Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie lauten:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab 1. 3. 1997 ein höheres Pflegegeld als das mit Bescheid vom 4. 9. 1996 zuerkannte Pflegegeld der Stufe 2 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 28. 11. 1922 geborene Klägerin bezieht eine Alterspension und auf Grund des rechtskräftigen Bescheides der Beklagten vom 4. 9. 1996 seit 1. 4. 1996 Pflegegeld der Stufe 2 im Ausmaß von S 3.688 monatlich. Mit Bescheid der Beklagten vom 20. 3. 1997 wurde ihr Antrag vom 7. 2. 1997 auf Erhöhung dieses Pflegegeldes abgelehnt, weil sich der Pflegebedarf in der Zwischenzeit nicht wesentlich geändert habe.
Mit ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Klage stellte die Klägerin das Begehren, ihr ab März 1997 ein höheres Pflegegeld mindestens der Stufe 3 zu gewähren. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, An- und Auskleiden seien ihr nicht mehr möglich und sie bedürfe Mobilitätshilfe im engeren Sinn. Auch sei dem Umstand der Ofenheizung mit Holz nicht Rechnung getragen worden.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab dem 1. 3. 1997 das Pflegegeld der Stufe 3 im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin leidet an einem sklerotischen Herzmuskelschaden mit eingeschränkter Herzleistung, an einer Gangstörung, an einer diätisch eingestellten Zuckerkrankheit und an Harninkontinenz. Sie kann sich nur teilweise an- und auskleiden und braucht Hilfe zum vollständigen und "straßenfertigen" An- und Ausziehen, zur täglichen Körperreinigung und Reinigung bei Harninkontinenz, bei der Zubereitung von Mahlzeiten, zur Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, zur Reinigung der Wohnung, zur Pflege der Leib- und Bettwäsche und auch Mobilitätshilfe im weiteren Sinn. Medikamente müssen für die Klägerin in einer Wochendosierschachtel vorbereitet werden. Die Verrichtung der Notdurft und das Aufsuchen der Toilette ist ihr allein möglich. Die Klägerin wohnt allein in einer Wohnung, die zentral mit Fernwärme beheizt wird, über innen gelegene Warm- und Kaltwasseranschlüsse, ein Badezimmer mit Wanne und eine Toilette verfügt und mit Waschmaschine und Kühlschrank ausgerüstet ist. Sie besitzt jedoch in der Küche keinen Elektroherd, sondern einen mit Holz zu befeuernden Küchenherd; die Klägerin ist darauf angewiesen, daß dieses Brennholz bereitgelegt wird.
Das Erstgericht gelangte zu dem Ergebnis, daß die Klägerin einen - nicht näher aufgeschlüsselten - Pflegebedarf von 139 Stunden monatlich und daher Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 3 habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer zutreffenden Beweiswürdigung. Dem Argument in der Rechtsrüge, daß die Klägerin wegen der vorhandenen Zentralheizung keiner Hilfe zur "Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial" iSd § 2 Abs 2 EinstV bedürfe, hielt das Berufungsgericht entgegen, daß sie Hilfe zum Bereitlegen des Brennholzes für den Küchenherd brauche und dafür jedenfalls ein Pflegebedarf von 10 Stunden monatlich angemessen sei. Insgesamt ergebe sich ein monatlicher Pflegebedarf von durchschnittlich 126 Stunden, der sich wie folgt zusammensetze: 10 Stunden (halber Richtwert) für das vollständige An- und Ausziehen, 25 Stunden für die tägliche Körperpflege, 10 Stunden Reinigung bei Harninkontinenz, 30 Stunden für die Zubereitung der Mahlzeiten, je 10 Stunden für die Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, die Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, die Pflege der Leib- und Bettwäsche, die Herbeischaffung von Brennmaterial für den Küchenherd und für die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, schließlich noch 1 Stunde für das Vorrichten der Medikamente in einer Wochendosierschachtel.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht ist mit Stillschweigen darüber hinweggegangen, daß es sich hier nicht um die erstmalige Zuerkennung eines Pflegegeldes handelt und eine Neubemessung des auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides geleisteten Pflegegeldes nach § 9 Abs 2 BPGG aF (nunmehr § 9 Abs 4 BPGG idF BGBl I 1998/111) eine für die Höhe des Pflegegelds wesentliche Veränderung im Zustandsbild der Klägerin voraussetzen würde. Nur eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, nicht jedoch eine abweichende rechtliche Beurteilung rechtfertigt einen Eingriff in die Rechtskraft einer (Vor-)Entscheidung (Pfeil, BPGG 128; SSV-NF 9/52 ua).
