pflegeverrichtungen zu berücksichtigen und es finde daher der für die Beteiligung der Klägerin an einer Physiotherapie notwendige Aufwand für Motivationsgespräche auch dann keine Berücksichtigung, wenn diese therapeutische Maßnahme zur Vermeidung einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin erforderlich sei, entspricht der stRsp des erkennenden Senates (SSV-NF 14/99, 12/165, 11/78 ua). Daraus folgt aber, dass ausgehend von den maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen der Pflegebedarf der Klägerin durchschnittlich nicht mehr als 120 Stunden pro Monat beträgt, weshalb der Klägerin nur Pflegegeld der Stufe 2 gebührt.
Die Revision musste daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Soweit die Revisionswerberin dazu auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass bei der Frage, ob ein Kostenersatzanspruch aus Billigkeit besteht, nach der zitierten Gesetzesstelle nicht nur dieser Umstand, sondern auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten zu beachten sind. Es ist Sache des Versicherten, Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen, geltend zu machen, es sei denn, sie ergeben sich aus dem Akteninhalt (SSV-NF 18/56 ua). Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin sind aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich und wurden auch in der Revision nicht ausreichend konkret behauptet bzw bescheinigt. Daran vermag auch der Hinweis auf das niedrige Pensionseinkommen der Klägerin aufgrund des Bescheides vom 2. 3. 2005 nichts zu ändern, da in diesem Bescheid zwar der Anspruch der Klägerin auf Berufsunfähigkeitspension ab 1. 8. 2004 anerkannt wurde, gleichzeitig aber ausgesprochen wurde, dass die Pension aufgrund der von der Klägerin noch ausgeübten Tätigkeit derzeit nicht anfällt. Ein Kostenersatz aus Billigkeit hat daher nicht stattzufinden.
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