Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 29.5.1946 geborene Kläger besitzt die Konzession für das Frächtergewerbe im Nahverkehr und war von 1968 bis 1987 mit Unterbrechungen als Kraftfahrer tätig. Über spezifische Mechaniker- und Schlosserkenntnisse verfügt der Kläger nicht. Er hat beim Ein- und Ausbau von Motoren und Getrieben mitgeholfen. Er ist in der Lage, Bremsen zu belegen. Einmal hat er eine Cardanwelle aus- und eingebaut. Er beherrscht alle Löt- und Schweißarten. Fallweise hat er "Kleinigkeiten" repariert, um zur nächsten Werkstätte zu kommen. Bei Überlandfahrten hat er auch Zollangelegenheiten erledigt und hat sich mit den entsprechenden Frachtpapieren, die ihm bei Auslandsfahrten mitgegeben wurden, auch wenn sie fremdsprachig abgefaßt waren, zurechtgefunden. Fallweise hat er Be- und Entladetätigkeiten durchgeführt. Er ist auch mit Baumaschinen auf Baustellen gefahren und war zeitweise als Omnibuslenker beschäftigt. Er besitzt Kenntnisse bei einfachen Ein- und Ausgabenrechnungen. Kompliziertere Angelegenheiten übergibt er dem Steuerberater. Kenntnisse über Rechtsvorschriften im Frächtergewerbe hat er sich aus der Praxis angeeignet, soweit sie hiefür erforderlich waren. Er hat keine theoretischen Kenntnisse beispielsweise im bürgerlichen Recht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Handelsrecht usw. Er hat einen Kurs für den Transport von Gefahrengütern, der ein Wochenende dauerte, absolviert. Dem Kläger ist bekannt, daß Vorschriften für Arbeitnehmer im Betrieb auszuhängen sind, weiß aber nicht, welche.
Der Kläger kann leichte Arbeiten im Sitzen verrichten. Er kann dabei Gegenstände manipulieren, die bis zu fünf Kilogramm wiegen. Arbeiten im Gehen und Stehen sind nicht möglich. Arbeiten, bei denen das linke Sprunggelenk in einer Zwangshaltung verharren muß, sind zu vermeiden. Das Bedienen von Fußhebeln sollte mit dem linken Fuß nur kurzzeitig aber nicht gehäuft oder dauernd geschehen. Die Arbeiten sind im Raum oder im Freien möglich, sofern feuchtkaltes Milieu vermieden werden kann. Es sind keine häufigeren Pausen als die gesetzlich vorgeschriebenen notwendig. Der Kläger ist in der Lage, acht bis zehn Mal pro Stunde einen Positionswechsel vorzunehmen, wobei er jeweils vierzig bis fünfzig Meter gehen kann. Kürzere Wegstrecken können entsprechend öfter bewältigt werden. Der Anmarschweg zu einem öffentlichen Verkehrsmittel kann mit einem zugerichteten Schuh (Schaftversteifung, Abrollwiege) bis zu einem Kilometer betragen. Ohne zugerichteten Schuh sind Wegstrecken zur Erreichung eines Verkehrsmittels bis zu sechhundert Meter möglich.
Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das auf Gewährung einer Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ab. Die vom Kläger in der Praxis erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten könnten den Berufsschutz als Berufskraftfahrer nicht begründen. Ihm fehlten sämtliche theoretischen Kenntnisse im kaufmännischen Rechnen, Schriftverkehr sowie Grundkenntnisse in der Transportversicherung und im bürgerlichen Recht, Handels-, Straf- und Verwaltungsrecht. Die Invalidität des Klägers sei nach § 255 Abs. 3 ASVG zu beurteilen. Da er in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch bestimmte Tätigkeiten, wie beispielsweise Arbeiten eines Parkplatz- oder Garagenkassiers, Arbeiten in der Industrie, wie Sortieren, Einlegen, Prägen, Kleben, Stanzen, Entgraten usw zu verrichten, sei das Klagebegehren abzuweisen.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf im Sinne des Abs 1 dieser Gesetzesstelle nur dann vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Für diese in der Praxis erworbenen Kenntnisse reicht es nicht aus, wenn sie nur ein Teilgebiet eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von gelernten Arbeitern in viel weiterem Umfang beherrscht wird (SSV-NF 2/66, 4/80). Berufsschutz kann schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten von entsprechenden Ausbildungsvorschriften angenommen werden (SSV-NF 4/80, 5/51). Die Kenntnisse und Fähigkeiten eines angelernten Berufskraftfahrers können an dem durch die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten BGBl 1987/396 geschaffenen Berufsbild des Lehrberufes Berufskraftfahrer gemessen werden (SSV-NF 4/80 ua).