Im vorliegenden Fall ist nur mehr der Bedarf der Klägerin nach Hilfe bei der Bereitstellung (Herbeischaffung) des für die Befeuerung des Küchenherdes nötigen Holzes strittig; die überdies von der Klägerin behauptete Mobilitätshilfe im engeren Sinn ist nach den Feststellungen ebensowenig erforderlich wie die gänzliche Hilfe beim An- und Auskleiden. Der gegenüber der Zuerkennung des Pflegegeldes der Stufe 2 auf mehr als 120 Stunden monatlich gestiegene Pflegebedarf wird nunmehr auch von der Klägerin nur mehr in dem damals nicht berücksichtigten Herbeischaffen des Brennmaterials für den Küchenherd gesehen. Ob insoweit von einer Änderung des wesentlichen Sachverhaltes auszugehen ist, wurde vom Berufungsgericht nicht geprüft. Es wurde nun weder behauptet noch festgestellt, daß die Klägerin bei der ersten Antragstellung im Jahr 1996 einen Elektro- oder Gasherd besessen und sich seither auf die Benützung eines mit Holz zu befeuernden Küchenherdes umgestellt hätte; eine solche Annahme würde auch nicht recht plausibel sein und der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen. Es ist mangels Feststellungen nicht auszuschließen, daß die Klägerin seit eh und je einen holzbefeuerten Küchenherd besitzt, aber möglicherweise auf Grund einer Verschlechterung ihres körperlichen Zustandes - anders als 1996 - nunmehr (1997) nicht mehr in der Lage ist, das für diesen Küchenherd nötige Brennholz selbst herbeizuschaffen. Für die Hilfe bei dieser Verrichtung kann jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kein zusätzlicher Pflegebedarf von 10 Stunden anerkannt werden.
Zunächst ist im Tatsächlichen davon auszugehen, daß wegen der Ausstattung der Wohnung mit einer Fernheizung (Zentralheizung) das Befeuern des Küchenherds nur zum Kochen, also zum Zubereiten warmer Mahlzeiten erforderlich sein kann. Damit im Zusammenhang stehende Hilfsverrichtungen lassen sich nicht in den Katalog des § 2 Abs 2 EinstV einordnen, insbesondere nicht unter der mit "Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial" umschriebenen Hilfsverrichtung subsumieren. Nach ständiger Judikatur sind die Hilfsverrichtungen taxativ aufgezählt (SSV-NF 10/130, 11/5 ua). Wie die Beklagte in ihrer Revision ausführt, könnte das Herbeischaffen von Holz für den Küchenherd als Vorbereitungshandlung des Kochens allenfalls eine Maßnahme im Zusammenhang mit der Zubereitung von Mahlzeiten (§ 1 Abs 4 EinstV) darstellen, für die ein zeitlicher Mindestwert von 1 Stunde täglich festgelegt ist. Von diesem Mindestwert könnte (nach oben) abgewichen werden, wenn ihn der tatsächliche Betreuungsaufwand erheblich, also um annähernd die Hälfte überschreiten würde (herrschende Auffassung: Pfeil, BPGG 86; SSV-NF 9/47 mwN). Dies ist aber hier nicht der Fall, weil das bloße Herbeischaffen von Brennholz für den Küchenherd nach allgemeiner Lebenserfahrung in größeren zeitlichen Abständen erfolgen kann und insgesamt im Monat nicht annähernd 15 Stunden (oder auch nur 10 Stunden, wie das Berufungsgericht annahm) erfordert, sieht doch § 2 Abs 3 EinstV selbst für die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial einen fixen Zeitwert von nur 10 Stunden vor. Ob der Klägerin zur Verringerung ihres Pflegebedarfes die Anschaffung eines Elektroherdes oder auch nur einer elektrischen Kochplatte als Hilfsmittel im Sinne des § 3 EinstV zumutbar wäre (für den Herd verneinend Pfeil, BPGG 94; vgl SSV-NF 11/51, 52, 57), kann entgegen der Auffassung der Revisionswerberin dahingestellt bleiben.
Fällt aber der vom Berufungsgericht für die Herbeischaffung von Brennholz für den Küchenherd angenommene zusätzlich Pflegebedarf von 10 Stunden weg, dann verbleibt ein solcher von 116 Stunden monatlich; dieser entspricht der Pflegegeldstufe 2 nach § 4 Abs 2 BPGG. Mangels wesentlicher Veränderungen im Sinne des § 9 Abs 2 BPGG aF hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erhöhung des rechtskräftig zuerkannten Pflegegeldes der Stufe 2.
In Stattgebung der Revision der Beklagten waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit sind nicht ersichtlich.
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