Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie lauten:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger aus dem Arbeitsunfall vom 13.11.1991 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, wird abgewiesen.
Der Kläger hat seine Vertretungskosten aller drei Instanzen selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 9.10.1957 geborene, in Slowenien wohnhafte Kläger fuhr am 13.11.1991 mit seiner Lebensgefährtin zur Firma Heinrich K***** GmbH nach W*****, um für den LKW seines Vaters eine (gebrauchte) Steckachse zu kaufen. Heinrich K*****, der den Kläger bediente, war sich nicht im klaren, welche Achse der Kläger konkret haben wollte, da es verschiedene gibt. Er forderte den Kläger auf, mit ihm mit dem Materiallift in den Keller zu fahren, um in einem dort befindlichen Lagerraum die geeignete Steckachse zu suchen. Der Kläger, seine Lebensgefährtin und Heinrich K***** fuhren daraufhin in den Keller. Der Kläger fand die richtige Steckachse, worauf ihn K***** aufforderte, diese sogleich mitzunehmen. K***** hatte Probleme mit den Beinen, er hätte Schwierigkeiten gehabt, die Steckachse alleine hinauf zu transportieren. Der Kläger nahm daher die ca. 30 bis 35 kg schwere Steckachse, trug sie zum Materiallift und legte sie dort zwischen seinen Füßen ab. Die drei Personen fuhren dann mit dem Materiallift nach oben. Bevor sie oben ankamen, riß ein Seil des Aufzuges, worauf die drei Personen nach unten stürzten und der Kläger sich verletzte. Er erlitt einen Bruch des körperfernen Schienbeines links mit Gelenksbeteiligung, einen Bruch des Innenknöchels links und einen Bruch der äußeren Kante der Sprungbeinrolle links mit Knorpelabsplitterung. Vom Unfallstag bis Mitte April 1992 bestand Arbeitsunfähigkeit mit Krankenstand, von da an bis Mitte September 1992 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 %, ab diesem Zeitpunkt eine solche von 20 %.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.7.1993 den Anspruch des Klägers auf Leistungen aus Anlaß dieses Unfalls mit der Begründung ab, daß ein Arbeitsunfall nicht vorliege.
Das Erstgericht gab dem dagegen erhobenen Klagebegehren statt und erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger eine Versehrtenrente im Ausmaß der Vollrente vom 14.11.1991 bis 15.4.1992, im Ausmaß von 30 v. H. der Vollrente vom 16.4. bis 15.9.1992 und im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente ab 16.9.1992 bis auf weiteres jeweils im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, als Haftungsgrundlage komme nur § 176 Abs 1 Z 6 ASVG in Betracht, wonach den Arbeitsunfällen solche Unfälle gleichzuhalten seien, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereigneten, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübe, auch wenn dies nur vorübergehend geschehe. Das Transportieren eines gekauften Gegenstandes vom Lager bis in den Verkaufsraum sei eine Tätigkeit, die in einem Gewerbebetrieb üblicherweise von Personen verrichtet werde, die nach § 4 ASVG versichert seien. Der Kläger habe auch der Meinung sein können, daß seine Tätigkeit dem Interesse des Unternehmens nütze, zumal ihn ja der Verkäufer dazu aufgefordert habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die Tatsachenrüge gehe insofern ins Leere, als die erstgerichtlichen Feststellungen ohnehin erkennen ließen, daß der Grund des Klägers für seine Fahrt in den Keller die Notwendigkeit des Aufsuchens der richtigen Steckachse gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht komme es aber nicht darauf an, warum der Kläger mit dem Materiallift in den Keller gefahren sei, sondern darauf, warum er mit diesem Lift wiederum nach oben gefahren sei, wobei die wohl selbstverständliche Tatsache unterstellt werde, daß es für ihn noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, wieder nach oben zu gelangen. Der Grund, aus dem der Kläger für den Weg aus dem Keller wieder den Materiallift benützte, sei mit der Notwendigkeit des Transportes der Steckachse festgestellt worden. Die Fahrt des Klägers auf dem Materiallift nach oben habe also dem Transport einer Ware gedient, wobei dieser Transport in den Verkaufsraum normalerweise von einem Arbeitnehmer des Verkäufers und nicht von einem Kunden vorzunehmen gewesen wäre. Die Tätigkeit habe auch dem ausdrücklichen Willen des Unternehmers entsprochen und sei als ernstlich anzusehen, weil sie in dessen Betrieb auch sonst angefallen wäre. Sie signalisiere auch die Eingliederung des Klägers in den Betrieb des Verkäufers: Sie sei keineswegs Teil eines anderen Betriebes und Unternehmens gewesen und habe eindeutig den Tätigkeitsrahmen überschritten, den ein Käufer in einem Betrieb typischerweise auszufüllen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Es wird