OGH 10ObS152/88

OGH10ObS152/8814.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Trabauer (AG) und Dr. Rudolf Pokorny (AG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann W***, Kuchelauer Hafenstraße 45, 1190 Wien, vertreten durch Dr. Manfred G***, Referent der Handelskammer Niederösterreich, dieser vertreten durch Dr. Leander Schüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER G*** W***, Wiedner

Hauptstraße 84-86, 1051 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Jänner 1988, GZ 31 Rs 227/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. Mai 1987, GZ 11 b Cgs 336/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das Begehren des am 18. April 1921 geborenen Klägers auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses ab. Es stellte fest, daß der Kläger in der Lage ist, die lebensnotwendigen Funktionen ohne fremde Hilfe auszuführen, leichte Hausarbeiten zu verrichten, kleine Wäsche zu waschen, Betten zu machen, den Ofen zu warten und einfache Mahlzeiten regelmäßig selbst zuzubereiten. Beim Einkauf und bei der Überquerung von Straßen und Plätzen bedarf er einer Begleitperson, das Tragen auch nur kleiner Lasten kann ihm nicht zugemutet werden. Der Kläger bedürfe daher nicht ständiger Wartung und Hilfe.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung keine Folge. Hilflosigkeit liege dann vor, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage sei, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe könne aber nur dann angenommen werden, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch seien wie der begehrte Hilflosenzuschuß. Daß der Kläger für eine Begleitperson beim Einkaufen und Überqueren von Straßen und Plätzen sowie zum Tragen auch nur kleinerer Lasten auch nur annähernd S 2.840,-- - so hoch sei der Monatsdurchschnitt des Mindesthilflosenzuschusses - aufwenden müßte, sei auszuschließen. Hilflosigkeit liege daher nicht vor.

In seiner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision begehrt der Kläger, dieses Urteil im Sinne einer Stattgebung abzuändern und stellt hilfsweise einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zur ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Hilflosigkeit sind zutreffend (§ 48 ASGG), aber nicht vollständig. Denn bei Beurteilung der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten handelt, müssen die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden (JBl. 1988, 64 ua). Dies bedeutet aber, daß die persönlichen Lebensumstände und damit auch das Fehlen sonst allgemein üblicher Hilfsmittel, wenn deren Anschaffung aus finanziellen oder örtlichen Gegebenheiten nicht zumutbar ist, in die Beurteilung einbezogen werden müssen. Der Kläger hat schon in der Klage vorgebracht, daß es in seinem Haus kein Fließwasser gebe, die nächste Wasserstelle ca. 80 bis 100 m vom Haus entfernt sei und er, da er mit festen Brennstoffen heize, auch das erforderliche Brennmaterial von der Lagerstelle nicht zum Ofen schaffen könne und auch in der Berufung auf diese - nicht festgestellten - Umstände im Zusammenhang mit der Feststellung, daß ihm das Tragen auch nur kleiner Lasten nicht mehr möglich sei, ausdrücklich hingewiesen.

Um abschließend beurteilen zu können, in welchem Ausmaß der Kläger auf fremde Hilfe angwiesen ist, werden daher ergänzende Feststellungen über die Wohnverhältnisse des Klägers während des gesamten Jahres - Lage und Ausstattung seines Hauses einschließlich Beheizungs- und Wasserentnahmemöglichkeit - zu treffen sein. Danach wird allenfalls eine Ergänzung der medizinischen Beurteilung erforderlich sein, ob und inwieweit der Kläger wegen seiner Einschränkung beim Tragen von Lasten noch in der Lage ist, selbst für ausreichende lebensnotwendige Versorgung mit Wasser und Heizmaterial zu sorgen. Erst dann kann abschließend abgeschätzt werden wie hoch die durchschnittlichen monatlichen Kosten für die Inanspruchnahme fremder Hilfe in allen lebensnotwendigen Bereichen sind.

Es war daher in Stattgebung der Revision wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung über den Vorbehalt der Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 ASGG iVm § 52 ZPO.

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