OGH 10ObS17/92

OGH10ObS17/9211.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Köck (Arbeitgeber) und Mag.Karl Dirschmied (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz R*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. August 1991, GZ 32 Rs 119/91-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11.März 1991, GZ 15 Cgs 216/90-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Pensionversicherungsanstalt der Arbeiter vom 10.9.1990 wurde der Antrag des Klägers vom 24.4.1990 auf Gewährung des Hilflosenzuschusses abgelehnt.

Das Erstgericht wies das auf Gewährung des Hilflosenzuschusses im gesetzlichen Ausmaß ab 24.4.1990 gerichtete Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der am 27.4.1922 geborene Kläger, der sich in einem Pflegeheim befindet, leidet an einem organischen Pschosyndrom bei einer primär unterbegabten Persönlichkeit. Er kann sich allein an- und ausziehen und sich waschen. Er kann den Wohnraum oberflächlich instandhalten, einfache Speisen zubereiten und vorgefertigte Speisen aufwärmen oder Tiefkühlkost zubereiten. Er kann einen Ofen warten und die kleine Leibwäsche waschen. Das Einholen von Nahrungsmitteln aus einem nahegelegenen Geschäft ist ihm möglich, nicht jedoch das selbständige Durchführen einer Bevorratung. Zu den Verrichtungen des täglichen Lebens ist Anleitung und Überwachung nötig; eine solche kann mit etwa 1 Stunde täglich angenommen werden.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Kläger zu sämtlichen lebensnotwendigen Verrichtungen allein in der Lage sei. Er bedürfe einer Anleitung und Überwachung, die aber auch nicht ständig und ununterbrochen vorzunehmen sei: er könne mit einer solchen Anleitung von etwa 1 Stunde täglich das Auslangen finden. Unter Anwendung des § 273 ZPO und unter Hinweis darauf, daß für den niederösterreichischen Raum ein Stundensatz von etwa 70 S für das Beistellen der Hilfsperson angenommen werden könne, gelange man dazu, daß die täglich notwendige Anleitung von etwa 1 Stunde durch eine Fremdperson den Kläger nicht so viel kosten würde wie die Höhe des Hilflosenzuschusses ausmache.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Zwar sei dem Kläger nicht zuzumuten, nur einfachste Speisen und ausschließlich aufgewärmte Speisen zu sich zu nehmen. Für eine dem allgemeinen Standard angepaßte menschengerechte Lebensführung sei zumindest einmal täglich die Einnahme einer ordentlich gekochten Mahlzeit erforderlich. Zu einer ordentlichen Mahlzeit zählten aber auch in großer Vielfalt angebotene handelsübliche Tiefkühlkost oder Konserven, die nur gewärmt werden müssen. Die Verwendung solcher Speisen sei dem Kläger, wenn auch nicht ständig, so doch in größerem Umfang zuzumuten, sodaß fremde Hilfe zum Kochen nur im Abstand von mehreren Tagen erforderlich sei. Die von der Berufung angestellte Berechnung eines Stundesatzes von 75 S erscheine verfehlt, sondern es sei ein solcher von 70 S zugrundezulegen. Bei Berücksichtigung dieses Stundensatzes werde der Hilflosenzuschuß nicht erreicht.

Rechtliche Beurteilung

Die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache gestützte Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Aus den Feststellungen, daß der Kläger zwar selbst Nahrungsmittel einkaufen, jedoch eine Bevorratung nicht selbst durchführen könne, wird in der Revision der Schluß gezogen, daß er zumindest an Sonn- und Feiertagen insoweit auf fremde Hilfe angewiesen sei, als er an diesen Tagen nicht einkaufen und deshalb ohne fremde Hilfe keine Nahrung zu sich nehmen könnte. Es sei auch nicht festgestellt worden, welcher Aufwand erforderlich sei, die Bevorratung durchzuführen und zu überwachen. Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Der Kläger bedarf nach den Feststellungen etwa täglich 1 Stunde lang einer Anleitung und Überwachung hinsichtlich der Verrichtung des täglichen Lebens. Zu diesen Verrichtungen gehört nicht nur das Zubereiten einfacher Speisen, sondern auch das Einkaufen und Herbeischaffen von Nahrungsmitteln. Da dem Kläger das Einholen von Nahrungsmitteln aus einem nahegelegenen Geschäft an sich möglich ist, genügt es an Wochenenden oder vor Feiertagen, an denen Lebensmittelgeschäfte geschlossen halten, daß die Hilfsperson den Kläger zum Einkauf eines gewissen Lebensmittelvorrates (für Sonn- und Feiertage) anleitet (etwa in Form einer Einkaufsliste) und ihn insoweit überwacht. Die für solche Anleitung und Überwachung aufzuwendende Zeit ist bei der Feststellung des täglichen Hilfebedarfs von 1 Stunde bereits ausreichend berücksichtigt. Die bloße Unfähigkeit des Klägers zur selbständigen Bevorratung von Nahrungsmitteln kann daher einen höheren Betreuungsaufwand nicht rechtfertigen.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung des Hilflosenzuschusses nach § 105 a ASVG nicht erfüllt, weil der monatliche Betreuungsaufwand hinter dem begehrten Hilflosenzuschuß zurückbleibt, ist zutreffend. Der Revisionswerber führt gegen diese Beurteilung - abgesehen von der oben behandelten Unfähigkeit des Klägers zu einer selbständigen Bevorratung - auch keine weiteren Argumente ins Treffen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Da der Kläger im Revisionsverfahren durch einen im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt vertreten ist, wird er mit Kosten dieses Verfahrensabschnittes nicht belastet, sodaß schon deshalb zu einem Kostenzuspruch aus Billigkeit keine Veranlassung besteht (SSV-NF 1/19, 2/29, 2/27 uva).

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