OGH 10ObS363/97y

OGH10ObS363/97y4.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Dorit Tschögele und SR Dr.Kurt Scherzer, beide aus dem Kreis der Arbeitgeber, als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hartwig S*****, Landwirt, ***** im Rekursverfahren nicht vertreten wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.Juni 1997, GZ 7 Rs 69/97i-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 27.November 1996, GZ 32 Cgs 193/96f-5 aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, kann auf diese Ausführungen verwiesen werden (§ 48 ASGG).

Mit der 18.BSVG-Novelle BGBl 1993/337 wurde die vorzeitige Alterspension wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit als neue Frühpension und neue Leistung der Pensionsversicherung aus dem Versicherungsfall des Alters, die es früher nicht gab, mit der Bestimmung des § 122c BSVG - als Nachfolgebestimmung des § 124 Abs 2 BSVG (10 ObS 2005/96t) - eingeführt (Art I Z 62 leg cit; siehe hierzu auch RV 934 BlgNR

18. GP, 19 und 22 iVm RV 932 BlgNR 18.GP, 49 [zur 51.ASVG-Novelle]). Während durch das Strukturanpassungsgesetz BGBl 1995/297 (Art XXXI 13 und 14) zunächst nur die Wegfallbestimmungen für den Fall der Weiterausübung der bisherigen selbstständigen Erwerbstätigkeit verschärft wurden (RV 134 BlgNR 19.GP, 85), erfolgte durch Art 36 Z 47 und 48 des Strukturanpassungsgesetzes 1996 BGBl 201 eine Neufassung dahingehend, daß nunmehr die Anspruchsvoraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Art der Alterspension ua auch durch Anhebung des Pensionsanfallsalters bei Männern verschärft wurden, um - so der Wille des Gesetzgebers (RV 72 BlgNR 20.GP, 24) - "neben arbeitsmarktpolitischen Aktivitäten einen späteren Pensionsantritt sicherzustellen". Gemäß Art 36 Z 81 leg cit (§ 255 Abs 1 Z 5 BSVG) trat § 122c BSVG in der zuletzt novellierten Fassung am 1.9.1996 in Kraft. Übergangsbestimmungen zu dieser Norm wurden vom Gesetzgeber nicht erlassen.

Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 15/94 (veröffentlicht in SSV-NF 8/34) Begriff und Inhalt des für das Zustehen von Sozialversicherungsleistungen maßgeblichen Versicherungsfalles (dort ging es allerdings um eine vorzeitige Alterspension nach § 253 b ASVG) als sog. "sinngebende primäre Leistungsvoraussetzung" einer ausführlichen (auch auf das einschlägige Fachschrifttum Bedacht nehmenden) Untersuchung unterzogen und hierzu - soweit für den vorliegenden Fall relevant - ausgeführt: Besonders deutlich wird die Bezogenheit auf den Versicherungsfall in der sog. Stichtagsregelung der Pensionsversicherung. Die Entscheidung über die Frage, ob eine Leistung der Pensionsversicherung gebührt, ist nach den Verhältnissen an dem durch den Vericherungsfall bzw -antrag ausgelösten Stichtag zu treffen (§ 104 Abs 2 BSV [dort § 223 Abs 2 ASVG]). Allerdings wird lediglich das Vorliegen der sog. sekundären Voraussetzungen zu diesem Zeitpunkt geprüft. Zwar sieht das Gesetz vor, daß bei bestimmten Leistungen der Stichtag erst durch die Antragstellung fixiert wird, sofern der Antrag nach Eintritt des Versicherungsfalles gestellt wird, am Vorrang der primären Leistungsvoraussetzungen ändert sich dadurch jedoch nichts. Ohne Vorliegen eines Versicherungsfalles kann auch nie ein Stichtag ermittelt werden. Formal gesehen stellt erst der durch den Versicherungsfall ausgelöste Stichtag die konkrete Verknüpfung der sekundären Leistungsvoraussetzungen mit einer bestimmten Leistung her. Es genügt nicht, daß die sekundären Voraussetzungen zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt vorliegen, sie müssen vielmehr an einem ganz bestimmten Tag gegeben sein, der durch die primären Voraussetzungen bestimmt wird (Schrammel in Tomandl, SV-System 7.ErgLfg 142).

Beim Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um einen "zusammengesetzten" Versicherungsfall. Das BSVG spricht zwar, ebenso wie das ASVG, von den Versicherungsfällen des Alters, unterläßt es aber, diese Versicherungsfälle im einzelnen zur Unterscheidung mit Bezeichnungen zu versehen. Besondere Bezeichnungen haben nur die aus diesen Versicherungsfällen des Alters resultierenden Leistungen erhalten (vgl dazu Teschner in Tomandl, SV-System 9.ErgLfg 361 ff). Zum Erfordernis der Erreichung des Anfallalters tritt im Fall des § 122c BSVG die Erwerbsunfähigkeit als weitere Anspruchsvoraussetzung. In einem solchen Fall müssen beide Voraussetzungen als primäre Leistungsvoraussetzungen gesehen werden. Dieser Versicherungsfall ist danach - in teleologischer Reduktion des 104 Abs 1 BSVG, wonach der Versicherungsfall bei Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters mit der Erreichung des Anfallsalters als eingetreten gilt - nur dann eingetreten, wenn sowohl das erforderliche Alter erreicht ist als auch die Erwerbsunfähigkeit vorliegt (idS auch Schrammel/Tomandl in Tomandl, SV-System 7.ErgLfg 141 FN 17; änhlich Teschner aaO; aA Jabornegg, DRdA 1982,29 f).

Daraus folgt, daß nach der damaligen Gesetzeslage des § 122c Abs 1 BSVG idF vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996 beim Kläger der Versicherungsfall der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit mit Vollendung des 55.Lebensjahres am 4.8.1996, also vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung, eintrat. Der Versicherungsfall hat nach den bisherigen Ausführungen mit dem Stichtag nur insofern zu tun, als er ihn im Hinblick auf den Antrag vom 5.8.1996 auslöste. Da er nicht auf den Monatsersten fiel, war Stichtag der folgende Monatserste, also der 1.9.1996, mit dem die geänderten Bestimmungen des § 122c Abs 1 BSVG in Kraft trat. Mögen auch alle sonstigen auf den Stichtag ausgerichteten sekundären Anspruchsvoraussetzungen nach der zwingenden neuen Rechtslage zu beurteilen sein, so konnte sich hier jedoch an dem bereits vor ihrem Inkrafttreten eingetretenen Versicherungsfall nichts ändern, weil keine Übergangsbestimmungen ihre Einwirkung auf den schon eingetretenen Versicherungsfall regeln. Die neue Regelung konnte daher nur Versicherungsfälle betreffen, die frühestens am 1.9.1996 eingetreten sind und der vollen Einwirkung der durch das StrukturanpassungsG 1996 geschaffenen neuen Rechtslage unterstanden (ebenso 10 ObS 255/97b und 10 ObS 98/97i).

Dem Rekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

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