Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin nahm vom 5. bis 9.7.1993 im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit als angestellte Pharmareferentin an einem von ihrer Dienstgeberin veranstalteten Mitarbeiterseminar in Rust am Neusiedlersee teil. Am 8.7.1993 war im Anschluß an das um 16.00 Uhr beendete Gesprächstraining bis 19.00 Uhr folgendes Rahmenprogramm vorgesehen: Eine Bootsfahrt von Rust zum gegenüberliegenden Ostufer des Neusiedlersees und von dort eine Kutschenfahrt zum Reiterhof M*****. Dort wurde den Seminarteilnehmern freigestellt, wie sie den Weg zu dem Illmitzer Gasthaus zurücklegen wollten, in dem um 19.00 Uhr ein für alle Teilnehmer verpflichtendes Abendessen stattfand. Die Klägerin und drei Kolleginnen wählten die Möglichkeit, vom Reiterhof zum Gasthaus zu reiten. Eine Vorreiterin sollte die Pferde zum Reiterhof zurückbringen. Während des Rittes wurde die Klägerin abgeworfen. Dadurch erlitt sie einen Speichenbruch rechts und einen Luxationsbruch des linken Handgelenks.
Mit Bescheid vom 12.10.1993 lehnte die Beklagte den Anspruch der Klägerin auf Leistungen gemäß § 173 ASVG aus Anlaß des Unfalls vom 8.7.1993 ab, weil sich der Unfall nicht im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung, sondern bei einem privaten Ausritt während einer versicherungsschutzfreien Phase einer betrieblichen Veranstaltung ereignet habe.
Das auf Feststellung, daß der Unfall vom 8.7.1993 ein Arbeitsunfall sei, und "Leistungen im gesetzlichen Ausmaß" gerichtete Klagebegehren stützt sich im wesentlichen darauf, daß auch das Rahmenprogramm am 8.7.1993 von 16.00 Uhr bis 19.00 Uhr für die Seminarteilnehmer verpflichtend gewesen sei, und daß die Erwerbsfähigkeit der Klägerin durch die Folgen des Unfalls um mindestens 20 vH gemindert sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Sie wendete ein, daß die Tagung am Unfallstag bereits um 16.00 Uhr geendet habe und daß die Teilnahme an dem folgenden Ausritt nicht mehr verpflichtend gewesen sei.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab.
Es traf folgende unbekämpft gebliebene weitere Tatsachenfeststellungen:
Im Zuge der Arbeitstagung wurde neben einem Arbeitsprogramm auch ein von der Dienstgeberin organisiertes Rahmenprogramm angeboten. Am 8.7.1993 dauerte die Tagung (das Arbeitsprogramm) von 9.00 bis 12.00 Uhr und nach der Mittagspause von 13.00 bis 16.00 Uhr. Für die Zeit von 16.00 bis 19.00 Uhr wurde ein Rahmenprogramm geboten. Die Dienstgeberin organisierte eine Bootsfahrt und eine Kutschenfahrt. Die Teilnahme am Arbeitsprogramm, an dem für 19.00 Uhr angesetzten Arbeitsessen in Rust (richtig: Illmitz) und an der Boots- und Kutschenfahrt waren verpflichtend. Die Kosten des "Ausrittes" hatten die Reiter selbst zu tragen. Im Tagungsprogramm war für den 8.7.1993 halber Spesenersatz vorgesehen. "Anläßlich dieses Ausrittes" wurde die Klägerin um etwa 18.30 Uhr vom Pferd abgeworfen.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes habe sich die Klägerin im Unfallszeitpunkt zwar grundsätzlich auf einem mit der Beschäftigung zusammenhängenden Weg zum Hotel in Rust (richtig: Gasthaus in Illmitz) befunden, wo das für die Tagungsteilnehmer verpflichtende Arbeitsessen stattgefunden habe. Der "Ausritt" sei jedoch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die diesen Zusammenhang gelöst habe. Das durch den Unfall verwirklichte Risiko sei kein Ausfluß der Betriebsgefahr, sondern einer in der Privatsphäre der Klägerin geschaffenen Gefahr. Der "Ausritt" sei auch nicht als betriebssportliche Veranstaltung, sondern als eine der Betriebsverbundenheit dienende Gemeinschaftsveranstaltung zu werten. Auch bei Tagungen gebe es nur der privaten Sphäre angehörende Verrichtungen, zu denen der "Ausritt" der Klägerin gehöre.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf, verwies die Rechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Nach seiner Rechtsansicht seien auch das Rahmenprogramm (Bootsfahrt und anschließende Kutschenfahrt) und das gemeinsame Arbeitsessen am 8.7.1993 als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen anzusehen, da sie von der Dienstgeberin veranstaltet und für alle Tagungsteilnehmer verpflichtend gewesen seien. Bei solchen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen bestehe ausschließlich auf den Wegen zum gemeinsamen Treffpunkt und auf dem Heimweg Versicherungsschutz. Ob sich die Klägerin zur Unfallszeit auf einem versicherten Weg befunden habe, lasse sich auf Grund der bisherigen Feststellungen nicht verläßlich beurteilen. Danach habe sich die Klägerin mit drei Kolleginnen zu einem "Ausritt" entschlossen, der das "***** R*****" zum Ziel gehabt hätte. Unter "Ausritt" werde ein kürzerer Ritt im Gelände, ein Spazierritt verstanden. Das vom Erstgericht festgestellte Ziel des "Ausritts" (***** R*****) stehe mit anderen Verfahrensergebnissen, nach denen das Arbeitsessen in einem Gasthof in Illmitz stattgefunden habe, im Widerspruch. Zur Beurteilung, ob ein unter Versicherungsschutz stehender Wegunfall vorliege, seien daher genaue Feststellungen über die näheren Umstände erforderlich, insbesondere über Zeitpunkt und Ort der Beendigung der Kutschenfahrt, den kürzesten Weg von dort zum Ort des Arbeitsessens, die Länge der Wegstrecke und den Unfallsort. Im Hinblick auf eine den Versicherungsschutz allenfalls ausschließende Gefahrerhöhung würden auch die Reitkenntnisse der Klägerin zu klären sein. Im fortgesetzten Verfahren werde auf eine Verbesserung des Leistungsbegehrens durch bestimmte Bezeichnung der begehrten Leistung zu dringen sein. Ein auf einen Arbeitsunfall gerichtetes Leistungsbegehren schließe das Eventualbegehren ein, daß die geltend gemachte Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls sei. Im Falle der Annahme eines Arbeitsunfalls würden auch Feststellungen über die Minderung der Erwerbsfähigkeit zu treffen sein. Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht damit, daß es zweckmäßig sei, die Rechtsansichten, der von der Klägerin bezahlte "Ausritt" habe als risikoreiche Sportausübung außerbetrieblichen privaten Interessen gedient, und selbst dann, wenn sich die Klägerin auf dem kürzesten Weg zum Arbeitsessen befunden hätte, wäre die Zurücklegung des Weges auf einem Pferd nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil die Mehrheit der Tagungsteilnehmer den Weg offenbar zu Fuß zurückgelegt habe, sofort vom Obersten Gerichtshof überprüfen zu lassen.