beantragt, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Revisionswerberin führt aus, es liege kein Arbeitsunfall vor, weil der Kläger eigenwirtschaftlich gehandelt habe. Diesem Standpunkt ist im wesentlichen zuzustimmen. Gemäß § 176 Abs 1 Z 6 ASVG (eine andere Haftungsgrundlage kommt hier nicht in Betracht) sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit des Verletzten ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht. Für die Anwendung dieser Norm ist erforderlich, daß es sich um eine ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen des Unternehmers entspricht und die ihrer Art nach üblicherweise von Personen verrichtet wird, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Entscheidende Bedeutung kommt dem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu, in dem im konkreten Fall die helfende Tätigkeit verrichtet wird. Es muß sich um eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit handeln. Ob die geleistete Tätigkeit dem Unternehmer dienlich war, kann nicht aus einer nachträglichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, sondern muß aus dem Zweck der geleisteten Tätigkeit erschlossen werden (SZ 60/96 = EvBl 1988/18 = JBl 1988, 457 [Grillberger]; SZ 52/66; SSV-NF 2/133; Lauterbach, Unfallversicherung3 158/1 Rz 99 zu § 539 RVO mwN). Ebensowenig wie Versicherungsschutz bei nur vorübergehenden Gefälligkeits- und Freundschaftsdiensten versagt werden kann, wenn die sonstigen Voraussetzungen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit gegeben sind, vermag das Vorliegen eines reinen Gefälligkeitsverhältnisses eine arbeitnehmerähnliche Stellung zu erzeugen, wenn die Tätigkeit ihrer Art nach nicht einer abhängigen Beschäftigung ähnlich ist (Lauterbach aaO). Eine Eingliederung des Helfenden in das Unternehmen kann allerdings nur insoweit gefordert werden, als diese Eingliederung schon dann als vorliegend angesehen werden muß, wenn der Helfende im ausdrücklich oder stillschweigend zum Ausdruck kommenden oder nach Lage der Sache zu vermutenden Einverständnis des Unternehmers handelt. Auch der kann also als eingeliedert angesehen werden, der unaufgefordert und ohne vorherige Absprache aus eigenem Entschluß helfend eingreift. Für die Eingliederung in den fremden Betrieb kommt es nicht darauf an, ob dadurch ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis begründet wird; wesentlich ist nur, daß die maßgebliche Tätigkeit nicht zum eigenen betrieblichen Aufgabenbereich des Verletzten gehört (Lauterbach aaO 159 Rz 100). Die Hilfstätigkeit muß sich aber objektiv als eine wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt charakterisieren lassen, wobei es zur Begründung des Versicherungsschutzes ausreicht, daß es für den Helfenden wesentlich war, auch dem Unternehmen, dem seine Hilfe gilt, zu dienen (Lauterbach aaO 160 Rz 101). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wurde in einer jüngsten Entscheidung des zweiten Senates des Obersten Gerichtshofes (23.3.1995, 2 Ob 3/94) die "Mitwirkung" des Käufers bei der Erlangung der Gewahrsame über den Kaufgegenstand durch "Entgegennahme desselben" über den Ladentisch, von einem Regal herab oder auch aus einem durch den Verkaufsraum erreichbaren Lagerraum nicht als Eingliederung des Käufers in das Unternehmen des Verkäufers beurteilt.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß das Aufsuchen des im Keller befindlichen Lagerraums, um eine passende Steckachse auszusuchen, ein zur Gänze eigenwirtschaftliches Handeln des Klägers im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Kauf darstellte. Daß der Kläger, der bereits bei der Fahrt in den Keller den Materiallift benützt hatte, mit diesem auch wieder nach oben fuhr, machte diese Fahrt zu keiner betrieblichen Tätigkeit mit einer Eingliederung in das Unternehmen des Verkäufers: Der Transport der Steckache mit dem Materiallift nach oben hätte ebensogut ohne die Mitfahrt des Klägers erfolgen können, weshalb Hauptzweck der Benützung des Materialliftes durch den Kläger nicht der Transport der Steckachse, sondern die - bequemere - Rückfahrt nach oben darstellte. Daß er bei dieser Rückfahrt die Steckachse mit seinen Füßen gegen ein Verrutschen sicherte, machte seine Hilfstätigkeit nicht zu einer objektiv als eine wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Unfall erfolgte daher bei einer Tätigkeit (Rückfahrt aus dem Lagerraum mit dem Materiallift), die ganz überwiegend dem eigenwirtschaftlichen Bereich des Klägers zuzurechnen war. Der Unfall ereignete sich daher nicht bei Ausübung einer nach den §§ 175 oder 176 ASVG geschützten betrieblichen Tätigkeit.
Diese Erwägungen führen dazu, daß das Klagebegehren in Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind nach der Aktenlage nicht ersichtlich.
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