OGH 10ObS127/91

OGH10ObS127/9125.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Leopold Ramharter (Arbeitgeber) und Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria B*****, vertreten durch Dr.Walter Strigl und Dr.Gerhard Horak, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rückersatz von Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.Jänner 1991, GZ 8 Rs 149/90-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 14.September 1990, GZ 31 Cgs 155/90-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 3.623,04 S (darin 603,84 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 1.4.1987 entschied die beklagte Partei, daß der Klägerin ab 1.1.1987 gemäß § 292 ASVG zur Witwenpension eine Ausgleichszulage von 4.050,10 S monatlich gebührt. Außerdem heißt es in dem Bescheid:

"Sie werden verpflichtet, die Zahlungsaufnahme des italienischen Versicherungsträgers binnen 14 Tagen zu melden sowie die italienische Nachzahlung zur Verrechnung mit dem entstehenden Überbezug an Ausgleichszulage zur Verfügung zu halten."

Mit Bescheid vom 23.4.1990 entschied die beklagte Partei, daß der Klägerin ab 1.1.1987 keine Ausgleichszulage gebührt. In diesem Bescheid hießt es außerdem:

"Durch diese Erledigung ist eine Überzahlung entstanden. Sie sind verpflichtet, den Betrag in der Höhe von 196.343,20 S zurückzuzahlen."

In der Begründung des Bescheides werden als Grundlage der Entscheidung für die Rückforderung des Überbezuges § 107 ASVG und für die Meldepflicht § 40 ASVG angeführt.

Die Klägerin begehrte zuletzt die Feststellung, daß sie nicht verpflichtet sei, den Betrag von 196.343,20 S zurückzuzahlen.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die Klägerin trotz der Belehrung in dem Bescheid über die Gewährung der Ausgleichszulage die Höhe ihrer italienischen Witwenpension, durch die unter Berücksichtigung der österreichischen Pension der für sie geltende Ausgleichszulagenrichtsatz überstiegen werde, nicht gemeldet habe. Sie sei daher gemäß § 107 Abs 1 iVm § 40 ASVG zur Rückzahlung des entstandenen Überbezuges verpflichtet. In einer an den Vorsitzenden des in erster Instanz erkennenden Senates gerichteten, nach dem Inhalt der Akten in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht vorgetragenen Eingabe teilte sie "im Sinne unserer Vereinbarung.....formlos" ua mit, daß sich die Rückzahlungspflicht auch auf Art 38 des Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik über Soziale Sicherheit BGBl 1983/307 (im folgenden als "Abkommen" bezeichnet) stütze. Der Italienische Versicherungsträger habe ihr aufgrund dieser Bestimmung (nach dem Inhalt des Pensionsaktes im Juli 1990) einen Lirebetrag im Gegenwert von 133.288,50 S überwiesen. Die Rückforderung des Differenzbetrages von 63.054,70 S stütze sich auf § 107 iVm § 40 ASVG, weil die Klägerin nicht gemeldet habe, daß sie in Italien (außer der Witwenpension) eine Fürsorgerente bezog.