Werden die in dieser Verordnung angeführten Ausbildungsvorschriften für Berufskraftfahrer mit den vom Kläger nach den Feststellungen erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten verglichen, so hat der Kläger in der Praxis nur Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, die lediglich Teilgebiete eines Tätigkeitsbereiches umfassen, der von gelernten Berufskraftfahrern in viel weiterem Umfang verlangt wird.
Gerade der Berufskraftfahrer benötigt nicht nur die für den Güternahverkehr erforderlichen Kenntnisse, wie sie der Befähigkeitsnachweis für die Erteilung der Konzession für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im Nahverkehr (Güternahverkehr) nach dem Güterbeförderungsgesetz in der Fassung vor dem BGBl 1993/126 in Verbindung mit der hier in Frage kommenden Verordnung des Bundesministers für Verkehr BGBl 1984/168 voraussetzt, sondern darüber hinausgehende, die vor allem für den grenzüberschreitenden Verkehr bedeutsam sind. Hiezu gehört nicht nur die Ausfertigung von für den Transport erforderlicher Papiere, sondern auch kaufmännisches Rechnen und Schriftverkehr sowie die Kenntnis des einschlägigen Zahlungsverkehrs, der wichtigsten europäischen Verkehrswege, der Strecken- und Terminplanung, Grundkenntnisse der Transportversicherung, der Beförderungsverträge, des Handels-, Straf- und Verwaltungsrechtes, der Zollvorschriften und der Warenkunde etc.
Selbst wenn dem Kläger unterstellt würde, daß er die Konzessionsprüfung vor der Aufnahme seiner Kraftfahrtätigkeit ablegte, und er Teile der für den Befähigungsnachweis erforderlichen Kenntnisse in der Praxis als Kraftfahrer teilweise verwerten konnte, so gehen die festgestellten Kenntnisse des Klägers dennoch nicht über Teilbereiche des Berufsbildes gemessen an den Ausbildungsvorschriften des Berufskraftfahrers hinaus.
Einfache Ein- und Ausgabenrechnungen mögen dem Kläger für die Buchhaltung des Frächtergewerbes genügen, der Berufskraftfahrer hat aber weitergehende kaufmännische Arbeiten für den Transport, wie kaufmännisches Rechnen, Schriftverkehr, Ausfertigung von, für den Transport erforderlichen Papieren, zu beherrschen. Das bloße Handhaben der für die Beförderung erforderlichen Papiere einschließlich der Zollformalitäten ersetzt weder das Erfordernis der Kenntnis der angeführten kaufmännischen Arbeiten noch die Grundkenntnisse der Zollvorschriften. Das fallweise Be- und Entladen ist nur ein Teil der vom Berufskraftfahrer zu beherrschenden Lade- und Stautechnik. Soweit der Kläger sich auch Kenntnisse "anderer" Rechtsvorschriften im Frächtergewerbe, soweit es für die Praxis erforderlich war, angeeignet hat, ersetzt dies nicht die vom Berufsbild des Berufskraftfahrers geforderten Grundkenntnisse im bürgerlichen Recht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, Handelsrecht usw, die der Kläger zugegebenermaßen nicht aufweist. Kenntnisse der Behandlung der Güter beim Transport einschließlich der einschlägigen Warenkunde oder Kenntnisse des einschlägigen Zahlungsverkehrs kamen ebenso nicht hervor.
All dies zeigt, daß der Kläger wesentliche Kenntnisse, die für das Berufsbild des Berufskraftfahrers vorausgesetzt werden, nicht aufweist. Seine Kenntnisse erstrecken sich vielmehr nur auf Teilbereiche bzw Teile von Teilbereichen des Berufsbildes, was keineswegs die Grundkenntnisse eines gesamten wesentlichen Teilbereiches ersetzt.
Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß dem Kläger insgesamt Berufsschutz als angelernter Berufskraftfahrer nicht zukommt.
Erfordert auch die Konzession für die Beförderung von Gütern im Nahverkehr einen Befähigungsnachweis, dessen Prüfungsstoff sich teilweise mit dem Inhalt der Ausbildungsvorschriften des Berufskraftfahrers deckt, so macht diese Konzessionsprüfung eine Berufstätigkeit nicht zur Tätigkeit in einem erlernten Beruf nach § 255 Abs 1 ASVG. Sie ist nämlich nur Voraussetzung für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit (SSV-NF 4/166), entspricht aber nicht der Ausbildung in einem verwandten Lehrberuf, sodaß sie nicht einrechenbar ist. Die dort erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten können daher erst dann von Bedeutung werden, wenn eine entsprechende qualifizierte Tätigkeit in der Folge in der Praxis ausgeübt wird, die insgesamt den besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten eines Lehrberufes entspricht. Die Befugnis eines Konzessionsinhabers Kraftfahrer anzustellen, sagt nichts darüber aus, ob der Konzessionsinhaber die Voraussetzungen eines Lehrberufes aufweist und über die dafür erforderlichen und in der Praxis verlangten wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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