OGH 10ObS322/02d

OGH10ObS322/02d14.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Eveline Umgeher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Thomas Albrecht (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helga E*****, vertreten durch Dr. Werner Steinwender, Christian Mahringer, Mag. Guido Leitgeb, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Juni 2002, GZ 12 Rs 123/02y-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. Jänner 2002, GZ 18 Cgs 325/01d-5, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 25. 6. 1946 geborene Klägerin hat zum Stichtag 1. 7. 2001 427 Beitrags- und Ersatzmonate erworben.

Mit Bescheid vom 16. 8. 2001 lehnte die Pensionsversicherung der Angestellten den Antrag der Klägerin vom 21. 6. 2001 auf Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit der Begründung ab, dass Voraussetzung für die Zuerkennung der beantragten Leistung mit Vollendung des 55. Lebensjahres gemäß § 588 Abs 7 ASVG der Erwerb von 480 Beitragsmonaten sei.

Mit Urteil vom 23. 1. 2002 (= auch Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz) wies das Erstgericht das gegen diesen Bescheid erhobene, auf die Gewährung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab dem Stichtag 1. 7. 2001 gerichtete Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht folgte es dem von der beklagten Partei vertretenen Standpunkt. Gemäß § 223 iVm § 253b ASVG iVm der Übergangsbestimmung des § 588 Abs 6 Z 2 ASVG trete der Versicherungsfall des Alters bei Frauen mit Geburtsdatum vom 1. 4.1946 bis 30. 6. 1946 mit Vollendung des 666. Lebensmonats (= 55 Jahre und 6 Monate) ein. Da die Klägerin dieses Lebensalter erst am 25. 12. 2001 vollendet habe, sei der Versicherungsfall des Alters im Sinne einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG noch nicht eingetreten. Zum Stichtag 1. 7. 2001 habe die Klägerin im Übrigen auch nicht 480 Versicherungsmonate erworben, sodass sie auch nicht gemäß § 253b Abs 1 iVm § 588 Abs 7 ASVG die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer bereits mit Vollendung des 55. Lebensjahres in Anspruch nehmen könne. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte das Ersturteil im Umfang der Abweisung des Klagebegehrens auf Zahlung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer vom 1. 7. 2001 bis 31. 12. 2001 und hob das angefochtene Urteil im Umfang der darüber hinaus erfolgten Abweisung des Klagebegehrens ab 1. 1. 2002 mit der Begründung auf, dass die Anspruchsvoraussetzungen zum neuen Stichtag 1. 1. 2002 zu prüfen seien. In Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer für den Zeitraum 1. 7. 2001 bis 31. 12. 2001 teilte es die von der Klägerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Vertrauensschutz sei eine Regelung dann verfassungswidrig, wenn sie einen schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriff in erworbene Rechtspositionen vornehme, auf deren Bestand der Rechtsunterworfene berechtigterweise vertrauen habe dürfen. Dabei sei auch zu prüfen, ob besondere - im öffentlichen Interesse gelegene - Umstände vorlägen, die einen solchen Eingriff rechtfertigen könnten. Die schrittweise Anhebung des Anfallsalters für die vorzeitige Alterspension sei nach diesen Kriterien verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist. Wohl sei die Neuregelung relativ zügig mit einer vergleichsweise kurzen Übergangsfrist in Kraft getreten, doch erscheine der Eingriff in Abwägung mit den gesetzgeberischen Zielsetzungen, gemessen an der Eingriffsintensität, unter Anwendung der Übergangsbestimmungen unbedenklich. Es bestehe immerhin eine kurze Übergangsfrist; die sodann beginnende Erhöhung des Pensionsantrittsalters erfolge allmählich, auf zwei Jahre aufgeteilt, ab Oktober 2000 um lediglich eineinhalb Jahre. Bei gesundheitlicher Beeinträchtigung bestehe unabhängig vom Alter die Möglichkeit einer Pension aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit. Am Regelpensionsalter sei nichts geändert worden. Die vorzeitige Alterspension bilde nach der gesetzlichen Konzeption den Ausnahmefall, und auch zur Höhe der Pension sei eine entsprechende Übergangsbestimmung vorhanden.

Gegen die Abweisung des Begehrens auf Zahlung der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer vom 1. 7. 2001 bis 31. 12. 2001 richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin macht in ihren Revisionsausführungen ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier maßgebenden Bestimmungen des § 588 Abs 6 und Abs 7 ASVG iVm § 253b Abs 1 ASVG idF SRÄG 2000, BGBl I 2000/92, geltend. Diese Bestimmungen seien verfassungswidrig, weil sie gegen Art 7 B-VG und Art 2 StGG sowie Art 1 des 1. ZP EMRK verstießen, also gegen den daraus erfließenden Vertrauensschutz und gegen den Schutz der Unverletzlichkeit des Eigentums. Die Klägerin regt deshalb auch eine entsprechende Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens an.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seinem Urteil vom 12. 11. 2002, 10 ObS 206/02w, eingehend begründet, dass durch die allmähliche, auf zwei Jahre aufgeteilte Erhöhung des Pensionsantrittsalters bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab Oktober 2000 um insgesamt 18 Monate kein gleichheitsrechtlich unzulässiger Eingriff in bestehende Rechtspositionen oder eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums erfolge. Bei dieser Erhöhung sei durch Übergangsbestimmungen sichergestellt, dass sie zu keiner Verringerung der Höhe der Pensionen führe. Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof keinen Anlass zu der von der Klägerin angeregten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gesehen.

Dieser hat im Übrigen in seinem Erkenntnis vom 11. 12. 2002, G 186/02-10, G 187/02-10, G 202/02-8, veröffentlicht in ARD 5368/17/2002, keine Verfassungswidrigkeit in der ohne entsprechende Übergangsbestimmungen mit Artikel I Z 6 des Bundesgesetzes BGBl I 2000/43 (Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000 - SVÄG 2000) normierten Aufhebung des § 253d ASVG (vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit) gesehen. Angesichts des EuGH-Urteils vom 23. 5. 2000, Rs C-104/98 , Buchner, sei eine möglichst rasch wirksame Gesetzesänderung zur Beseitigung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit (aufgrund des geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Anfallsalters bei der Pensionsleistung nach § 253d ASVG) erforderlich gewesen. Auch bei weiblichen Versicherten, die zum Zeitpunkt der Aufhebung der Pensionsart "vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit" aufgrund der jahrelang unveränderten Rechtslage faktisch mit der Möglichkeit einer Zuerkennung dieser Pension bei Vollendung des 55. Lebensjahres (und nicht erst des 57. Lebensjahres unter deutlich erschwerten Voraussetzungen - § 255 Abs 4 ASVG idF SVÄG) hätten rechnen können, seien jene Schranken, die die Verfassung einem derartigen Eingriff setze, (noch) nicht verletzt worden.

Damit muss die ausschließlich auf verfassungsrechtliche Argumente gestützte Revision der Klägerin erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ZPO.

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