OGH 10ObS131/07y

OGH10ObS131/07y18.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margit S*****, ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Juli 2007, GZ 10 Rs 99/07p-20, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3. Oktober 2006, GZ 27 Cgs 65/06f-12, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil vom 3. 10. 2006 ab. Die Berufung der Klägerin wies das Berufungsgericht als verspätet zurück. Da die angefochtene Entscheidung am 14. 2. 2007 zugestellt worden sei, sei die am 19. 3. 2007 beim Erstgericht überreichte Berufung verspätet.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Klägerin. Der Oberste Gerichtshof trug mit Beschluss vom 6. 11. 2007 der Klägerin auf, den Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung binnen 14 Tagen dadurch zu verbessern, dass er mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes versehen wird. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Klägerin am 9. 11. 2007 gemeinsam mit dem zu verbessernden Schriftsatz zugestellt. Am 22. 11. 2007 wurde ein an das Erstgericht gerichteter, von einem Rechtsanwalt unterschriebener Schriftsatz zur Post gegeben, dem das zu verbessernde Rechtsmittel angeschlossen war und der mit diesem wörtlich übereinstimmte. Die beiden Schriftsätze wurden vom Erstgericht an den Obersten Gerichtshof weitergeleitet, wo sie am 26. 11. 2007 - also nach Ablauf der Verbesserungsfrist - einlangten. Da ein von einem Rechtsmittelgericht zur Verbesserung zurückgestelltes Rechtsmittel jedenfalls auch bei dem Gericht wieder eingebracht werden kann, bei dem das zu verbessernde Rechtsmittel anzubringen war, konnte der verbesserte Rekurs der Klägerin gegen die Entscheidung der zweiten Instanz beim Erstgericht eingebracht werden und er ist daher als rechtzeitig anzusehen (vgl SSV-NF 5/67 mwN).

Rechtliche Beurteilung

Der ordnungsgemäß verbesserte Rekurs ist nicht berechtigt. Die Rekurswerberin macht geltend, das Ersturteil sei nicht am Mittwoch, den 14. 2. 2007, sondern erst am Montag, den 19. 2. 2007, zugestellt worden. Aus dem Protokoll des Postabholers der Arbeiterkammer Wien gehe eindeutig hervor, dass am 14. 2. 2007 kein Schriftstück für die Abteilung Sozialversicherung der Arbeiterkammer Wien übernommen worden sei. Am 19. 2. 2007 seien hingegen drei Schriftstücke übernommen worden, was auch mit dem auf dem Ersturteil befindlichen Eingangsstempel des Sekretariates übereinstimme. Es sei praktisch unmöglich, dass der Eingangsstempel des Sekretariates um mehrere Tage falsch eingestellt worden und auch das Protokoll um mehrere Tage falsch geführt worden sei. Es liege somit entweder ein Schreibfehler des Postabholers vor („14." statt „19.") oder das Datum „19. 2. 07" sei infolge einer unachtsamen Schrift des Postabholers richtigerweise als „14. 2. 07" zu lesen.

