OGH 10ObS170/95

OGH10ObS170/9517.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropftisch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Robert Letz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmuth Prenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karoline F*****, vertreten durch Dr.Michael Mülner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Witwenpension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.Juni 1995, GZ 8 Rs 52/95-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.Dezember 1994, GZ 35 Cgs 211/94x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Das Klagebegehren, die Beklagte habe der Klägerin ab 22.9.1994 die Witwenpension (nach dem am 21.4.1986 verstorbenen geschiedenen Ehegatten Julius F*****) im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen, wird als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt.

Dem beklagten Versicherungsträger wird aufgetragen, der Klägerin für die Zeit vom 22.9.1994 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 1.650 S monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung fälligen vorläufigen Zahlungen binnen vierzehn Tagen, die weiteren am Monatsersten im vorhinein.

Die Beklagte hat der Klägerin binnen vierzehn Tagen die einschließlich 1.580,48 S Umsatzsteuer mit 9.482,88 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die einschließlich 1.127,04 S Umsatzsteuer mit 6.762,24 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die einschließlich 676,48 S Umsatzsteuer mit 4.058,88 S bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 21.6.1994 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Antrag der Klägerin auf Witwenpension nach dem am 21.4.1986 verstorbenen Versicherten Julius F*****, dem geschiedenen Ehegatten der Klägerin, ab.

Das Begehren der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage richtet sich auf die Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß ab "Klagstag". Der frühere Ehegatte der Klägerin habe vertraglich eine Unterhaltsverpflichtung übernommen und auch Unterhalt geleistet.

Die Beklagte bestritt dies und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen, die vom Berufungsgericht übernommen wurden:

Die Klägerin war mit Julius F***** seit 27.5.1939 verheiratet. Im April 1974 verreiste sie nach Kanada, um im Haushalt ihrer Tochter und deren Familie behilflich zu sein und um ihrem Ehemann zu entfliehen. Die Ehe befand sich damals in einem schlechten Zustand. Deshalb und zur leichteten Erlangung der kanadischen Aufenthaltsbewilligung brachte sie in Kanada eine mit einem Unterhaltsbegehren verbundene Scheidungsklage ein. Mit einem vorläufigen Scheidungsurteil des Obersten Gerichtshofes von Alberta vom September 1976 wurde entschieden, daß die Ehe geschieden wird und die Scheidung nach Ablauf einer Frist von drei Monaten endgültige Wirksamkeit erlangt, wenn nicht zwischenzeitig triftige entgegenstehende Gründe geltend gemacht werden. Unter einem wurde Julius F***** verpflichtet, der Klägerin ab 1.10.1976 einen monatlichen Unterhalt von 100 kanadischen Dollar zu leisten. Die Klägerin stellte in Österreich keinen Antrag auf Anerkennung des kanadischen Scheidungsurteils. Sie war immer nur österreichische Staatsbürgerin. Ende Juli 1976 brachte der Ehemann beim Landesgericht Klagenfurt eine auf böswilliges Verlassen gestützte Scheidungsklage ein. Mit spätestens am 3.10.1978 rechtskräftig gewordenem Urteil dieses Gerichtshofes vom 14.12.1977, 23 Cg 292/76 wurde die Ehe aus beiderseitigem, aber überwiegendem Verschulden der Ehefrau geschieden. In diesem Verfahren wurde keine Unterhaltsentscheidung getroffen und auch kein (Unterhalts)Vergleich geschlossen. Von Mai 1974 bis etwa 1980, jedenfalls aber bis zur Rechtskraft des österreichischen Scheidungsurteils leistete Julius F***** der Klägerin keinen Unterhalt. Die Ehegatten trafen vor der Scheidung auch keine Vereinbarung über eine nacheheliche Unterhaltsleistung. Als von Scheidung noch keine Rede war, gab es eine Unterhaltsvereinbarung, nach der der Ehemann seiner Frau monatlich 2.000 S zahlte. Etwa im Jahre 1980 versöhnten sich die geschiedenen Ehegatten. Sie schlossen eine mündliche Unterhaltsvereinbarung, nach der der geschiedene Ehemann der Klägerin bis zu seinem Tod jährlich rund 20.000 S an Unterhalt leistete. Im Jahre 1994 kehrte die Klägerin nach Östereich zurück.

