Spruch:
Aus Anlass des Rekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben.
Die Eingabe des Jovan R***** vom 15. 5. 1998 wird an die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen zurückgestellt.
Die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen ist schuldig, der Rechtsmittelwerberin zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 7.440,-- (hierin enthalten S 1.240,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Der am 15. 4. 1931 (laut eigenen Angaben und laut Sterbeurkunde am 11. 3. 1931) geborene und am 10. 2. 2000 verstorbene Jovan R***** stellte am 27. 9. 1994 beim jugoslawischen Sozialversicherungsträger einen Antrag auf Invaliditätspension, der im Hinblick auf die in Österreich erworbenen Versicherungszeiten entsprechend dem Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter übermittelt wurde, bei der er am 25. 4. 1995 einlangte. Von der in Österreich leistungszuständigen Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen wurde der nach dem Günstigkeitsprinzip als Antrag auf Gewährung einer vorzeitigen Alterspension gewertete Antrag nach Durchführung des zwischenstaatlichen Verfahrens mit Bescheid vom 30. 8. 1996 mit der Begründung abgelehnt, dass die Wartezeit nicht erfüllt sei. Jovan R***** weise insgesamt nur 177 Versicherungsmonate (an Stelle von geforderten 180) auf. Dieser Bescheid vom 30. 8. 1996 blieb unangefochten.
Am 18. 8. 1997 langte bei der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen ein mit ,Antrag auf rueckwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gem. 101 ASVG" bezeichnetes Schreiben des Jovan R***** ein, in dem er darauf hinwies, er sei nicht aufgeklärt worden, dass er bei Zahlung von drei Versicherungsmonaten einen Anspruch auf Alterspension habe. Erkennbar begehrte er darin die Zuerkennung einer Alterspension ab 1. 5. 1996 ,nach Einzahlung von drei fehlender freiwilliger Beitraegen". Dieses Schreiben wertete die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen als Antrag auf Alterspension ab 1. 9. 1997. Sie antwortete mit Schreiben vom 16. 12. 1997, dass ein Anspruch auf Alterspension nur dann entstehen könnte, wenn Jovan R***** noch drei Beitragsmonate durch Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung erwerbe. Da jedoch das Abkommen über Soziale Sicherheit zwischen Österreich und Jugoslawien zum 30. 9. 1996 gekündigt worden sei, könne der Antrag auf Alterspension zur Zeit nicht weiter behandelt werden; entschieden werden könne darüber jedenfalls erst nach Abschluss eines neuen Sozialversicherungsabkommens. Unter der Voraussetzung des Abschlusses eines neuen Sozialversicherungsabkommens könne ein Anspruch auf Alterspension frühestens zum Stichtag 1. 9. 1997 entstehen.
In seiner Antwort vom 26. 12. 1997 erklärte sich Jovan R***** bereit, die drei fehlenden Monatsbeiträge zu entrichten; er war aber im Hinblick auf die Vollendung des 65. Lebensjahres am 15. 4. 1996 nicht mit einem Stichtag 1. 9. 1997 einverstanden und beantragte die Zuerkennung der Alterspension ab 1. 5. 1996.
Am 29. 1. 1998 gab die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen dem Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Pensionsversicherung der Arbeiter für die Zeit vom 1. 8. 1996 bis 31. 10. 1996 statt und legte den monatlichen Beitrag mit S 1.504,80 fest.
Am 13. 2. 1998 richtete Jovan R***** neuerlich ein mit ,Antrag auf rueckwirkende Herstellung des gesetzlichen Zustandes gem. Art. 101 ASVG" bezeichnetes Schreiben an die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen. Er habe nach Zahlung von drei freiwilligen Versicherungsmonaten für die Zeit von Januar bis März 1996 Anspruch auf Alterspension ab 1. 5. 1996. Es sei versehentlich unterlassen worden, ihn über die Möglichkeit der Zahlung von weiteren drei Versicherungsmonaten aufzuklären; mit dem Bescheid vom 30. 8. 1996 sei er im Glauben gehalten worden, er habe keinen Anspruch auf Alterspension.
Diesen Standpunkt wiederholte Jovan R***** im wesentlichen in einem Schreiben vom 27. 2. 1998. Seines Erachtens wäre der Antrag vom 27. 9. 1994 auch als Antrag auf Alterspension zu prüfen gewesen. Für den Fall, dass ein Anspruch auf Alterspension ab 1. 4. bzw 1. 5. 1996 weiterhin verneint werde, ersuchte er um bescheidmäßige Erledigung hinsichtlich seines ,Antrages vom 13. 02. 1998 /101 ASVG/".