Die Klägerin bestritt eine Verletzung der Meldevorschriften und brachte vor, daß ihr zur Zeit der Erlassung des mit der Klage bekämpften Bescheides die italienische Witwenpension noch nicht ausbezahlt worden sei und sie auch noch keinen Bescheid über die Gewährung der Pension erhalten gehabt habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es eine Verletzung der Meldevorschriften durch die Klägerin und damit einen Rückforderungsanspruch der Beklagten aufgrund des § 107 ASVG verneinte. Aus Art 38 des Abkommens könne nicht das Recht abgeleitet werden, über die vom italienischen Versicherungsträger bezahlten und von der beklagten Partei schon einbehaltenen Beträge hinaus zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Eine schuldhafte Verletzung von Meldevorschriften liege nicht vor. Die Frage, ob und wie die Nachzahlung der italienischen Witwenpension aufgrund des Abkommens mit dem Ausgleichszulagenanspruch habe verrechnet werden können, sei nicht Verfahrensgegenstand, weil die hiezu erstattete "Mitteilung" der beklagten Partei an den Vorsitzenden des in erster Instanz erkennenden Senates, die schon der äußeren Form nach nicht den Charakter eines Parteienvorbringen enthaltenden vorbereitenden Schriftsatzes aufweise, in der mündichen Verhandlung nicht vorgetragen worden sei.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß sie nicht verpflichtet sei, der Klägerin die einbehaltene Nachzahlung an italienischer Witwenpension in der Höhe von 133.288,50 S zurückzuzahlen, und daß die Klägerin nicht verpflichtet sei, ihr den noch aushaftenden Überbezug an Ausgleichszulage in der Höhe von 63.054,70 S zurückzuzahlen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die beklagte Partei hat in der Revision ausdrücklich zugestanden, daß die Voraussetzungen für die Rückforderung nach § 107 ASVG nicht erfüllt sind; hierauf ist daher nicht mehr einzugehen (vgl EvBl 1985/154 ua). Aus Art 38 des Abkommens, auf den allein die Revision gestützt wird, ist für sie jedoch in dem hier zu entscheidenden Verfahren nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung lautet:

"Hat ein Träger eines Vertragsstaates einen Vorschuß auf eine Leistung gezahlt, so hat der Träger des anderen Vertragsstaates die auf denselben Zeitraum entfallende Nachzahlung einer entsprechenden Leistung, auf die nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates Anspruch besteht, auf Ersuchen und zugunsten des erstgenannten Trägers einzubehalten. Hat der Träger des einen Vertragsstaates für eine Zeit, für die der Träger des anderen Vertragsstaates nachträglich eine entsprechende Leistung zu erbringen hat, eine höhere als die gebührende Leistung gezahlt, so gilt der diese Leistung übersteigende Betrag bis zur Höhe des nachzuzahlenden Betrages als Vorschuß im Sinn des ersten Satzes."

Der Oberste Gerichtshof hat zum vergleichbaren Art 45 Abs 1 AbkSozSi-BRD schon ausgesprochen, daß der österreichische Versicherungsträger aufgrund dieser Bestimmung über die Einbehaltung der ihm vom ausländischen Versicherungsträger überwiesenen Nachzahlung entscheiden könne (SSV-NF 2/82) und daß der österreichische Versicherungsträger von ihm erbrachte Leistungen, die aufgrund des zweiten Satzes der angeführten Bestimmung als Vorschuß gelten, gegen die zu erbringenden Geldleistungen aufrechnen dürfe (SSV-NF 2/130). Auch aus Art 38 des mit Italien geschlossenen Abkommens kann aber nur das Recht auf Einbehaltung und Aufrechnung abgeleitet werden, nicht hingegen, wie schon das Erstgericht richtig erkannte, das Recht, zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückzufordern. Dieses Recht ist von den beiden zuerst genannten Rechten verschieden:

Sowohl bei der Aufrechnung als auch bei der Einbehaltung einer Nachzahlung geht es nicht um die Pflicht des Empfängers zum Rückersatz einer ihm schon erbrachten Leistung, sondern das Recht des Versicherungsträgers, die Auszahlung einer anderen Leistungen zu verweigern; dies zeigt schon die Überlegung, daß mit Vorschüsse aufgerechnet werden soll, die Leistung also noch gar nicht erbracht wurde; die Frage ob die Leistung, für die der Vorschuß gewährt wurde, gebührt, bildet nur eine Vorfrage.

Die Entscheidung über die Einbehaltung der vom ausländischen Versicherungsträger geleisteten Nachzahlung ist zwar ebenso wie die Entscheidung über die Aufrechnung gegen Zahlungen, die der inländische Versicherungsträger noch zu erbringen hat, eine Leistungssache gemäß § 354 Z 1 ASVG und damit eine Sozialrechtssache gemäß § 65 Abs 1 Z 1 ASGG, weil beide Entscheidungen sinngemäß als Entscheidungen über den Bestand und Umfang des Anspruchs auf die Versicherungsleistung, die einbehalten oder mit der aufgerechnet werden soll, anzusehen sind (so zur Aufrechnung schon SSV-NF 3/66). Dafür spricht eindeutig § 367 Abs 2 ASVG. Dort wird nämlich die Entscheidung über die Aufrechnung ausdrücklich zu den Bescheiden in Leistungssachen gezählt. Darunter fällt aber auch die Entscheidung über die Einbehaltung der vom ausländischen Versicherungsträger geleisteten Nachzahlung, weil auch diese Einbehaltung nur eine Form der Aufrechnung ist. Die Entscheidungen in beiden Angelegenheiten sind von den im § 354 Z 2 ASVG und § 65 Abs 1 Z 2 ASGG bezogenen Entscheidungen über die Pflicht zum Rückersatz zu Unrecht erbrachter Leistungen verschieden, weil diese ein anderes Recht des Versicherungsträgers betreffen.

