OGH 10ObS2004/96w

OGH10ObS2004/96w12.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mario Medjimorec (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margarete P*****, Pensionistin, ***** vertreten durch ihre Sachwalterin Mag.Brigitte D*****, Verein für Sachwalterschaft in K*****, diese vertreten durch Dr.Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses und Pflegegeldes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Oktober 1995, GZ 8 Rs 120/95-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 26.Juni 1995, GZ 34 Cgs 180/93d-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG). Der Oberste Gerichtshof hat in der einen vergleichbaren Fall betreffenden Entscheidung vom 22.8.1995, 10 ObS 91/95 (unveröffentlicht) folgendes ausgeführt:

"Gemäß § 4 EinstV ist die Anleitung und Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in den §§ 1 und 2 EinstV angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe selbst gleichzusetzen. Die betroffene Person ist hier zwar rein physisch in der Lage, die in Frage kommenden Verrichtungen zu besorgen, kann dies aber wegen einer im psychischen Bereich liegenden Behinderung nur unter Anleitung und unter Aufsicht einer Betreuungsperson besorgen. Die Bestimmung hat Fälle im Auge, in denen die Anwesenheit der Betreuungsperson während der Verrichtung erforderlich ist (arg "Anleitung und Beaufsichtigung ..... bei der Verrichtung"). Nur in diesem Fall erklärt sich die Regelung der Verordnung, daß die Anleitung und Beaufsichtigung mit dem für die Verrichtungen in den §§ 1 und 2 bestimmten Zeitwert gleichzusetzen ist.

Im vorliegenden Fall bedarf die Klägerin der Anwesenheit einer Betreuungsperson während der Vornahme der Verrichtungen nicht. Erforderlich ist nur dreimal wöchentlich ein einstündiges Gespräch, in dem die Klägerin auf alle notwendigen Tätigkeiten zur Pflege ihrer Person und zur Instandhaltung des Haushaltes hingewiesen wird; die dabei erörterten Verrichtungen besorgt sie dann durch 2 Tage selbständig, ohne daß sie einer Aufsicht bedarf. Diese Gespräche und Hinweise entsprechen nicht dem Tatbestandsmerkmal der "Anleitung und Beaufsichtigung" im Sinne des § 4 EinstV, sondern stellen sich vielmehr als eine Form der psychischen Betreuung der Klägerin dar. Sie dienen dazu, der Klägerin, bei der eine Antriebsschwäche besteht, den Rahmen der notwendigen Tätigkeiten vorzugeben, wobei der notwendige Zeitaufwand im Verhältnis zu dem für die Verrichtungen selbst erforderlichen Zeitaufwand relativ gering ist. § 4 EinstV ist daher auf diesen Fall nicht anwendbar.

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist gemäß § 4 Abs 5 BPGG ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates nähere Bestimmungen für die Beurteilung des Pflegebedarfes durch Verordnung festzulegen. Die Verordnung kann insbesondere festlegen: 1. eine Definition der Begriffe "Betreuung" und "Hilfe", 2. Richtwerte für den zeitlichen Betreuungsaufwand, wobei verbindliche Mindestwerte zumindest für die tägliche Körperpflege, die Zubereitung und das Einnehmen von Mahlzeiten sowie für die Verrichtung der Notdurft festzulegen sind, 3. verbindliche Pauschalwerte für den Zeitaufwand der Hilfsverrichtungen. ...... Diese Bestimmung gibt dem Bundesminister für Arbeit und Soziales den Regelungsumfang der Verordnung vor, doch ergibt sich hieraus nicht, daß sämtliche denkbaren Verrichtungen von der Verordnung erfaßt sein müssen, daß diese sohin die einzige Grundlage für die Beurteilung des Pflegeaufwandes bildet. So führt etwa auch Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich, 183 dazu aus, daß für die meisten Verrichtungen im Rahmen der Betreuung und für alle Hilfsverrichtungen Vorgaben hinsichtlich des dafür jeweils zu veranschlagenden zeitlichen Ausmaßes getroffen wurden; er räumt damit ein, daß Betreuungsmaßnahmen denkbar sind, die von der Regelung der Verordnung nicht erfaßt sind und diese damit nicht erschöpfend ist. Die Gesetzesmaterialien (776 BlgNR 18.GP, 26) weisen darauf hin, daß die Festlegung von Pauschalwerten für den Zeitaufwand unbedingt erforderlich sei, da eine Prüfung im Einzelfall verwaltungstechnisch zu aufwendig und damit kaum administrierbar wäre. Da das Pflegegeld außerdem nur der teilweisen Abdeckung des pflegebedingten Mehraufwandes diene, erscheine überdies schon aus diesem Grund eine Pauschalierung sachlich gerechtfertigt. Durch die Pauschalierung solle auch eine einheitliche Entscheidungspraxis im gesamten Bundesgebiet sichergestellt werden. Auch die Gesetzesmaterialien bieten daher keinen Hinweis darauf, daß die EinstV eine abschließende Regelung für alle Betreuungsfälle vorzunehmen hätte. Die dort dargestellten Motive für die getroffene Regelung lassen eher den Schluß zu, daß die gängigsten, häufigsten Fälle des Betreuungsaufwandes der Pauschalierung unterworfen werden sollen, um die Erledigung der Masse der Fälle nach einer einheitlichen Leitlinie sicherzustellen. Dies schließt aber nicht aus, daß in einzelnen Fällen, in denen ein spezifischer Betreuungsaufwand anfällt, der sich vom üblichen unterscheidet, dessen Umfang konkret zu ermitteln ist.

Wurden durch die EinstV für eine bestimmte Betreuungsverrichtung Pauschalwerte nicht festgelegt, so ist daher der tatsächlich notwendige Zeitaufwand zu ermitteln und in Anschlag zu bringen. Hier steht fest, daß die Klägerin dreimal wöchentlich eines Betreuungsgespräches von einer Stunde bedarf. Der Zeitaufwand beträgt daher auf ein Monat berechnet etwa 12 Stunden. Dieser Wert ist bei Prüfung des geltend gemachten Anspruches zugrunde zu legen."

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Klägerin einen Pflegebedarf von nur 15 Stunden monatlich hat. Damit erfüllt sie weder die Voraussetzungen nach dem alten § 105 a ASVG noch die nach § 4 BPGG.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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