Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger bezieht von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft seit 1. 4. 1996 die Erwerbsunfähigkeitspension. Der Kläger schuldet der Wiener Gebietskrankenkasse aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts Salzburg vom 17. 6. 1994, 2 Cg 352/93a, rückständige Sozialversicherungsbeiträge von (richtig) 202.953,36 ATS (richtig: 14.749,20 EUR) zuzüglich (richtig) 10,5 % Verzugszinsen aus 162.941,75 ATS (11.841,44 EUR) seit (richtig) 30. 6. 1992 und Prozesskosten von 57.548,80 ATS (4.182,23 EUR). Dazu kommen noch 4 % aus den Prozesskosten sowie Exekutionskosten.
Die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft wurde von der Wiener Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 12. 12. 2001 ersucht, von der Aufrechnungsbestimmung des § 71 GSVG Gebrauch zu machen.
Mit Bescheid vom 21. 12. 2001 hat die beklagte Partei ausgesprochen, dass auf die Pension des Klägers ab Jänner 2002 ein monatlicher Betrag zur Deckung der offenen Forderung der Wiener Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt 365.895,11 ATS (26.590,63 EUR) zuzüglich Verzugszinsen aufgerechnet wird. Eine monatliche Abzugsrate ist nicht genannt. In der Bescheidbegründung ist der Hinweis enthalten, dass die Aufrechnung gemäß § 71 Abs 2 GSVG bis zur Hälfte der zu erbringenden Geldleistung zulässig ist.
Das Erstgericht wies das auf Abstandnahme von der Aufrechnung gerichtete Klagebegehren ab und sprach aus, dass die Aufrechnung der beklagten Partei ab 1. 1. 2002 zur Deckung der noch offenen Beitragsschulden des Klägers bei der Wiener Gebietskrankenkasse in der - nicht strittigen - Höhe von insgesamt 365.895,11 ATS (26.590,63 EUR) bis zur Hälfte der von der beklagten Partei monatlich zu erbringenden Geldleistung zulässig sei. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass die Bestimmung des monatlichen Aufrechnungsbetrags und die Festlegung der Höhe der monatlichen Rate im Entscheidungsbereich des Sozialversicherungsträgers lägen; dem Sozialgericht komme keine Befugnis zu, die monatlichen Raten selbst festzusetzen. Dabei seien allerdings die gesetzlichen Grenzen des § 71 Abs 2 GSVG einzuhalten, was auch im Urteilsspruch zum Ausdruck gebracht werde. Damit sei auch den Bestimmtheitsanforderungen Genüge getan.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sah die Mängelrüge nicht als ordnungsgemäß ausgeführt an und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass es innerhalb der Grenzen des § 71 Abs 2 GSVG dem alleinigen Ermessen des Sozialversicherungsträgers überlassen bleibe, die Höhe der Abzugsrate auf relativ niedrigem Niveau festzulegen. Eine bloße Bestimmbarkeit des zulässigerweise abzuziehenden Betrages reiche aus; eine betragsmäßige Bestimmung sei nicht notwendig. Im Gegenteil würde jede konkrete Festsetzung des Abzugsbetrags durch das Gericht unzulässigerweise in das allein dem Sozialversicherungsträger zustehende Ermessen eingreifen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, da - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage fehle, wie weit der Aufrechnungsbetrag im Bescheid bzw Urteil betragsmäßig bestimmt sein müsse.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
In der Revision nimmt die Klägerin den Standpunkt ein, der angefochtene Bescheid der beklagten Partei sei insoweit mangelbehaftet, als er keine ziffernmäßig bestimmte (maximale) Abzugsrate enthalte. Es könne nicht den Grundsätzen der Rechtssicherheit bzw "den Bestimmtheitserfordernissen verwaltungsgerichtlicher Bescheide entsprechen, wenn den Bescheidadressaten ein bloß abstrakter Verweis auf die Zulässigkeitsbestimmung des § 71 Abs. 2 GSVG mitgeteilt" werde. Der Kläger habe Anspruch auf einen ohne weitere Recherchen bzw Berechnungen erfass- und beurteilbaren Bescheid.
Rechtliche Beurteilung
Mit dieser Argumentation lässt der Kläger aber außer Acht, dass ein im Rahmen der sukzessiven Kompetenz eingeleitetes sozialgerichtliches Verfahren nicht dazu dient, das Verwaltungsverfahren vor dem Sozialversicherungsträger und die in diesem Verfahren erlassenen Bescheide zu überprüfen (SSV-NF 10/113 uva; RIS-Justiz RS0085569, RS0106394; Kuderna, ASGG2 § 65 Anm 2; Oberndorfer in Tomandl, SV-System 12. ErgLfg 658). Durch die Erhebung einer Bescheidklage tritt der angefochtene Bescheid im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft (§ 71 ASGG). Das sozialgerichtliche Verfahren stellt sich als ein eigenes, selbständiges Verfahren dar, in dem über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch zu entscheiden ist. Dabei kann es durchaus zu vom Verwaltungsverfahren abweichenden Ergebnissen kommen (SSV-NF 2/42).
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es dem alleinigen Ermessen des Sozialversicherungsträgers überlassen bleibt, die Höhe der Abzugsrate auf relativ niedrigem Niveau festzulegen (SSV-NF 7/100 = SZ 66/134; RIS-Justiz RS0084114, RS0110621). Dem Sozialgericht bleibt (nur) die Kompetenz, über die grundsätzliche Zulässigkeit der Aufrechnung von unstrittigen oder rechtskräftig festgestellten Beitragsschulden zu entscheiden (SSV-NF 3/66 = SZ 62/96), nicht aber im Fall einer zulässigen Aufrechnung die Höhe der Abzugsrate festzulegen; diesbezüglich ist dem Gericht die Möglichkeit der Überprüfung entzogen (SSV-NF 15/105 = ZIK 2002/24; 10 ObS 215/01t; vgl auch RIS-Justiz RS0115429 zur Revisionszulässigkeit).
Kann aber die Festlegung der Abzugsrate nicht bei Gericht angefochten werden, muss dies auch für den Fall gelten, dass vom Sozialversicherungsträger (noch) keine bescheidmäßige Festlegung der Höhe der Abzugsrate vorgenommen wurde.
Die in § 71 Abs 2 GSVG vorgesehene Begrenzung der Aufrechnung mit der Hälfte des Auszahlungsbetrages wurde bereits in den Spruch des an die Stelle des angefochtenen Bescheides getretenen erstgerichtlichen Urteils ausgesprochen.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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