Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 20. 5. 1953 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Radio- und Fernsehmechanikers. Zuletzt betrieb er einen Handel mit Radio- und Fernsehgeräten und eine Reparaturwerkstätte als "Einmannbetrieb". Auf Grund seiner Leidenszustände (insbesondere nach einem Bruch des 1. Lendenwirbelkörpers, einem Schenkelhalsbruch rechts, einer herogenen Läsion an beiden Beinen und einer mäßigen Harninkontinenz) ist er nur mehr für leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung geeignet, wobei das Sitzen überwiegen muß. Nach spätestens 30 Minuten dauernden Stehen oder Sitzen muß ihm ein kurzfristiger Haltungswechsel ermöglicht werden. Ausgeschlossen sind Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten, die mit Bücken verbunden sind, Tätigkeiten in Kälte und Nässe sowie Arbeiten unter dauerndem besonderen Zeitdruck. Der Kläger kann seine bisherigen Tätigkeit nicht mehr ausüben, könnte aber als qualifizierter Fertigungsprüfer arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt es eine ausreichende Zahl entsprechender Arbeitsplätze, für die das Leistungskalkül des Klägers ausreicht.
Mit Bescheid vom 6. 6. 1991 wies die beklagte Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitspension zum Stichtag 1.1.1991 mit der Begründung ab, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers noch nicht so gemindert sei, daß er nicht mehr imstande wäre, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen.
Das Erstgericht wies das dagegen erhobene, auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.1.1991 gerichtete Klagebegehren ab. Obwohl der Kläger seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben könne, sei er nicht erwerbsunfähig im Sinn des § 133 Abs 1 GSVG. Er müsse sich auf den gesamten Arbeitsmarkt verweisen lassen. Soweit es im Einzugsbereich des Wohnortes des Klägers keine geeignete Arbeitsplätze geben sollte, müsse er allenfalls auch eine Übersiedlung oder ein Wochenpendeln in Kauf nehmen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Als erwerbsunfähig gelte der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande sei, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen (§ 133 Abs 1 GSVG). Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung sei das Verweisungsfeld mit dem gesamten Arbeitsmarkt ident. Eine Einschränkung, daß die Verweisungstätigkeit dem Versicherten im Hinblick auf die bisher ausgeübte Tätigkeit zumutbar sein müsse, enthalte diese Bestimmung nicht. Ob ein Versicherter tatsächlich einen Arbeitsplatz finde, sei bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit ohne Bedeutung, weil es sich dabei nicht um die Frage der nur nach dem körperlichen und geistigen Zustand zu beurteilenden Erwerbsunfähigkeit, sondern um jene der konjunkturabhängigen Vermittelbarkeit handle. Jede andere Auslegung müßte dazu führen, daß bei gleichem Leidenszustand die Erwerbsfähigkeit je nach der Lage auf dem Arbeitsmarkt verschieden zu beurteilen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Nach Auffassung des Revisionswerbers wäre die Frage zu prüfen gewesen, ob Dienstgeber bereit seien, Personen mit den festgestellten Leidenszuständen zu beschäftigen. Insoweit liege infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung ein Feststellungsmangel vor. Dem kann nicht gefolgt werden.
Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 133 Abs 1 GSVG stellt eine strengere Voraussetzung dar als der Begriff der Invalidität in der Pensionsversicherung der Arbeiter oder der Begriff der Berufsunfähigkeit in der Pensionsversicherung der Angestellten, weil bei der Erwerbsunfähigkeit die gänzliche Unfähigkeit, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, nachgewiesen werden muß und sich der Versicherte auf jede wie immer geartete - selbständige oder unselbständige - Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt verweisen lassen muß (SSV-NF 4/81 mwN). Ähnlich wie bei Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung ist auch bei Prüfung der Erwerbsunfähigkeit die Möglichkeit der Heimarbeit zu berücksichtigen (vgl. SSV-NF 6/96). Daß der Kläger, der noch leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen verrichten kann, in diesem Sinne dauernd außerstande wäre, (irgendeinem) regelmäßigen Erwerb nachzugehen, ist nicht anzunehmen und würde schon der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen. Ob der Kläger noch als qualifizierter Fertigungsprüfer arbeiten könnte, ist entgegen der Auffassung des Erstgerichtes nicht entscheidend.
Es trifft auch nicht zu, daß die Auswirkungen der festgestellten Harninkontinenz auf den Arbeitsprozeß nicht berücksichtigt worden seien: Im Hinblick auf diesen urologischen Leidenszustand wurden Arbeiten in Kälte und Nässe als dem Kläger nicht mehr zumutbar ausgeschieden. Es ist richtig, daß der Kläger in erster Instanz vorgebracht hat, daß er auch den Stuhlgang nicht kontrollieren könne. Er schilderte dieses Leiden auch dem Sachverständigen für Innere Medizin, der eine deutlich eingeschränkte Schließmuskelfunktion objektivierte, ungeachtet dessen aber keine weiteren Einschränkungen des medizinischen Leistungskalküls befürwortete. Ein der rechtlichen Beurteilung zuzuordnender Feststellungsmangel kann daher insoweit nicht vorliegen.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger aus Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage auch nicht ersichtlich.
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