Beide von der Rekurswerberin aufgezeigten Erklärungsversuche stehen jedoch im Widerspruch zur Aktenlage und zum Ergebnis der vom Erstgericht durchgeführten Erhebungen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht sein Urteil am 13. 2. 2007 an den Klagevertreter in der Form abfertigte, dass es die Urteilsausfertigung mit einem Zustellschein (Geo Form 30a) in das für den Klagevertreter beim Erstgericht bestimmte Postfach ablegte. Damit im Einklang steht auch die weitere Aktenlage, wonach ein Postabholer der Arbeiterkammer Wien am 14. 2. 2007 die im Fach einliegende Urteilsausfertigung übernommen hat, den Zustellschein unterfertigt und das Datum der Übernahme („14. 2. 07") in den Zustellschein eingetragen hat. Der Postabholer hat bei seiner Einvernahme vor dem Gericht ausdrücklich bestätigt, dass die auf dem Zustellschein befindliche Unterschrift von ihm stammt und er täglich, auch am 14. 2. 2007, die Post beim Erstgericht abgeholt hat. Soweit die Rekurswerberin damit argumentiert, der Postabholer habe die Urteilsausfertigung tatsächlich nicht bereits am Mittwoch, den 14. 2. 2007, sondern erst am Montag, den 19. 2. 2007, behoben, weshalb auch das von ihm auf dem Rückschein eingetragene Datum richtigerweise als „19. 2. 07" zu lesen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass als Datum auf dem Zustellnachweis völlig eindeutig der „14. 2. 07" und nicht der „19. 2. 07" angegeben ist, wie auch die vom Erstgericht mit dem Postabholer durchgeführte Schriftprobe völlig zweifelsfrei ergeben hat. Wenn die Rekurswerberin meint, es liege dann eben ein schlichter Schreibfehler des Postabholers vor, so kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Es wurde bereits dargelegt, dass das Ersturteil laut Abfertigungsstampiglie am 13. 2. 2007 in das für den Klagevertreter beim Erstgericht eingerichtete Postfach abgelegt wurde und der Postabholer, wie er selbst einräumt, täglich und somit auch am 14. 2. 2007 die Post beim Erstgericht abgeholt hat. Es besteht jedoch überhaupt kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die für den Klagevertreter bestimmte Urteilsausfertigung entgegen den Angaben in der Abfertigungsstampiglie erst am 19. 2. 2007 in das für den Klagevertreter bestimmte Fach abgelegt und erst an diesem Tag vom Postabholer übernommen worden wäre und dieser außerdem an diesem Tag irrtümlich den 14. 2. 2007 als Datum der Zustellung auf dem Zustellnachweis vermerkt hätte. Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass auch die für die beklagte Partei bestimmte Urteilsausfertigung bereits am 15. 2. 2007 und nicht erst am 19. 2. 2007 übernommen wurde. Zusammenfassend bestehen daher für den erkennenden Senat keine Zweifel daran, dass der für den Klagevertreter tätige Postabholer entsprechend seiner Eintragung auf dem Zustellnachweis die Urteilsausfertigung tatsächlich bereits am 14. 2. 2007 übernommen hat. Die Frage, warum der Postabholer die Übernahme dieses Schriftstückes in seinem handschriftlich geführten Protokoll nicht vermerkt hat und sich auf der Urteilsausfertigung des Klagevertreters der Eingangsstempel „19. 2. 07" befindet, betrifft die Zustellung der Urteilsausfertigung zeitlich nachfolgende Umstände, welche im Zuge der vorgenommenen Erhebungen nicht mehr geklärt werden konnten.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass nach ständiger Rechtsprechung der vom Zusteller paraphierte Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde mit dem dieser zukommenden Wirkungen ist und zunächst vollen Beweis darüber macht, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge eingehalten wurden. Der Gegenbeweis ist zulässig (Stumvoll in Fasching/Konecny² Anh § 87 ZPO § 22 ZustG Rz 6 f mwN). Wird eine Zustellung an einen Parteienvertreter - wie im vorliegenden Fall - durch das Einordnen des Schriftstückes in ein bei den Gerichten für berufsmäßige Parteienvertreter eingerichtetes Fach vorgenommen und der Rückschein dabei nicht auch von einem Gerichtsbediensteten unterfertigt, dann stellt er keine öffentliche Urkunde dar und unterliegt der freien Beweiswürdigung. Der Empfänger kann dann bescheinigen, dass er das Schriftstück erst zu einem späteren als dem aus dem Rückschein ersichtlichen Datum übernommen hat (Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ § 88 Rz 4 mwN). Dabei gilt im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass ein Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit in dem Sinn für sich hat, als es jedenfalls sachlich zu erledigen ist, solange sich seine Verspätung aufgrund der Aktenlage nicht eindeutig ergibt (SZ 69/151 mwN).

Im vorliegenden Fall wurde durch die Übernahme der Urteilsausfertigung durch den Postabholer am 14. 2. 2007 die Zustellung des Ersturteiles bewirkt (vgl Gitschthaler aaO § 88 Rz 3 f mwN). Bei einer Zustellung am 14. 2. 2007 war jedoch die am 19. 3. 2007 beim Erstgericht überreichte Berufung gemäß § 464 Abs 1 ZPO verspätet. Das Berufungsgericht hat daher die Berufung der Klägerin zu Recht zurückgewiesen, weshalb dem Rekurs ein Erfolg zu versagen ist.

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