OGH 10ObS140/89

OGH10ObS140/8923.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner (AG) und Mag. Michael Zawodsky (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franziska F***, Winkelmannstraße 2, 1150 Wien, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Oktober 1988, GZ 34 Rs 191/88-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Mai 1988, GZ 19 Cgs 1614/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses ab 29. April 1987 gerichtete Begehren der Klägerin ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die am 26. August 1911 geborene Klägerin allein aufstehen und sich niederlegen, sich an- und auskleiden, frisieren, einfache Speisen zubereiten, Brot abschneiden, eine Dose öffnen und Kaffee kochen, essen und die Notdurf verrichten kann. Wegen der Wirbelsäulen-, Hüft- und Kniebehinderungen ist das Abtrocknen der Füße nach dem Waschen mit den Händen nur behelfsmäßig möglich, indem mit einem am Boden liegenden Handtuch die Füße getrocknet werden. Deshalb sind auch knien und hocken nicht möglich. Die Klägerin kann daher die Wohnung nur notdürftig, ohne knien und hocken und nicht an absturzgefährdeten Stellen, in Ordnung halten. Das Stiegensteigen im Hausflur ist glaubhaft beschwerlich, unsicher und deshalb nicht zumutbar. Brennmaterial für einen Holz- und Kohleofen kann die Klägerin nicht herbeischaffen, das Bedienen eines solchen Ofens ist nicht möglich. Die Klägerin kann zwar aufbetten, aber das Bett nicht mit frischer Bettwäsche überziehen. Das Anlegen von Schlüpfschuhen, nicht aber von Schnürschuhen ist möglich, das Anziehen der Strümpfe nur mit einer Strumpfzange. Die Klägerin muß Diät halten. Aus interner und neurologischer Sicht ist ihr dies möglich.

Die Klägerin wohnt im 15. Wiener Gemeindebezirk in einer Wohnung, die nur über gewundene Stiegen erreichbar ist, das Haus hat keinen Lift. Die Klägerin heizt mit einem Ölofen und benützte, weil dieser defekt war, zuletzt einen Elektroheizofen.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht die Klägerin nicht als hilflos im Sinne des § 105 a ASVG. Da die Klägerin im großstädtischen Bereich wohne, sei trotz der nicht unerheblichen gesundheitlichen Einschränkungen auszuschließen, daß die Kosten einer benötigten Hilfsperson so hoch seien wie der durchschnittliche Mindesthilflosenzuschuß.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Daß das Erstgericht keine Feststellungen darüber getroffen habe, ob die Klägerin in der Lage sei, Heizöl beizuschaffen und regelmäßig in den Ölofen nachzufüllen sei nicht von Bedeutung, weil die Haltung eines Ölofens für die Klägerin im Hinblick auf ihre Behinderungen nicht günstig sei. Heizöl dürfe in größeren Mengen in einer Wohnung nicht gelagert werden, sodaß sich während der kalten Jahreszeit tatsächlich die Notwendigkeit ergebe, Heizöl in regelmäßigen kürzeren Zeitabständen einzukaufen bzw. vom Keller in die Wohnung zu schaffen. Im Hinblick auf den Lebenskreis der Klägerin sei ihr aber die Anschaffung eines Ofens für feste Brennstoffe, die auch in die Wohnung zugestellt und dort gelagert werden könnten, zumutbar. Das Einrichten des Ofens und Entleeren der Aschenschale - nachlegen könne die Klägerin im Sitzen nach dem chirurgischen Ergänzungsgutachten - würde täglich nur einen Zeitraum von etwa einer Viertelstunde in Anspruch nehmen. Damit aber erreichten die Kosten für die benötigten Hilfeleistungen nicht die Höhe des Mindesthilflosenzuschusses. Die Klägerin sei daher nicht als hilflos anzusehen.

Rechtliche Beurteilung

Der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.

Nach den Feststellungen benötigt die Klägerin jedenfalls fremde Hilfe für die gründliche Wohnungsreinigung einschließlich des Überziehens der Bettwäsche sowie wegen der Unmöglichkeit Stiegen zu steigen, zum Herbeischaffen von Lebensmitteln, Medikamenten und Heizmaterial. Da die Unfähigkeit, lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen nur in jenem Umfang Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG begründen kann, als der Ausfall der erforderlichen Wartung und Hilfe dazu führen würde, daß der Rentner oder Pensionist in absehbarer Zeit sterben oder verkommen oder gesundheitliche Schäden erleiden würde und daher an das Ausmaß fremder Hilfe ein eher strenger Maßstab anzulegen ist (SSV-NF 2/12, 10 Ob S 289/88), kann aus der Tatsache, daß die lebensnotwendigen Verrichtungen nur mit einem größeren Zeitaufwand zu bewältigen sind, noch nicht darauf geschlossen werden, daß fremde Hilfe notwendig ist. Es müssen auch die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden oder im Handel ohne erhebliche, unzumutbare Kosten erhältlichen Hilfsmittel berücksichtigt werden. Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof das Benützen einer Strumpfzange zum Anziehen der Strümpfe nicht als unzumutbar erachtet (10 Ob S 328/88). Die vom Berufungsgericht als zumutbar angesehene Neuanschaffung eines Ofens mit festen Brennstoffen scheint zwar nicht zweckmäßig, da der Klägerin nach den Feststellungen das Bedienen eines solchen Ofens nicht möglich ist. Dagegen ist ihr die Verwendung eines Ölofens und dessen Bedienung, die üblicherweise von oben erfolgt, durchaus zumutbar. Selbst unter der Annahme, daß der Klägerin das Nachfüllen von Heizöl in den Ölofen nicht möglich sein sollte - die Verfahrensergebnisse bieten hiezu keinen Anhaltspunkt, da die Behinderungen der Klägerin in den Hüft- und Kniegelenken nicht aber in den Armen und Händen liegen - vermag dies Hilflosigkeit noch nicht zu begründen. Auch Heizöl wird zumindest im großstädtischen Bereich auch in Kannen zugeliefert. Das nicht täglich erforderliche Nachfüllen in den Ofen könnte aber mit den etwa zwei- bis dreimal wöchentlich erforderlichen Einkäufen verbunden werden, sodaß sich hieraus nur ein sehr geringer Zeitaufwand, der überdies nur während der kalten Jahreszeit anfällt, ergibt.

Dafür aber, daß die Klägerin nicht in der Lage wäre, Diätspeisen zuzubereiten, bieten die Feststellungen keinerlei Anhaltspunkt. Die Sachverständigen haben vielmehr die erforderliche Diät in ihr Kalkül einbezogen und sind zu keiner Einschränkung gelangt. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht das Bedürfnis der Klägerin nach ständiger Wartung und Hilfe im Sinne des § 105 a ASVG verneint. Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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