OGH 10ObS166/00k

OGH10ObS166/00k11.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Fellinger sowie die fachkundigen Laienrichter Wolfgang Adametz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ulrike Legner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann H*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Invaliditätspension und vorzeitiger Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Jänner 2000, GZ 8 Rs 379/99k-44, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12. Mai 1999, GZ 20 Cgs 270/96h-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass der am 12. 2. 1941 geborene Kläger weder die Voraussetzungen für den Anspruch auf Invaliditätspension gemäß § 255 Abs 3 ASVG noch jene für den Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d ASVG erfüllt, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Ausführungen in der Revision ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die Richtigkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass der Kläger keinen Berufsschutz nach § 255 Abs 1 und 2 ASVG genießt, weil er nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen seinen erlernten Beruf als Maurer nicht in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt hat, wird in den Revisionsausführungen nicht bekämpft. Der Revisionswerber bringt zum geltend gemachten Anspruch auf Invaliditätspension vor, er sei aufgrund seines Alters auf die vom Erstgericht genannten Aufsichtstätigkeiten in verschiedenen Betrieben und öffentlichen Dienststellen, insbesondere die Tätigkeit als Tagportier, nicht mehr verweisbar und vermittelbar und er genieße aufgrund seines Alters "Berufsschutz".

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass der Revisionswerber nach dem medizinischen Leistungskalkül Aufsichtstätigkeiten, insbesondere die Tätigkeit als Tagportier, noch ausüben kann und nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, ob der Revisionswerber in dem Verweisungsberuf auch tatsächlich einen Dienstposten finden wird, für die Frage der Invalidität ohne Bedeutung ist. Die fehlende Nachfrage nach Arbeit gehört nicht zum Risikobereich der Pensionsversicherung, sondern zu jenem der Arbeitslosenversicherung (SSV-NF 12/72 mwN; SSV-NF 4/140 mwN; RIS-Justiz RS0084720).

In den Rechtsmittelausführungen wird auch nicht in Abrede gestellt, dass der Revisionswerber die Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit gemäß § 253d Abs 1 Z 2 ASVG in der zum Stichtag 1. 8. 1996 geltenden Fassung der 51. Novelle zum ASVG (BGBl 1993/335), wonach innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder innerhalb der letzten 180 Kalendermonate vor dem Stichtag 36 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung vorliegen müssen, nicht erfüllt. Der Revisionswerber vertritt aber die Ansicht, dass auch Zeiten des Arbeitslosengeld- und Krankengeldbezuges Beitragszeiten der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gleichgestellt werden müssten.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

Das Leistungsrecht der Pensionsversicherung kennt neben den Versicherungsfällen Leistungsvoraussetzungen, deren Erfüllung bei der Inanspruchnahme sämtlicher Leistungen grundsätzlich erforderlich ist und die sekundäre Leistungsvoraussetzungen genannt werden. Sie sollen den Standort des Leistungswerbers innerhalb der Versichertengemeinschaft, von der er die Leistung begehrt, abstecken. Einerseits wollen sie durch die Wartezeit (§ 236 ASVG) oder auch eine "besondere Wartezeit" (vgl § 253b Abs 1 Z 2 ASVG) sicherstellen, dass nur solche Leistungswerber in den Genuss von Leistungen kommen, die der Gemeinschaft der Versicherten bereits eine bestimmte Zeit angehören und durch Beitragsleistung zur Finanzierung der Leistungsverpflichtungen dieser Gemeinschaft beigetragen haben. Andererseits wollen sie zusätzlich durch Bestimmungen über Bruchteilsdeckung (vgl insbesondere die hier maßgebende Bestimmung des § 253d Abs 1 Z 2 ASVG) und durch Rahmenzeiträume für die Erfüllung der Wartezeit gewährleisten, dass nur solche Leistungswerber anspruchsberechtigt werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung in einem - zeitlichen - Naheverhältnis zu dieser Versichertengemeinschaft stehen (SSV-NF 10/88 mwN ua).

Die Deckungsvorschrift des § 253d Abs 1 Z 2 ASVG soll verhindern, dass die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit Versicherten zugänglich gemacht wird, die längere Zeit nicht oder kaum mehr im Erwerbsleben standen. Ein Tätigkeitsschutz im Sinn des § 253d Abs 1 Z 3 und 4 ASVG ist nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Pensionswerber innerhalb eines gewissen Zeitraumes vor dem Stichtag überhaupt in einem berücksichtigungswürdigen Ausmaß im Erwerbsleben stand. Die Rahmenzeiträume des § 253d Abs 1 Z 2 ASVG, in denen eine Bruchteilsdeckung vorliegen muss, werden daher durch neutrale Zeiten nicht verlängert (SSV-NF 11/6; 10/88 ua).

Wie der Revisionswerber selbst einräumt, handelt es sich bei Zeiten, während denen der Versicherte Krankengeld oder Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezog, um keine Versicherungszeiten (Beitragszeiten oder Ersatzzeiten), sondern um neutrale, das heißt nicht leistungswirksame Zeiten (§ 234 Abs 1 Z 5 und 6 ASVG). Dass diese neutralen Zeiten nicht wie die Beitragszeiten in der Pflichtversicherung für die Erfüllung der im § 253d Abs 1 Z 2 vorgesehenen Bruchteilsdeckung heranzuziehen sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Da die Finanzierung des gesamten Systems der Sozialversicherung überwiegend durch Beiträge der Versicherten erfolgt, ist es gerechtfertigt, Zeiten, in denen Beiträge geleistet wurden, für die Frage der Erfüllung der Bruchteilsdeckung günstiger zu behandeln als Zeiten, in denen keine Beiträge geleistet wurden. Durch die Leistung von Beiträgen wird ein wesentlich engeres Naheverhältnis zur Versichertengemeinschaft hergestellt, weshalb die unterschiedliche Regelung für Beitragszeiten und neutrale Zeiten für die Frage der Erfüllung der Bruchteilsdeckung sachlich durchaus gerechtfertigt ist (vgl SSV-NF 9/4 zur günstigeren Behandlung von Beitragszeiten gegenüber Ersatzzeiten für die Erfüllung der Wartezeit). Der erkennende Senat sieht sich daher nicht veranlasst, im Sinne der Anregung des Revisionswerbers einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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