OGH 10ObS251/95

OGH10ObS251/9512.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag.Eva-Maria Sand (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Paul Binder (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien Christine H*****, Hausfrau, mj. Thomas H*****, geboren am 1.Jänner 1992, und mj. Philipp H*****, geboren am 16.Jänner 1994, alle ***** die Zweit- und Drittkläger gesetzlich vertreten durch die Erstklägerin, alle vertreten durch Rechtsanwälte Venus-Lienhart OEG in Fürstenfeld, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Hinterbliebenenrenten infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.August 1995, GZ 8 Rs 91/95-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24.März 1995, GZ 16 Cgs 443/94i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden von Amts wegen durch folgenden Ausspruch ergänzt:

"Der Beklagten wird aufgetragen, den Klägern bis zur Erlassung des(r) die Höhe der Witwenrente und der Waisenrenten festsetzenden Bescheide(s) folgende vorläufige Zahlungen zu erbringen: der Erstklägerin monatlich 1.000 S, den Zweit- und Drittklägern zu Handen der Erstklägerin monatlich je 1.000 S, und zwar die bis zur Rechtskraft dieses Urteils fälligen vorläufigen Zahlungen binnen vierzehn Tagen, die weiteren vorläufigen Zahlungen an jedem Monatsersten im vorhinein."

Die Beklagte hat den Klägern binnen vierzehn Tagen die einschließlich 777,95 S Umsatzsteuer mit 4.667,71 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Johann H*****, der Ehemann der Erstklägerin und Vater der beiden anderen Kläger, war geschäftsführender Gesellschafter und Angestellter der H***** Johann & Co GesmbH in J*****. Gegenstand dieses Unternehmens ist der Betrieb einer Autospenglerei und Lackiererei. Gegen Mittag des 10.3.1994 rief Gerhard B***** im Betrieb an. Er wollte sich erkundigen, ob der Pkw seines Vaters in der zweiten Aprilwoche mit Sicherheit repariert werden könnte und drängte auf eine diesbezügliche Zusage. H***** sagte dem Anrufer, er sei sehr in Eile, weil er wegfahren müsse und habe für eine nähere Erörterung keine Zeit. Er fragte, wo sich der Anrufer aufhalte und ob sie sich nicht treffen könnten. B***** antwortete, daß er gegen 19.30 Uhr in einem bestimmten Gasthaus in U*****, einer Nachbargemeinde von J*****, sein werde. H***** sagte, das treffe sich gut, er werde auch in dieses Gasthaus kommen. Die beiden Männer trafen zur vereinbarten Zeit in diesem Gasthaus zusammen. Beide gaben eine Weinprobe ab, die für eine Verkostung von Direktträgerweinen bestimmt war; diese sollte am kommenden Wochenende stattfinden; der Abend des 10.3.1994 war der letzte Termin zur Abgabe von Weinproben. H***** suchte das Gasthaus wegen der geschäftlichen Besprechung mit B***** auf. Den Wein gab er nur ab, weil er geschäftlich dort war. H***** hielt sich bis gegen 21.00 Uhr im Gasthaus auf. Seine geschäftliche Besprechung mit B***** dauerte etwa zehn bis zwanzig Minuten. Sie sprachen über die Reparatur des Fahrzeuges, die H***** verbindlich für die von B***** gewünschte Zeit zusagte. B***** schildete auch die Art des Fahrzeugschadens, weil er die ungefähren Reparaturkosten erfahren wollte. H***** nannte einen Preis zwischen 5.000 und 10.000 S. Das Fahrzeug wurde auch tatsächlich wie vereinbart repariert. Dann unterhielten sich die beiden Männer ua über die Jagd, die Weinherstellung und über Autoreparaturen. Vom Gasthaus in U***** fuhr H***** mit einem Wagen seines Unternehmens in Richtung des Betriebes,verunglückte aber etwa 1,5 bis 2 km vom Gasthaus entfernt tödlich.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte, im Sinne des Klagebegehrens den Klägern die gesetzlichen Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung nach dem am 10.3.1994 verstorbenen Johann H***** zu erbringen. Es beurteilte die Abgabe der Weinprobe in dem Gasthaus als gelegentlich der im betrieblichen Interesse durchgeführten Besprechung mitverrichtete private Erledigung. Für das Aufsuchen des Gasthauses habe das betriebliche Motiv vorgeherrscht. Der Unfallversicherungsschutz erstrecke sich auf Tätigkeiten im Zuge der Geschäftsanbahnung, der Kundenwerbung und ähnliche Tätigkeiten. Deshalb sei der Unfall ein Arbeitsunfall iS des § 175 Abs 1 ASVG. Den Hinterbliebenen stünden die gesetzlichen Leistungen zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es hatte keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und führte zur Rechtsrüge im wesentlichen aus: Es sei richtig, daß bei dem Aufenthalt im U***** Gasthaus auch Weinproben abgegeben wurden und auch über private Themen gesprochen wurde. Entscheidend sei jedoch nicht das zeitliche Überwiegen sondern allein der Umstand, daß der Aufenthalt dem Betrieb wesentlich gedient habe. Dies sei zu bejahen, zumal es bei der geschäftlichen Beprechung sogar zu einer Auftragserteilung gekommen sei. Es könne deshalb nicht gesagt werden, daß sich H***** aus weit überwiegenden eigenwirtschaftlichen Interessen in U***** aufgehalten hätte. Unter diesen Umständen sei auch sein Weg von dort zur Arbeitsstätte in einem inneren Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Tätigkeit gestanden.

In der Revision macht die Beklagte unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil durch Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Kläger erstatten eine Revisionsbeantwortung; sie beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch ohne die Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig; es ist jedoch nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes durch das Berufungsgericht ist richtig (§ 48 ASGG).

Der Versicherte verband zwar mit seiner geschützten Tätigkeit im U***** Gasthaus, nämlich der Besprechung der näheren Umstände einer Pkw-Reparatur, eigenwirtschaftliche Handlungen: die Abgabe einer Weinprobe und eine Unterhaltung über nicht geschäftliche Themen mit dem Kunden. "Gemischte" Tätigkeiten sind üblicherweise geschützt, wenn sie im Einzelfall dazu bestimmt sind, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen, nicht aber, wenn die beruflichen Interessen gegenüber den privaten so erheblich in den Hintergrund treten, daß sie nur eine "Gelegenheitsursache" für die Verrichtung der Tätigkeit sind (SSV-NF 3/150; 4/32; 5/10; 6/50; 7/79 und 106 ua; Tomandl, SV-System 7. ErgLfg 313f FN 35). Von letzterem kann aber nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes keine Rede sein. Danach suchte der Versicherte das Gasthaus in U***** wegen der geschäftlichen Besprechung mit B***** auf. Den Wein gab er nur ab, weil er geschäftlich dort war. Soweit die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, ist sie nicht gesetzgemäß ausgeführt.

Der von den Vorinstanzen unterlassene Auftrag nach § 89 Abs 2 ASGG ist gemäß § 90 Z 3 leg cit idF der ASGG-Nov 1994 in das Urteil des Revisionsgerichtes aufzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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