Unter den festgestellten Umständen verneinte das Erstgericht den eingeklagten Anspruch auf Witwenpension nach § 258 Abs 4 ASVG (in der am Stichtag, dem 1.5.1986, geltenden Fassung).

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin ua deshalb nicht Folge, weil es die Rechtsansicht des Erstgerichtes teilte.

In der Revision macht die Klägerin unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässige Revision ist berechtigt.

Nach § 258 Abs 4 lit d ASVG in der seit 1.7.1993 geltenden Fassung der 51. ASVGNov BGBl 1993/335 gebührt die Pension nach Abs 1 nach Maßgabe der Abs 2 und 3 auch der Frau, deren Ehe mit dem Versicherten ... geschieden worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) zu leisten hatte bzw Unterhalt geleistet hat, und zwar regelmäßig zur Deckung des Unterhaltsbedarfs ab einem Zeitpunkt nach der Rechtskraft der Scheidung bis zu seinem Tod, mindestens während der Dauer des letzten Jahres vor seinem Tod, wenn die Ehe mindestens zehn Jahre gedauert hat, sofern und solange die Frau nicht eine neue Ehe geschlossen hat.

Personen, die erst auf Grund des § 258 Abs 4 lit d ASVG in der zit Fassung Anspruch auf eine Leistung aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG erhalten, gebührt diese Leistung nach § 551 Abs 4 leg cit ab 1.7.1993, wenn der Antrag bis zum 30.6.1994 gestellt wird, sonst ab dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten....

Dem Berufungsgericht ist zwar insoweit zuzustimmen, daß der Versicherungsfall im vorliegenden Fall mit dem Tod des Versicherten am 21.4.1986 eingetreten ist (§ 223 Abs 1 Z 3 ASVG). Stichtag für die Feststellung, ob, in welchem Zweige der Pensionsversicherung und in welchem Ausmaß die eingeklagte Leistung der Witwenpension gebührt, ist daher nach Abs 2 leg cit der 1.5.1986. Die durch die 51. ASVGNov geänderte Fassung des § 258 Abs 4 ASVG gilt jedoch nach der wiedergegebenen Übergangsbestimmung des § 551 Abs 4 leg cit auch für Versicherungsfälle mit einem Stichtag vor dem 1.7.1993. Daher würde die bescheidmäßige Ablehnung eines Antrages auf Grund der früheren Fassung des § 258 Abs 4 ASVG einer neuerlichen Entscheidung nicht entgegenstehen (so auch MGA ASVG 56. ErgLfg 1333 FN 5a letzter Abs).

Auf Grund des § 258 Abs 4 lit d ASVG idF der 51. ASVGNov hat die Klägerin Anspruch auf die begehrte Witwenpension: Ihre Ehe hat mindestens zehn Jahre gedauert. Der geschiedene Ehemann hat ihr seit etwa 1980, also ab einem Zeitpunkt nach der spätestens am 3.10.1978 eingetretenen Rechtskraft der Scheidung, bis zu seinem Tod am 21.4.1986 regelmäßig 20.000 S jährlich zur Deckung des Unterhaltsbedarfs geleistet.

Nach § 551 Abs 4 ASVG würde der Klägerin die Witwenpension bereits ab 1.7.1993 gebühren, weil der diebezügliche Antrag bis zum 30.Juni 1994 gestellt wurde. Da die Leistung in der Klage nur ab dem "Klagestag" (22.9.1994) begehrt wird, kann sie nur ab diesem Tag zuerkannt werden.

Das auf eine Geldleistung gerichtete, dem Grunde und der Höhe nach bestrittene Klagebegehren ist somit ab 22.9.1994 in einer zahlenmäßig noch nicht bestimmten Höhe gerechtfertigt. Das Revisionsgericht kann den Rechtsstreit daher nach § 89 Abs 2 ASGG in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dadurch erledigen, daß es das Klagebegehren als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkennt und dem Versicherungsträger aufträgt, der Klägerin bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen. Deren Ausmaß wurde unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO unter Bedachtnahme auf § 264 Abs 9 ASVG mit 1.650 S monatlich festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG. Für die Klage gebührt nur der einfache Einheitssatz (SSV-NF 5/77).

Die Bestimmung der Leistungsfristen gründet sich auf den nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 409 ZPO.

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