Mit Bescheid vom 27. 4. 1998 lehnte daraufhin die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen den ,Antrag auf Gewährung einer Alterspension" mit der Begründung ab, dass jedenfalls die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Daraufhin richtete Jovan R***** am 15. 5. 1998 folgendes Schreiben an die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen:
"Widerspruch / Klage gegen den Bescheid vom 27. 04. 1998
Sehr geehrte Damen und Herren,
da es sich hier offensichtlich um ein Missverständnis handelt, bitte ich um dringende Richtigstellung. Bei meinem Antrag vom 13. 02. 1998 handelt es sich nicht um einen Neuantrag, sondern um Antrag auf Herstellung des Gesetzlichen Zustandes hinsichtlich Ihres Bescheides vom 30. 08. 1996 wozu ich gem. 101 ASVG berechtigt bin. Verweisend auf die Ausführungen in meinem Antrag, als auch auf den Tatbestand dass die fehlenden drei Monate Beitragszeiten eingezahlt sind bitte ich um dringendes Verfahren.
Die Versicherten insbesondere auslaendische Versicherte sind vor Bescheiderteilung einzuleiten wie sie ihr Anspruch wahrmachen koennen, insbesondere wenn wie in meinem Falle lediglich drei Monate gefehlt haben.
Bereits bei dem Antrag vom 27. 09. 1994 war ich darauf hinzuweisen, dass bei Zahlung von 3 Versicherungsmonaten die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Alterspension mit 65 Jahren erfuellt sind. Da dieses unterlassen wurde wurde ich wenn auch sicherlich nicht absichtlich irregefuehrt. Insbesondere, da inzwischen 65 Jahre alt - somit vor Bescheiderteilung - war ich entsprechend zu belehren und es war mir bei Einzahlung der drei fehlenden Versicherungsmonate die Alterspension mit Anfal des 65. Lebensjahres zu gewaehren.
Somit ist der gesetzliche Zustand herzustellen, festzustellen dass im Pensionsverfahren hinsichtlich des Antrages vom 27. 09. 1994 auf Invaliditaetspension innerhalb des Verfahrens das 65. Lebensjahr vollendet wurde und bei Zahlung von 3 Versicherungsmonaten wozu ich berechtigt war, und welche ich bei entsprechender Anleitung auch sofort eingezahlt haette, die Voraussetzungen fuer die Zuerkennung der Alterspension mit 65 Jahren erfuellt waren.
Die rechtzeitige Zuerkennung auf Leistung der Alterspension mit 65 Jahren wurde somit verfehlt durch Versaeumnis der entsprechenden Anweisung und Dieses sei richtigzustellen, in dem die 3 inzwischen eingezahlten Versicherungsmonate in den Zeitraum wie in der Einzahlung angegeben einzuordnen sind und mir die Alterspension mit rechtzeitigem Zeitpunkt zuzuerkennen ist.
Mit der Bitte um dringendes Verfahren, fuer Ihre Muehe dankend verbleibe ich mit freundlichen Gruessen ..."
Die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen sah dieses Schreiben als Klage nach § 84 ASGG an und leitete es samt Klagebeantwortung nach § 85 Abs 2 ASGG an das Erstgericht weiter. Darin beantragte sie die Abweisung der Klage und wandte im wesentlichen ein, dass in der Pensionsversicherung das Antragsprinzip herrsche. Im konkreten Fall sei ein zeitgerechter Antrag (auf Alterspension ab 1. 5. 1996) nicht gestellt worden, sodass als frühester Stichtag der 1. 9. 1997 in Frage komme. Zu diesem Zeitpunkt habe aber kein Abkommen über Soziale Sicherheit mit Jugoslawien bestanden. Da über den Antrag vom 27. 9. 1994 rechtskräftig abgesprochen worden sei, sei auch kein unter § 101 ASVG zu subsumierender Fall vorgelegen, weshalb das Schreiben des Jovan R***** vom 12. 8. 1997 als neuerlicher Antrag gewertet worden sei.