Die Beklagte bekämpft den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs. Sie macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil zu bestätigen.
Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung. Sie beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen (§ 175 Abs 1 ASVG).
Dem Berufungsgericht ist insoweit zuzustimmen, daß die unbestrittenen Tatsachenbehauptungen und die bisherigen Feststellungen noch keine verläßliche Beurteilung zulassen, ob der Unfall der Klägerin vom 8.7.1993 in dem nach der bezogenen Gesetzesstelle erforderlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung steht. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß der "Ausritt" der Klägerin ein Teil einer Gemeinschaftsveranstaltung, nämlich des sogenannten "Rahmenprogramms", war.
Der erkennende Senat führte in der E SSV-NF 6/117 aus, daß auch gemeinsames Schifahren während eines Betriebsausfluges nicht aus dem unfallversicherungsgeschützten Bereich fällt. Er bezog sich diesbezüglich auf Brackmann, Handbuch der SV II 72. Nachtrag 482r. Dieser vertritt unter Berufung auf aaO zit Rsp und Lehre die Ansicht, daß bei einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung alle Tätigkeiten unter Versicherungsschutz stehen, die mit dem Gesamtzweck der Veranstaltung vereinbar sind. So diene zB ein Betriebsausflug auch der körperlichen Entspannung und Erholung. Nehme deshalb ein Betriebsangehöriger die ihm gebotene Gelegenheit zum Baden wahr und verunglücke er dabei, so handle es sich um einen Arbeitsunfall. Ebenso würde eine sportliche Veranstaltung vom Versicherungsschutz umfaßt, und zwar nicht nur, wenn sie dem körperlichen Ausgleich diene, sondern auch wenn sie spielerischen Charakter habe. Die sportliche Betätigung müsse sich aber im Rahmen und nicht nur gelegentlich des Betriebsausflugs vollziehen. Dabei sei zwar nicht stets erforderlich, daß sie vom Veranstalter dieses Ausflugs organisiert sei; der Versicherungsschutz könne auch bei einer auf der Initiative eines oder einiger Teilnehmer veranlaßten sportlichen Betätigung bestehen. Betätige sich ein Teilnehmer aber aus eigenem Antrieb wesentlich allein zum eigenen Vergnügen außerhalb der gemeinsamen Veranstaltung (zB mit Drachenfliegen), so bestehe in der Regel kein wesentlicher Zusammenhang mit der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Es sei unerheblich, ob nur einer oder mehrere Betriebsangehörige die ihnen gebotene Gelegenheit wahrgenommen hätten. Da eine gewisse Ausgelassenheit den Teilnehmern an einer Betriebsveranstaltung mitunter eigen sei, dürfe ein Arbeitsunfall nicht schon deshalb ausgeschlossen werden, weil sich der Unfall bei einer von Erwachsenen sonst nicht geübten Spielerei ereignet habe, zB beim Fahren im Stehen mit einem als "Seifenkiste" bekannten, selbst gebauten Kinderspielauto.
In diesem Zusammenhang wird aber auch auf die E des erkennenden Senates SSV-NF 6/115 hingewiesen. Auch danach ist unter Berücksichtigung der Zwecke und Ziele von Betriebsausflügen zweifellos auch sportliche Betätigung vom Versicherungsschutz umfaßt. Dieser Rahmen wird aber überschritten, wenn mit der Betätigung eine nicht unbeträchtliche Gefahr verbunden ist, die das übliche Risiko, das mit derartigen (Betriebs)Veranstaltungen verbunden ist, wesentlich übersteigt (damals Wildwasserrafting).
Bei Zugrundelegung dieser Rechtsausführungen bedarf es ergänzender Feststellunen hinsichtlich der näheren Gestaltung des gesamten "Rahmenprogramms" am Unfallstag, über die näheren Umstände des "Ausrittes" der Klägerin, insbesondere auch über die zur Beurteilung der damit verbundenen Gefahren erforderlichen Umstände, allenfalls auch über die durch die Folgen des Unfalls bewirkte Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Der Aufhebungsbeschluß ist daher zu bestätigen.
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf dem nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.
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