OGH 10ObS246/92

OGH10ObS246/9213.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Fendrich (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter D*****, vertreten durch Dr.Charlotte Böhm und Dr.Erika Furgler, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Juni 1992, GZ 31 Rs 57/92-21b, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 20. November 1991, GZ 19 Cgs 136/90-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 16. 7. 1990 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 28.12.1989 auf Berufsunfähigkeitspension mangels Berufsunfähigkeit ab.

Die auf Gewährung der abgelehnten Leistung im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 1. 1990 gerichtete rechtzeitige Klage stützt sich im wesentlichen darauf, daß der Kläger, ein gelernter Maler und Anstreicher, der nach der Lehre zwei Jahre als Kraftfahrer und dann im Verkaufsaußendienst, zuletzt bei einer Versicherung gearbeitet habe, wegen Psoriasis (Schuppenflechte) nicht mehr im Außendienst tätig sein, wegen seines gesamten Leidenszustandes aber auch keine andere geregelte Tätigkeit ausüben könne.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Nach den Tatsachenfeststellungen kann der am 21. 4. 1943 geborene Kläger infolge seines seit der Antragstellung bestehenden, im einzelnen festgestelllten körperlichen und geistigen Zustandes, zu dem auch eine Schuppenflechte mit ua an beiden Handrücken bestehenden geröteten, infiltrierten, teils weißlich schuppenden Herden zählt, während der normalen Arbeitszeit bei Einhalten der üblichen Pausen leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen leisten, die keine feinmanipulatorischen Tätigkeiten der linken Hand verlangen. Er kann beidhändig mit Büromaterial umgehen und Büromaschinen bedienen, hat jedoch das Maschinschreiben nie erlernt. Seine Handschrift ist flüssig und leserlich. Handgeschicklichkeit und Fingerfertigkeit sind nicht beeinträchtigt. Er kann durchschnittliche Mengenleistungen ohne erhöhte Fehlerzahl erbringen, durchschnittlichem Zeitdruck ausgesetzt werden und den Arbeitsplatz erreichen. "Hinsichtlich der (erwähnten psoriatischen) Veränderungen an den sichtbaren Körperstellen (Handrücken) ist aus ästhetischer Sicht auf die Umgebung des Klägers Rücksicht zu nehmen. So sind Kundenbesuche zwecks Akquisition nicht zumutbar."

Der Kläger war zuletzt (seit 5. 4. 1988) als Außendienstmitarbeiter gemäß dem Kollektivvertrag für Angestellte bei Versicherungsunternehmen/Außendienst beschäftigt (NKS Bestandssteigerung, Unfall-Bestandssteigerung, Lebensversicherungsproduktion).

Ausgehend von dieser Tätigkeit kommen im erstgerichtlichen Urteil näher beschriebene Versicherungsangestelltentätigkeiten im Innendienst in Betracht, bei denen kein direkter Kundenkontakt besteht und Maschinschreiben nur betriebsspezifisch bzw überhaupt nicht notwendig ist. Dabei handelt es sich um Berufstätigkeiten, "bei denen der Berufsverlauf des Klägers zumindest teilweise verwertet werden kann" und eine innerbetriebliche Zusatzschulung von etwa zwei bis fünf Monaten zu veranschlagen ist.

"Kollektivvertragliche Einstufung: Verwgr III-IV (abhängig von

Wertigkeit des Einsatzes: bei Hilfstätigkeiten nur Verwgr II, bei

Sachbearbeitertätigkeit: Verwgr III-IV." Die angeführten Tätigkeiten kommen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausreichend vor.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes sei dem Kläger eine Verwendung im mit Kundenverkehr verbundenen Außendienst nicht mehr zumutbar, doch müsse er sich auf Versicherungsangestelltentätigkeiten im Innendienst verweisen lassen, wobei bei kurzer Zusatzschulung eine kollektivvertragliche Einstufung bis zur Verwendungsgruppe IV des Kollektivvertrages für Angestellte der Versicherungsunternehmen möglich sei. Deshalb sei der Kläger nicht berufsunfähig iS des § 273 ASVG.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.

Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und erachtete auch die Rechtsrüge als nicht berechtigt. Aus der Auskunft des letzten Dienstgebers gehe eindeutig hervor, daß der Kläger bei diesem Versicherungsunternehmen nicht als Gruppenleiter oder Organisationsleiter, sondern als "einfacher Vertreter" tätig gewesen sei. Daß er eine besondere kaufmännische Ausbildung genosssen habe, sei nicht aktenkundig. Außendienstmitarbeiter von Versicherungsunternehmen würden nach der Erfahrung des Berufungsgerichtes in der Regel einer kurzen betriebsinternen Ausbildung unterzogen. Solche Vertreter im Außendienst könnten auf die Tätigkeiten eines Büroboten oder einer Bürohilfskraft verwiesen werden. Da der Kläger über rein manipulative Tätigkeiten hinausgehende Büroarbeiten verrichten könne, bedeute eine solche Verweisung für ihn keinen sozialen Abstieg. Das Problem einer Zusatzschulung stelle sich für ihn gar nicht, weil eine solche für Bürotätigkeiten, zu denen der Kläger im Innendienst befähigt sei, gerichtsbekanntermaßen nicht erforderlich sei. Bei der Prüfung, ob ein Versicherter in der Lage sei, die Lohnhälfte zu erzielen, komme es nicht auf sein bisheriges Einkommen an. Es sei vielmehr das von ihm im Verweisungsberuf erzielbare Einkommen dem von einem gesunden Versicherten in diesem Beruf erzielbaren Einkommen gegenüberzustellen. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger im Verweisungsberuf zumindest das kollektivvertragliche Einkommen erzielen könne.

Dagegen richtet sich die nichtbeantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, die Urteile der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Der Kläger war seit April 1988 bei einer Versicherungsaktiengesellschaft in Wien beschäftigt, wobei sich aus dem Pensionsakt für das Jahr 1988 - bei einer Beschäftigung seit 5. 4. 1988 - eine Beitragsgrundlage von 135.133 S ohne Sonderzahlungen (Bl 12), für das Jahr 1989 eine Beitragsgrundlage von 123.312 S, Sonderzahlungen von 49.142 S und 13 Tage mit Teilentgelt (Bl 33) und für Jänner 1990 ein Gesamtbruttobezug von 8.134 S (davon 3.000 S Fixum, 875 S Einführungszulage, 9 S Provision, 1.500 S lim. Km-Geld und 2.750 S Jahresabschlußgratifikation (Bl 25) ergibt. Nach der erwähnten Gehaltsabrechnung für Jänner 1990 war der Kläger damals in das 2. DJ (Dienstjahr) eingestuft.

Der Kläger unterlag dem Kollektivvertrag für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmungen, der nach seinem § 1 Abs 1 lit c persönlich für hauptberufliche Angestellte gilt, die akquisitorisch oder organisatorisch im Außendienst tätig sind, und zwar auch dann, wenn sie fallweise eine andere Tätigkeit, wie etwa im Innendienst, im technischen Außendienst, in der Schadensliquidation oder der Inspektion und Intervention in Schadens- und Vertragsangelegenheiten ausüben. IdF der zit Stelle vom 23. 5. 1991 gilt der KV persönlich für hauptberufliche Angestellte, die akquisitorisch oder verkaufsorganisatorisch im Werbeaußendienst tätig sind. Nach § 2 Abs 1 dieses KV gelten für die in § 1 bezeichneten Angestellten die für den Innendienst jeweils in Kraft stehenden kollektivvertraglichen Vereinbarungen nicht.

Der Kollektivvertrag für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen gilt nach seinem § 1 Abs 1 lit c persönlich für Büroangestellte des Innendienstes und Kanzleigehilfen...., nach § 2 Abs 1 aber auch für Angestellte des Außendienstes, die vorwiegend für Schadensliquidation, Inspektion und Intervention in Schadens- und Vertragsangelegenheiten verwendet werden;.... Nach § 2 Abs 2 scheiden die nach Wirksamkeitsbeginn des vorliegenden KV vom Innendienst in den Außendienst übertretenden Angestellten mit dem Zeitpunkt des Übertrittes aus dem Geltungsbereich dieses KV aus, doch steht ihnen innerhalb von 2 Jahren das Recht zu, binnen angemessener Frist in den Innendienst zurückzukehren, wie auch die Direktion innerhalb der nämlichen Fristen berechtigt ist, die Rückberufung in den Innendienst zu verfügen.... Nach Abs 3 des zit § unterliegen Angestellte des Außendienstes nicht den Bestimmungen des vorliegenden KV, wenn sie im Laufe von drei aufeinanderfolgenden Jahren insgesamt nicht mehr als 18 Monate hindurch im Innendienst verwendet werden und diese Bürodienste zufolge vorhergehender ausdrücklicher Vereinbarung dem Zwecke der Schulung für den Außendienst gewidmet sind .... Gemäß § 4 Abs 1 werden nach ihrer Anstellung im Dienste des Unternehmens unterschieden: a) Büroangestellte, b) Kanzleigehilfen, ds Angestellte, die einfache oder mechanische Hilfsdienste leisten, wie beispielsweise Registraturarbeiten, Präge- und Druckarbeiten, Anmelde- und Bürobotendienst, etc....

Nach dem Gehaltsschema zum genannten KV idgF vom 11. 3. 1992 gebühren Büroangestellten der allgemeinen Bezugsklasse, beginnend vom 18. Lebensjahr in der Stufe 3 bis 26. 11. 130 S bis 25.610 S, in der besonderen Bezugsklasse in den Stufen IIa bis VIc 25.950 S bis 35.450 S. Kanzleigehilfen der allgemeinen Bezugsklasse, beginnend vom 18. Lebensjahr gebühren in den Stufen 3 bis 26 10.650 S bis 21.240 S, in der besonderen Bezugsklasse in den Stufen IIa bis VIc 21.240 S bis

27.440 S.

Nach den dargestellten Bestimmungen der beiden Kollektivverträge erweist sich die Revisionsbehauptung, daß diese Verträge eine Einordnung der Dienstnehmer in Verwendungsgruppen nicht kennen, wenn man von der Einteilung in Büroangestellte und Kanzleigehilfen und bei beiden Gruppen in die allgemeine und in die besondere Bezugsklasse im Gehaltsschema des KV für Angestellte des Innendienstes absieht, als richtig.

Damit ist aber für den Revisionswerber nichts gewonnen.

Aus den beiden Kollektivverträgen ergibt sich nämlich auch, daß es sich bei den Angestellten des Außendienstes und des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen um Personen handelt, die dann, wenn sie - wie der Kläger - vorwiegend zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellt waren, unabhängig von ihrer Verwendung im Außen- oder Innendienst, zur großen Berufsgruppe der kaufmännischen Angestellten gehören, auf deren Dienstverhältnis übrigens nach § 2 Abs 1 Z 2 AngG die Bestimmungen dieses Gesetzes Anwendung finden.

Da der Kläger das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist die Frage, ob er berufsunfähig ist, nicht nach § 273 Abs 3 ASVG, sondern nach Abs 1 dieser Gesetzesstelle zu prüfen. In diesem Fall darf ein Außendienstangestellter auf kaufmännische Innendiensttätigkeiten verwiesen werden, die von kaufmännischen Angestellten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgeübt werden, und zwar nicht nur in einer Versicherungsunternehmung, sondern auch in anderen Betrieben, die vergleichbare kaufmännische Angestellte beschäftigen. Jedenfalls aber darf ein im Außendienst gewesener Versicherungsangestellter auf Tätigkeiten eines Versicherungsangestellten im Innendienst verwiesen werden.

Obwohl für diese beiden Sparten eigene Kollektivverträge bestehen, handelt es sich bei den Versicherungsangestellten um eine Untergruppe von kaufmännischen Angestellten, die über eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen und auch ähnliche Tätigkeiten verrichten (vgl zB das vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsförderung verfaßte, vom BMAS herausgegebene Berufslexikon11, 2, Ausgewählte Berufe, 597).

Deshalb sehen die beiden Kollektivverträge zB auch eine teilweise Tätigkeit eines Angestellten des Außendienstes etwa im Innendienst, einen Übertritt vom Innendienst in den Außendienst sowie eine Rückberufung vom Außendienst in den Innendienst ausdrücklich vor.

Auch in Anbetracht der vom Kläger im Außendienst erzielten Einkünfte kann bei einer Verwendung im Innendienst von einem sozialen Abstieg keine Rede sein.

Unter diesen Umständen wurde der Kläger von den Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum auf eine seiner Arbeitsfähigkeit entsprechende Tätigkeit als Angestellter im Innendienst einer Versicherung verwiesen, weshalb er nicht als berufsunfähig iS des § 273 Abs 1 ASVG gilt.

Deshalb war der Revision nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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