Von dieser Rechtslage wurde für die Entscheidung über die Einbehaltung der vom ausländischen Versicherungsträger bezahlten Nachzahlung schon in der Entscheidung SSV-NF 2/82 ausgegangen. Sie betraf allerdings das AbkSozSi-BRD und die hiezu geschlossene Durchführungsvereinbarung, wobei sich diese von der hier maßgebenden Durchführungsvereinbarung BGBl 1983/308 zu dem mit Italien geschlossenen Abkommen dadurch unterscheidet, daß darin im Art 12 die Auszahlung der Nachzahlung im Weg des zuständigen Versicherungsträgers des Wohnortes vorgesehen ist, während in der Durchführungsvereinbarung zum italienischen Abkommen nur bestimmt wird (Art 9), daß die zuständigen Versicherungsträger Pensionen bei Alter, Invalidität und Tod direkt an die Anspruchsberechtigten zu zahlen haben. Der erkennende Senat ist jedoch der Meinung, daß trotz dieser Abweichung die in der Entscheidung SSV-NF 2/82 zum Ausdruck kommende Meinung auch für den Bereich des mit Italien geschlossenen Abkommens gilt. Auch wenn dies weder im Abkommen noch in der hiezu geschlossenen Durchführungsvereinbarung ausdrücklich erwähnt wird, ist nämlich aus Art 38 des Abkommens abzuleiten, daß der italienische Versicherungsträger die Nachzahlung in bestimmten Fällen nicht dem Anspruchsberechtigten, sondern dem österreichischen Versicherungsträger zu bezahlen hat. In diesen Fällen sind aber die Verhältnisse die gleichen wie in dem der Entscheidung SSV-NF 2/83 behandelten Fall, in dem der deutsche Versicherungsträger gemäß Art 12 der Vereinbarung zur Durchführung des AbkSozSi-BRD die Nachzahlung im Wege des zuständigen Versicherungsträgers des Wohnortes ausbezahlt.

Die beklagte Partei hat in dem mit der Klage bekämpften Bescheid nur über die Pflicht zum Rückersatz der der Klägerin bezahlten Ausgleichszulage entschieden, nicht aber auch über die Einbehaltung der vom italienischen Versicherungsträger überwiesenen Nachzahlung und über eine andere Aufrechnung. Diese Fragen bilden daher unabhängig davon, ob die beklagte Partei ihre Einwendungen wirksam auf Art 38 des Abkommens gestützt hat, nicht den Gegenstand des Verfahrens und sind schon deshalb für den Erfolg des Klagebegehrens ohne Bedeutung. Da sich außerdem die allein den Gegenstand des Verfahrens bildende Pflicht der Klägerin zum Rückersatz der ihr bezahlten Ausgleichszulage, wie schon erwähnt, aus der angeführten Bestimmungen des Abkommens nicht ableiten läßt, muß nicht auf die vom Berufungsgericht und in der Revision behandelte Frage eingegangen werden, ob diese Bestimmung aufgrund des Vorbringens der Parteien zu berücksichtigen ist.

Aus dem Gesagten folgt, daß die Vorinstanzen dem allein den Gegenstand des Verfahrens bildenden Klagebegehren auf Feststellung, daß die Klägerin zum Rückersatz der ihr bezahlten Ausgleichszulagen in der Höhe von 196.343,20 S nicht verpflichtet ist, zu Recht stattgegeben haben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG.

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