Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird keine Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.5.1990, 35 Cgs 1/90-41 (bestätigt mit Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 25.9.1990, 5 Rs 128/90), wurde die beklagte Partei verpflichtet, der Klägerin für die Zeit vom 15.9.1987 bis 21.9.1988 (in der Wiederaufnahmeklage unrichtig: "1978") für die Folgen ihres Arbeitsunfalles vom 23.9.1978 eine Versehrtenrente im Ausmaß 20 vH der Vollrente zu gewähren; das Mehrgehren auf Gewährung einer Versehrtenrente für die Zeit ab 22.9.1988 wurde rechtskräftig abgewiesen.
Mit der am 30.5.1997 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Wiederaufnahme dieses Verfahrens. Im Vorverfahren sei der Entscheidung ein ärztliches Sachverständigengutachten zugrundegelegt worden, das unvollständig gewesen sei; insbesondere sei die Begutachtung durch einen neurologischen Sachverständigen unterblieben. Im Rahmen eines von der Klägerin gestellten Verschlimmerungsantrages sei nunmehr im Verfahren vor der beklagten Partei ein ärztliches Gutachten eingeholt worden, aus dem sich (abweichend von den im einleitend angeführten gerichtlichen Verfahren getroffenen Feststellungen) ergebe, daß gravierendere Unfallfolgen vorlägen, die auch schon zum Zeitpunkt dieses Vorverfahrens bestanden hätte. Daraus ergebe sich, daß die Feststellungen im Vorverfahren unrichtig gewesen seien. Diese neuen Gutachten seien dem Klagevertreter am 2.5.1997 zugestellt worden, sodaß die gesetzliche Klagefrist gewahrt sei.
Das Erstgericht wies nach Abführung einer mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme mit Urteil das Klagebegehren mit der - zusammengefaßten - Begründung ab, daß einerseits die allfällige Unrichtigkeit eines im Vorprozeß erstatteten Sachverständigengutachtens keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund bilde, und andererseits auch der neue Sachverständige Univ.Prof.Dr.R***** eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von nur 10 % (also in einem noch nicht rentenbegründenden Ausmaß) eingeschätzt habe, wie dies auch der Beurteilung im Verfahren 35 Cgs 1/90 für die Zeit ab 21.9.1988 entsprochen habe; das neue Beweismittel sei daher schon aus diesem Grunde nicht geeignet, ein für die Klägerin günstigeres Verfahrensergebnis zu ermöglichen.
Das über Berufung der Klägerin angerufene Oberlandesgericht Innsbruck gab der als Rekurs aufzufassenden Berufung gegen das als Beschluß aufzufassende Urteil keine Folge und bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung mit der Maßgabe, daß die Wiederaufnahmsklage zurückgewiesen werde. Das Rechtsmittelgericht schloß sich der Auffassung des Erstgerichtes an, daß die Wiederaufnahmsklage auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund, insbesondere nicht auf jenen des allein geltend gemachten § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützt werde; demgemäß wäre freilich die Klage im Vorprüfungsverfahren nach § 538 Abs 1 ZPO bzw, wenn dies erst später erkannt würde, gemäß § 543 ZPO durch Beschluß zurückzuweisen gewesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der auf die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahingehend abzuändern, daß ihrer Berufung (Rekurs) Folge gegeben und die Wiederaufnahme des Verfahrens 35 Cgs 1/90 des Landesgerichtes Feldkirch bewilligt und dem Erstgericht aufgetragen werde, das Verfahren wegen Versehrtenrente (Verschlimmerung ab 15.9.1987) neu durchzuführen und neuerlich zu entscheiden; des weiteren wird voller Kostenersatz nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG begehrt.
Die beklagte Partei hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist gemäß § 47 Abs 2 ASGG zulässig, jedoch nicht berechtigt. Es kann hiebei grundsätzlich genügen, auf die diesbezüglich zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Darüberhinaus ist noch folgendes zu ergänzen:
Der Tatbestand des allein geltend gemachten § 530 Abs 1 Z 7 ZPO setzt voraus, daß die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung in früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Voraussetzung ist also - wie ganz allgemein für die Wiederaufnahmsgründe -, daß in der vorangegangenen Entscheidung zu dem für sie maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Umstände unberücksichtigt geblieben sind. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Änderungen des Tatbestandes können hingegen keine Wiederaufnahmsklage, sondern nur entweder die neuerliche Geltendmachung eines vorher abgewiesenen Anspruches oder - im Falle einer Exekution - eine Oppositionsklage oder bei entsprechendem Interesse eine negative Feststellungsklage rechtfertigen (Kodek in Rechberger, ZPO, RZ 1 zu § 530; 4 Ob 2378/96a, 10 ObS 10/97m = SSV-NF 11/12 [im Druck]).
