Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 28.10.1963 geborene Klägerin hat 112 Versicherungsmonate, davon 47 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben; innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag (1.11.1994) liegen 47 Beitragsmonate der Pflichtversicherung.
Zufolge krankheitsbedingter Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit ist die Klägerin nur mehr in der Lage leichte und mittelschwere Arbeiten in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen zu leisten. Arbeiten unter dauerndem besonderen Zeitdruck (Band- und Akkordarbeiten) sind nicht mehr möglich, ebenso scheiden Arbeiten an erhöht exponierten Stellen aus. Die Klägerin ist nur für Arbeiten geeignet, die kein gutes Gehör erfordern; das Telephonieren für dienstliche Belange ist nicht möglich. Die Fingerfertigkeit ist erhalten, das Zurücklegen der Anmarschwege ist gewährleistet. Die Klägerin ist unterweisbar und kann eingeordnet werden.
Mit Bescheid vom 24.3.1994 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Invaliditätspension ab.
Das Erstgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Gewährung der Invaliditätspension ab dem Stichtag zu verpflichten, ab. Da die Klägerin als Hilfsarbeiterin tätig gewesen sei, sei die Frage der Invalidität auf der Grundlage des § 255 Abs 3 ASVG zu prüfen. Da die Klägerin auch unter Berücksichtigung der Einschränkungen ihrer Leistungsfähigkeit in der Lage sei, weiterhin verschiedene Hilfsarbeiten wie Sortier- und Verpackungsarbeiten in der Elektrowaren- und Kunststofferzeugung, Verpackungsarbeiten in Schuhfabriken, Hilfsarbeiten in der Handschuh- und Krawattenerzeugung zu verrichten und auch als Putzerin in einer Weberei tätig sein könne, seien die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht erfüllt.
In ihrer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung machte die Klägerin ua geltend, der Sachverhalt sei ungenügend erhoben worden. Tatsächlich habe sie in den letzten 15 Jahren vor der Antragstellung nicht nur als Hilfsarbeiterin gearbeitet, sondern sei 19 Monate Einzelhandelskaufmannslehrling gewesen, sei danach 11 Monate als Verkäuferin und danach 17 Monate als Hilfsarbeiterin (Küchengehilfin) tätig gewesen. Bei Zusammenrechnung der Zeiten, die die Klägerin als Einzelhandelskaufmannslehrling und als Verkäuferin erworben habe, ergebe sich, daß sie überwiegend in einem erlernten bzw angelernten Beruf gearbeitet habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und legte seiner Entscheidung die erstgerichtlichen Feststellungen zu Grunde. Da eine Tätigkeit in einem angelernten Beruf erst nach abgeschlossener Lehrausbildung ausgeübt werden könne, sei ein Lehrling (noch) nicht in einem angelernten Beruf tätig. Da die Lehrzeit nicht als Zeit einer qualifizierten Berufsausübung gewertet werden könne, käme der Klägerin selbst unter Zugrundelegung des von ihr behaupteten Berufsverlaufes Berufsschutz nicht zu. Ein Feststellungsmangel liege daher nicht vor.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Begehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Unterlassung der Parteienvernehmung der Klägerin war bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Ausführungen auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, daß ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates, daß auch in Sozialrechtssachen Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden können (SSV-NF 7/74 mwH uva). Dem Obersten Gerichtshof ist es daher verwehrt, auf die diesbezüglichen Ausführungen des Rechtsmittels einzugehen.
Die Klägerin vertritt in der Revision weiterhin den Standpunkt, unter Einrechnung der Lehrzeit ergebe sich ein Überwiegen ihrer Beschäftigung als Angestellte. Diese Tätigkeit sei qualifiziert im Sinne des § 255 Abs 2 ASVG; im Hinblick darauf, daß sie eine nicht unbeträchtliche Lehrzeit absolviert habe, sei davon auszugehen, daß sie in dieser Zeit einen angelernten Beruf ausgeübt habe. Da sie nicht mehr in der Lage sei, diese Tätigkeiten zu verrichten, seien die Voraussetzungen für die begehrte Leistung erfüllt.
Ob der Klägerin im Hinblick darauf, daß sie vorerst 19 Monate eine Kaufmannslehre zurücklegte, danach 11 Monate als Verkäuferin und schließlich 17 Monate als Hilfsarbeiterin tätig war, Berufsschutz als Angestellte zukommt oder ob sie im Rahmen des § 255 Abs 3 ASVG verweisbar ist, kann allerdings unerörtert bleiben. Die Klägerin läßt nämlich außer Acht, daß sie ausgehend vom festgestellten Leistungskalkül nicht nur in der Lage ist, die von den Vorinstanzen herangezogenen Verweisungsberufe als Arbeiterin auszuüben, sondern, daß sie durchaus im Stande ist, verschiedene ihr zumutbare Angestelltentätigkeiten auszuüben. Da die Klägerin ihre Lehre nicht abgeschlossen hat und nach Abbruch der Lehre nur 11 Monate als Verkäuferin tätig war, kann davon ausgegangen werden, daß sie keine Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hatte, die eine höhere Einstufung als in die Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrages rechtfertigte. Eine Verkäuferin, die eine Tätigkeit verrichtete, die keine besondere Qualifikation erforderte, kann aber im Rahmen des medizinischen Leistungskalküls auf sehr einfache Angestelltentätigkeiten mit vorwiegend manipulativen Beschäftigungen verwiesen werden. Dies ergibt sich aus der Erwägung, daß bei solchen einfachen Angestelltentätigkeiten die Ausbildung nur eine sehr geringe Rolle spielt, weshalb das für die Zugehörigkeit zur selben Berufsgruppe maßgebende Merkmale der ähnlichen Ausbildung keine Bedeutung hat und es nur auf die gleichwertigen Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt (SSV-NF 3/156).
Geht man von den allgemein bekannten Anforderungen an manipulative Büroarbeiten aus, so ergibt sich, daß schwere körperliche Arbeiten, Band- und Akkordarbeiten und Arbeiten an erhöht exponierten Stellen mit solchen Tätigkeiten nicht verbunden sind, so daß nur die durch das schlechte Gehör der Klägerin bedingten Einschränkungen einer Verweisung im Wege stehen könnten. Da aber eine Vielzahl von Angestelltentätigkeiten zur Verfügung steht, mit denen Telephonieren für dienstliche Belange nicht verbunden ist (Tätigkeiten im Postein- und -auslauf, Kanzleihilfstätigkeiten - SSV-NF 6/84; Tätigkeiten einer Fakturistin die nach vorbereiteten Unterlagen fakturiert, Hilfskraft in der Buchhaltung, Lohn- und Gehaltsverrechnung und Statistik, Ablagetätigkeiten - SSV-NF 4/72), wäre die Klägerin auch dann verweisbar, wenn man davon ausginge, daß sie durch ihre Angestelltentätigkeit Berufsschutz erworben hat und dieser bei der Prüfung der begehrten Leistung zu berücksichtigen wäre.
Es ergibt sich daher, daß die Klägerin in keinem Fall Anspruch auf Invaliditätspension hat. Die Prüfung der in der Revision relevierten Fragen war daher entbehrlich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und es ergeben sich auch keine Hinweise auf solche Gründe aus der Aktenlage.
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