OGH 10ObS328/01k

OGH10ObS328/01k30.10.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz J*****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Juli 2001, GZ 8 Rs 192/01s-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Februar 2001, GZ 8 Cgs 64/00y-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass es zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ab 1. 5. 2000 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente als Dauerrente in Höhe von monatlich S 5.690,-- (Euro 413,51) zu gewähren."

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.583,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 763,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am 22. 6. 1998 als Zimmerer einen Arbeitsunfall, indem er von einer Leiter in einen etwa 6 m tiefen Schacht stürzte und sich hiebei an beiden Fersenbeinen, am Schädel, an beiden Unterarmen, an beiden Händen, am Becken und an beiden Kniegelenken verletzte. Derzeit besteht eine endlagige Bewegungseinschränkung des linken unteren Sprunggelenks und eine hochgradige Bewegungseinschränkung des rechten unteren Sprunggelenks. Auch das obere rechte Sprunggelenk ist bewegungseingeschränkt. Weiters bestehen eine Muskelverschmächtigung der rechten unteren Extremität, eine Gangstörung, eine glaubhaft verminderte Belastbarkeit des rechten Beines und eine Hautgefühlsstörung am rechten Fuß.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt aus unfallchirurgischer Sicht 30 vH ab 1. 5. 2000.

Aus psychiatrisch-neurologischer Sicht besteht beim Kläger eine Belastungsreaktion, eine Sensibilitätsstörung im Versorgungsgebiet des Nervus peronaeus superficialis und peronaeus profundus rechts sowie eine Störung der Extension des Grund- und Endphalangen und des Fußes rechts.

Mit Bescheid vom 7. 3. 2000 hat die beklagte Partei für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 22. 6. 1998 ab 1. 5. 2000 eine Dauerrente von 30 vH der Vollrente (in Höhe von monatlich S 5.690,--) an Stelle der bis 30. 4. 2000 gewährten vorläufigen Versehrtenrente von 35 vH der Vollrente festgestellt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Zahlung einer Dauerrente im Ausmaß von mehr als 30 vH der Vollrente gerichtete Klagebegehren ab. Psychogene Störungen seien nur dann anzuerkennen, wenn ihnen der Betroffene widerstandslos ausgeliefert sei. Bei nicht so gravierender Ausprägung der psychogenen Symptomatik sei deren willentliche Bekämpfung und Unterdrückung und weitgehende Kompensation zumutbar. Somit liege "beim Kläger eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vH der Vollrente" vor.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Klagebegehren Folge zu geben. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Frage, inwieweit die Erwerbsfähigkeit des Versicherten aus medizinischer Sicht gemindert ist, gehört zum Tatsachenbereich (RIS-Justiz RS0086443, RS0043525) und ist im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar (SSV-NF 3/19, SSV-NF 11/130 uva). Diese medizinische Minderung der Erwerbsfähigkeit - im vorliegenden Fall 30 vH - bildet im Allgemeinen auch die Grundlage für die rechtliche Einschätzung, sofern nicht ein Abweichen unter besonderen Umständen geboten ist (SSV-NF 1/64 = SZ 60/262; SSV-NF 11/130; SSV-NF 11/154 ua). Ein Abweichen kommt aber nur bei Vorliegen eines Härtefalls in Frage (SSV-NF 1/64 = SZ 60/262; zuletzt 10 ObS 187/01z). Ein solcher wird allerdings in der Revision nicht aufgezeigt.

In der Berufung nicht gerügte Verfahrensmängel erster Instanz können - auch im Verfahren in Sozialrechtssachen - nicht mehr als Revisionsgrund geltend gemacht werden (SSV-NF 1/68; SSV-NF 5/120; SSV-NF 13/120 ua; RIS-Justiz RS0074223).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen. Allerdings ist die im seinerzeitigen Bescheid enthaltene, gemäß § 71 Abs 2 ASGG als unwiderruflich anerkannt anzusehende Leistungsverpflichtung in den Urteilsspruch aufzunehmen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Obzwar der Kläger mit seiner Revision nicht mehr erreichte als seinerzeit die beklagte Partei in ihrem Bescheid zugesprochen hatte, war die Einbringung der Revision im Ergebnis notwendig, da aufgrund dieses Rechtsmittels der urteilsmäßige Zuspruch der bereits im Bescheid der beklagten Partei zuerkannten Leistung erfolgte (SSV-NF 3/31, 7/46).

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