Das Erstgericht wies die "Klage" ab. Zum Stichtag 1. 10. 1994 sei weder die Wartezeit für eine vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit noch für eine Invaliditätspension erfüllt gewesen. Für die begehrte Alterspension sei erst durch den am 12. 8. 1997 gestellten Antrag der Stichtag 1. 9. 1997 ausgelöst worden. Da das österreichisch-jugoslawische Abkommen über Soziale Sicherheit zum 30. 9. 1996 gekündigt worden und bislang kein neues Abkommen in Kraft getreten sei, hätten die 111 jugoslawischen Beitragsmonate für die Wartezeit für eine österreichische Teilalterspension nicht mehr berücksichtigt werden können. Zum Stichtag 1. 9. 1997 habe Jovan R***** insgesamt nur 69 österreichische Versicherungsmonate erworben, weshalb er die Wartezeit für die Alterspension nicht erfüllt habe. Das Gericht habe meritorisch zu entscheiden, da die Zulässigkeit der rückwirkenden Herstellung des gesetzlichen Zustandes nicht im Rechtsweg überprüft werden könne.
Aus Anlass der Berufung der (fortsetzungsberechtigten) Witwe hob das Berufungsgericht das Ersturteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die "Klage" zurück. Der vormalige "Kläger" habe seinen Antrag vom 12. 8. 1997 bzw vom 13. 2. 1998 und vom 27. 2. 1998 ausdrücklich auf § 101 ASVG gestützt. Die Ablehnung eines Antrags gemäß § 101 ASVG sei aber nicht als Leistungs-, sondern als Verwaltungssache zu beurteilen; für eine Klage sei der Rechtsweg unzulässig. Mit dem Bescheid vom 27. 4. 1998 habe die beklagte Partei keine erstmalige Entscheidung über eine Alterspension getroffen, sondern ausdrücklich den Antrag gemäß § 101 ASVG erledigt. Das Erstgericht habe daher über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt. Der vom vormaligen "Kläger" angestrebten Erledigung durch Zuerkennung einer Alterspension stehe der unangefochtene Bescheid der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen (vom 30. 8. 1996) entgegen. Die behauptete schuldhafte Verletzung einer Beratungspflicht durch die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen könnte allenfalls auf der Grundlage der Amtshaftung zu Schadenersatzansprüchen führen.
Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Katarina R***** aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und diesem eine Sachentscheidung über die Berufung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist im Sinne des auch im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren geltenden § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen liegt tatsächlich keine Klage gemäß § 82 ASGG vor, auch wenn das Schreiben vom 15. 5. 1998 ausdrücklich als "Widerspruch/Klage gegen den Bescheid vom 27. 04. 1998" bezeichnet ist. Inhaltlich geht es dem Einschreiter eindeutig und allein um die Herstellung des gesetzlichen Zustandes gemäß § 101 ASVG hinsichtlich des Bescheides vom 30. 8. 1996; er nimmt nicht die Entscheidungskompetenz des Gerichtes in Anspruch, sondern seine an die beklagte Partei gerichtete Eingabe stellt sich inhaltlich nur als Betreibung einer Entscheidung über den von ihm gestellten Antrag gemäß § 101 ASVG durch den Versicherungsträger dar.
Nach der mit der Entscheidung SSV-NF 3/76 = SZ 62/117 = JBl 1989, 736 begründeten, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Frage, ob der gesetzliche Zustand herzustellen ist, im Verwaltungsweg auszutragen (zustimmend etwa Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995], 617 ff). Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 25. 6. 1994 (DRdA 1995/20, Moritz) der Argumentation des Obersten Gerichtshofes angeschlossen. Damit ist klargestellt, dass die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 101 ASVG den Gerichten zwingend entzogen ist.
Daraus folgt, dass den Antrag vom 15. 5. 1998 nicht das Gericht, sondern der Versicherungsträger zu erledigen hat. Dieser hat jedoch auf Grund des Schriftsatzes des "Klägers" eine unzulässige "Klagebeantwortung" bei Gericht eingebracht. Den Gerichten fehlt es jedoch an einer Entscheidungskompetenz über das von Jovan R***** gestellte Rechtsschutzbegehren.
Damit müssen aus Anlass des Rekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen als nichtig aufgehoben werden. Gleichzeitig ist die Eingabe vom 15. 5. 1998 an den zuständigen Versicherungsträger zurückzustellen, dem die Erledigung im Verwaltungsweg zukommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs 1 ZPO. Der beklagten Partei ist die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens als Verschulden zuzurechnen. Im Sinne des § 77 Abs 2 ASGG ist von einer Kostenbemessungsgrundlage von S 50.000,-- auszugehen.
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