In den ebenfalls jeweils die Wiederaufnahme in Sozialrechtssachen betreffenden Fällen 10 ObS 2118/96k (SSV-NF 10/53) und 10 ObS 10/97m (SSV-NF 11/12 - im Druck) hat der Oberste Gerichtshof - in Anwendung der vorstehenden allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Wiederaufnahmsgklage im allgemeinen, zum Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO im besonderen - ausgesprochen, daß dieser Grund dann nicht vorliege, wenn sich ein Kläger (so wie auch hier) inhaltlich ausschließlich auf eine zu seinen Gunsten (gegenüber der Vorentscheidung) veränderte Entschätzung (der Unfallfolgen, der Invalidität oder dergleichen) durch spätere ärztliche Gutachten gegenüber jener im betroffenen Vorverfahren wendet; diesbezüglich besteht auch in Sozialrechtssachen keine gegenüber anderen (allgemeinen) Rechtssachen abweichende Ausnahme. Der Senat hat zwar in der bereits zitierten Entscheidung SSV-NF 10/53 (so wie auch etwa bereits der erste Senat zu 1 Ob 575/95) ausgeführt, daß eine Wiederaufnahmsklage auf den Nachweis gestützt werden könne, daß die jüngeren Gutachten (gegenüber den älteren im Vorverfahren) auf einer neuen wissenschaftlichen Methode basieren, die zum Zeitpunkt der Begutachtung im Hauptverfahren noch unbekannt war (so auch bereits SSV-NF 1/40 und 7/115); eine solche neue wissenschaftliche Methode hat jedoch die von Anfang anwaltlich vertretene Klägerin im gesamten Verfahren erster Instanz nie behauptet; die erst im Revisionsrekurs aufgestellte Behauptung, als eine solche neue Methode sei die vom späteren Sachverständigen Dr.R***** angewandte Computertomographie anzusehen, verstößt damit gegen das Neuerungsverbot (SSV-NF 1/45, 8/60 uva), wobei freilich hinzuweisen ist, daß auch diese Ausführungen (selbst bei verfahrensrechtlicher Beachtlichkeit) scheitern müßten, wird doch hiezu lediglich behauptet, daß diese (angeblich neue wissenschaftliche) Methode bloß vom Sachverständigen bei der der Vorbegutachtung, nicht angewendet wurde, nicht aber, daß sie damals überhaupt nicht zur Verfügung gestanden wäre; eine solche Behauptung könnte im übrigen wohl nicht ernstlich erhoben werden. Damit muß aber auch der dem Erstgericht (und dieses bestätigend auch dem Rekursgericht) gemachte Vorwurf, die Vorinstanzen hätten von Amts wegen prüfen müssen, ob das neue Gutachten des Sachverständigen Dr.R***** auf neuen wissenschaftlichen Methoden beruht, scheitern:
Wie der Oberste Gerichtshof in den zitierten Vorentscheidungen ausgesprochen hat, wäre es nämlich Sache der Wiederaufnahmsklägerin gewesen, diesen Nachweis zu erbringen, den sie jedoch in erster Instanz schon mangels diesbezüglich aufgestellter Prozeßbehauptung gar nicht angetreten hat. Demgemäß ist auch die geltend gemachte und dem Rekursgericht angelastete Mangelhaftigkeit nicht gegeben (§ 528a, 510 Abs 3 dritter SatzZPO, § 2 Abs 1 ASGG).
Wenn sich ein geltend gemachter Wiederaufnahmsgrund überhaupt unter keinen der im Gesetz angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen läßt, dann ist die Zurückweisung der Klage nach § 538 Abs 1 ZPO, ergibt sich dies jedoch erst bei der mündlichen Verhandlung, nach § 543 ZPO mit Beschluß gerechtfertigt. Dem Rechtsmittel der Klägerin konnte daher aus den vorstehenden Erwägungen kein Folge gegeben werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Für einen Kostenzuspruch aus Billigkeit besteht kein Anlaß. Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin handelt es sich um keinen rechtlich komplizierten Sachverhalt, zumal zu den im Verfahren und im Rechtsmittel relevierten Fragen eine ständige Judikatur des Höchstgerichtes vorliegt.
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