OGH 10ObS271/94

OGH10ObS271/946.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Friedrich Hötzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Stöcklmayer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Thomas N*****, ohne Beschäftigung, nunmehr *****, vertreten durch seinen Sachwalter Dr.Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juli 1994, GZ 34 Rs 23/94-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. November 1993, GZ 25 Cgs 166/93x-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der seinen ständigen Aufenthaltsort in Wien hatte, war seit 1.5.1990 in einem Hotel in Haldensee, Bezirk Reutte, als Hilfskellner beschäftigt. Seine vom Arbeitgeber beigestellte Unterkunft in einer Pension war etwa 500 bis 700 m von der Arbeitsstätte entfernt und mit dieser durch eine Straße verbunden, die am Unfallstag unbehindert befahrbar war. Der Kläger, der am 1.10.1990 Dienst gehabt hatte, hätte diesen am 2.10.1990 um 7.00 Uhr wieder antreten sollen. Gegen 7.00 Uhr lenkte er seinen Pkw auf der Tannheimer Bundesstraße 199 von Haller kommend in Richtung Haldensee. Kurz vor diesem Ortsgebiet beim Straßenkilometer 11,8, kam sein Fahrzeug von der Fahrbahn ab, durchstieß einen Holzzaun und prallte gegen einen Baum. Dadurch erlitt der Kläger ua schwere Kopfverletzungen. Die Unfallsstelle liegt auf einem "beträchtlichen Abweg" von der kürzesten Wegstrecke zwischen der damaligen Unterkunft und der damaligen Arbeitsstätte. Daß der Arbeitgeber den Kläger zu dieser Fahrt irgendwie veranlaßt hätte oder daß sich der Kläger damals auf einer Fahrt von Wien nach Haldensee befunden hätte, konnte nicht festgestellt werden.

Das Erstgericht wies das auf eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß gerichtete Klagebegehren mit der Begründung ab, daß sich der Unfall nicht auf dem kürzesten Weg zwischen der Unterkunft und der Arbeitsstätte ereignet habe und deshalb kein Arbeitsunfall iS des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, weil es die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Erstgericht teilte.

In der Revision macht der Kläger unrichtige rechtliche Beurteilung (der Sache) geltend; er beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung. Sie beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die gemäß § 46 Abs 3 ASGG zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Nach der stRsp des erkennenden Senates ist grundsätzlich nur der direkte Weg zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte versichert (SSV-NF 1/12; 2/55; 3/158; 4/67; 6/22 ua). Das wird in der Regel die streckenmäßig oder zeitlich kürzeste Verbindung zwischen dem Ausgangs- und dem Zielpunkt des Arbeitsweges sein, wobei der Versicherte zwischen diesbezüglich im wesentlichen gleichen Verbindungen frei wählen kann. Auf einem längeren Weg zur oder von der Arbeitsstätte besteht nur dann Versicherungsschutz, wenn der an sich kürzeste Weg unter Bedachtnahme auf das benützte private oder öffentliche Verkehrsmittel entweder überhaupt nicht (zB wegen einer Verkehrssperre) oder nur unter vor allem für die Verkehrssicherheit wesentlich ungünstigeren Bedingungen (zB Witterungs-, Straßen- und Verkehrsverhältnissen) benützt werden oder der Versicherte solche für die tatsächlich gewählte Strecke sprechende Bedingungen wenigstens annehmen konnte. Daher ist ein allein oder überwiegend im privatwirtschaftlichen Interesse gewählter Umweg nicht versichert (SSV-NF 3/158 mwN).

Nach den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen hat sich der Unfall vom 2.10.1990 nicht auf dem direkten Weg von der Unterkunft zur Arbeitsstätte ereignet. Der Kläger fuhr nämlich auf der Tannheimer Bundesstraße "von Haller kommend" (vermutlich) zur Arbeitsstätte. Aus welchen Gründen der Kläger damals "von Haller" und nicht von seiner Unterkunft aus zur Arbeitsstätte fuhr, konnte nicht festgestellt werden, insbesondere nicht, daß er von seinem Arbeitgeber zu dieser Fahrt irgendwie veranlaßt worden wäre oder daß er sich damals auf einer Fahrt von seinem ständigen Aufenthaltsort Wien nach Haldensee befunden hätte. Damit konnten objektive Gründe, die den Kläger veranlaßt haben könnten, vor dem Antritt der durch den Unfall beendeten Fahrt seine Wohnfunktionen außerhalb der ständigen Wohnung bzw seiner Unterkunft in der Nähe der Arbeitsstätte auszuüben, nicht bewiesen werden. Solche Gründe würden nämlich die Versicherung des von einem anderen Ort ausgehenden Weges zur Arbeitsstätte dann nicht ausschließen, wenn sie mit der versicherten Beschäftigung in einem inneren Zusammenhang stünden (zB SSV-NF 6/144; 7/36; 7/97 jeweils mwN). Da der Kläger diesbezüglich die objektive Beweislast zu tragen hat, gereicht es ihm zum Nachteil, daß die erwähnten Umstände nicht festgestellt werden konnten. Davon, daß der tatsächlich gewählte Weg aus der Richtung Haller nicht wesentlich länger gewesen sei als der dirkete Weg zwischen Unterkunft und Arbeitsstätte, kann nach den festgestellten örtlichen Umständen keine Rede sein. Daß die Unfallsstelle von der Arbeitsstätte (etwa) gleich weit entfernt ist wie die Unterkunft, ist nicht entscheidend.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß sich der Unfall des Klägers vom 2.10.1990 nicht auf einem mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung zusammenhängenden Weg zur Arbeitsstätte ereignet hat und daher kein Arbeitsunfall iS des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG ist. Aus diesem Grund hat der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Versehrtenrente.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte