Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 20. Jänner 1947 geborene und in Jugoslawien wohnhafte Kläger hat in Österreich im Zeitraum zwischen 1973 und 1981 90 Beitragsmonate und zwei Monate Ersatzzeiten erworben; ab 1982 weist er keine Versicherungszeiten in Österreich auf. In Jugoslawien hat der Kläger als Landarbeiter 174 Monate erworben, die innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag 1. 1. 2000 liegen.
Mit Bescheid vom 21. Juni 2000 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers vom 23. Dezember 1999 auf Zuerkennung der Invaliditätspension mangels Vorliegens von Invalidität ab.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung einer Invaliditätspension ab Antragstellung gerichtete Klagebegehren ab. Zur Erfüllung der Wartezeit seien 94 Versicherungsmonate nötig; der Kläger habe aber nur 92 erworben. Die in Jugoslawien erworbenen Versicherungszeiten seien nicht heranzuziehen, weil das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien außer Kraft getreten sei.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung, soweit Nichtigkeit geltend gemacht wurde, und gab ihr im Übrigen nicht Folge. Primär sei die Erfüllung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen. Da der Kläger die Wartezeit nicht erfüllt habe, erübrige sich ein Eingehen auf die behaupteten Leidenszustände eines Pensionswerbers. Das "neue" Sozialversicherungsabkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien könne erst nach seiner - bislang nicht vorliegenden - Ratifikation Rechtswirkungen herbeiführen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die in den Urteilen der Vorinstanzen enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).
Nach dem Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien wurde das Abkommen über soziale Sicherheit vom 19. November 1965 (BGBl 1966/289) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 19. März 1979 (BGBl 1980/81) und des zweiten Zusatzabkommens vom 11. Mai 1988 (BGBl 1989/269) zwischen der Republik Österreich und den jugoslawischen Nachfolgestaaten vorerst weiter angewendet. Im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien hat die Republik Österreich das Abkommen gemäß seinem Art 48 zum 30. September 1996 gekündigt (BGBl 1996/345 vom 19. Juli 1996).
Die Kündigung des Abkommens seitens der Republik Österreich hatte zur Folge, dass im Verhältnis zur Bundesrepublik Jugoslawien seit 1. Oktober 1996 im Bereich der sozialen Sicherheit keine bilateralen Beziehungen mehr bestehen. Die Frage, ob und in welcher Fassung ein Sozialversicherungsabkommen auf einen konkreten Fall Anwendung zu finden hat, ist ausgehend von der Rechtslage am Stichtag zu prüfen (SSV-NF 7/46 ua; RIS-Justiz RS0076166). Da der - im Hinblick auf das Datum der Antragstellung - für einen Leistungsanspruch des Klägers in Betracht kommende Stichtag 1. Jänner 2000 bereits nach dem Außerkrafttreten des AbkSozSi-Jugoslawien liegt, können die vom Kläger in Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeiten für die Beurteilung der Erfüllung der Wartezeit nicht herangezogen werden (vgl 10 ObS 20/00i = SSV-NF 14/22 [in Druck] mwN).
Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass das am 5. Juni 1998 unterzeichnete Abkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien über soziale Sicherheit bislang nicht ratifiziert wurde und daher (noch) nicht in Kraft steht. Eine bestimmte Verwaltungspraxis vermag an dieser Rechtslage nichts zu ändern. Auch aus dem Grundsatz der sozialen Rechtsanwendung oder aus allgemeinen Billigkeitserwägungen lässt sich ein Anspruch des Klägers, der die Wartezeit mit den von ihm in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 236 Abs 1 Z 1 lit b ASVG nicht erfüllt, nicht ableiten (vgl SSV-NF 6/91 und RIS-Justiz RS0084843).
Die Arbeits- und Sozialgerichte werden in Sozialrechtssachen grundsätzlich im Rahmen der durch die sukzessive Zuständigkeit vorgegebenen und begrenzten Entscheidungskompetenz tätig. Im Rahmen dieser sukzessiven Kompetenz ist es aber nicht die Aufgabe der Arbeits- und Sozialgerichte, die von den Sozialversicherungsträgern erlassenen und von den Versicherten bekämpften Bescheide im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens zu überprüfen, sondern die Entscheidung ist vom Gericht völlig neu und unabhängig vom Verwaltungsverfahren zu treffen (SSV-NF 7/30, 5/50, 2/42 mwN ua; Kuderna, ASGG2 Anm 1 zu § 67; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 7 ff und 492 f; Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System 9. ErgLfg 713 ua). Unabhängig von der Begründung des angefochtetenen Bescheides hatten die Vorinstanzen auch die Wartezeit zu prüfen und sie haben die Erfüllung dieser Voraussetzung zutreffend verneint.
Da die Vorinstanzen zu Recht die Voraussetzungen für die Erlangung einer Invaliditätspension ohne Eingehen auf die vom Kläger behaupteten Leidenszustände verneint haben, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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