OGH 10Ob63/05w

OGH10Ob63/05w28.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Edith S*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Oktober 2004, GZ 43 R 571/04w ua -250, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Auf den vorliegenden Revisionsrekurs sind noch die Bestimmungen des AußStrG RGBl 1854/208 anzuwenden, weil das Datum der Entscheidung erster Instanz vor dem 1. 1. 2005 liegt (§ 203 Abs 7 AußStrG BGBl I 2003/111).

Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der als „Antrag gemäß § 14a AußStrG, verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs" ausgeführte Schriftsatz vom Erstgericht im Sinne der Entscheidung des Rekursgerichtes vom 29. 3. 2005 (ON 303) zutreffend als außerordentlicher Revisionsrekurs gemäß § 14 Abs 5 AußStrG vorgelegt wurde und als solcher zu behandeln ist, da der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.

Vor der inhaltlichen Behandlung des Revisionsrekurses ist auf die ausführliche Begründung des Rekursgerichtes, die Betroffene habe den von ihr gewählten Rechtsanwalt zur Wahrung ihrer Interessen wirksam bevollmächtigen können, zu verweisen. Soweit die Betroffene in ihrem Revisionsrekurs darauf verweist, dass der bestellte Sachwalter ohne ihr Einverständnis diese Bevollmächtigung des gewählten Rechtsanwaltes mittlerweile mit sofortiger Wirkung widerrufen habe, ist darauf hinzuweisen, dass der für die Betroffene (neu) bestellte Sachwalter nur mit bestimmten Aufgaben (Vermögensverwaltung, Vertretung vor Behörden und Sozialversicherungsträgern) betraut wurde und der Widerruf von Vollmachten, die ebenfalls eine Angelegenheit iSd § 273 Abs 3 ABGB darstellen kann (vgl Stabentheiner in Rummel, ABGB3 § 273 Rz 2) unter den Beschränkungen der Betroffenen nicht aufscheint. Doch selbst wenn auch der Widerruf von Vollmachten von den Beschränkungen der Betroffenen umfasst wäre, könnte sich dies nicht darauf beziehen, dass die Betroffene die Aufhebung der Sachwalterschaft selbst und damit auch die Aufhebung einer solchen Beschränkung zu erreichen sucht, da die Betroffene in dem Umfang, in dem sie trotz der Bestellung eines Sachwalters im außerstreitigen Verfahren ohne Mitwirkung des Sachwalters einschreiten darf, durch einen Bevollmächtigten wirksam auftreten kann (8 Ob 550/87). Es ist daher weiterhin von der Wirksamkeit der Bevollmächtigung auszugehen.

In der Sache selbst wird von der Betroffenen nur die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips (wegen der möglichen Hilfeleistung durch ihren Sohn und dessen Ehegattin) geltend gemacht. Ihr Sohn und dessen Ehegattin sorgten für ihre hervorragende und vorbildliche Verpflegung.

Es ist zwar richtig, das gemäß § 273 Abs 2 ABGB die Bestellung eines Sachwalters subsidiären Charakter hat und nur dann erfolgen darf, wenn der Betroffene nicht anders, etwa durch Hilfe im Rahmen der Familie in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen. Dies darf jedoch nicht zur völligen Verdrängung des dem Sachwalterrecht innewohnenden Schutzgedankens führen. Hilfe im Sinne dieser Gesetzesstelle kann nur ein Tätigwerden bedeuten, das dazu beiträgt, eine bestimmte Willensbildung des Betroffenen zu verwirklichen. Sie setzt voraus, dass der Betroffene noch zu eigenem Handeln fähig ist, also noch ein bestimmtes Maß an Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorhanden ist (RIS-Justiz RS0049004). Nur dann, wenn sich der Betroffene der Hilfe anderer in rechtlich einwandfreier Weise bedienen kann (etwa durch Vollmachtserteilung, Genehmigung einer vorangegangenen Geschäftsführung usw), wäre also die Bestellung eines Sachwalters unzulässig (RIS-Justiz RS0048997).

Die Beurteilung der Frage, ob jemand einen Sachwalter benötigt, hängt immer von den persönlichen Verhältnissen und den Lebensumständen ab. Die Frage, ob eine Sachwalterschaft aufzuheben ist, hat daher in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und kann somit an den Obersten Gerichtshof grundsätzlich nicht herangetragen werden (4 Ob 272/97x ua). Wenn das Rekursgericht diese Maßnahme der Rechtsfürsorge als Schutz der Betroffenen für erforderlich erachtete, weil die Betroffene nicht in der Lage sei, eine Vollmacht in Bezug auf die vom Sachwalter zu erledigenden komplexen Angelegenheiten (zB Vermögensverwaltung) zu erteilen und eine Bestellung des Sohnes der Betroffenen und dessen Ehegattin auch im Hinblick auf die Gefahr einer Interessenkollision nicht in Betracht komme, so kann darin keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden. Die Gefahr einer Interessenkollision wurde vom Rekursgericht nachvollziehbar unter anderem damit begründet, das der nunmehr allein für die Betroffene Einschreitende, jedoch vorher vom Sohn der Betroffenen bevollmächtigte Rechtsvertreter ohne Befassung der bestellten Sachwalterin einen Kaufvertrag betreffend die Eigentumswohnung der Betroffenen erstellt habe, wobei als Käufer eine offene Erwerbsgesellschaft auftrete, an welcher der nunmehrige Stiefsohn des Sohnes der Betroffenen als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt sei, sodass für diese zu besorgende Angelegenheit ein Widerstreit der Interessen der festgestelltermaßen unter dem starken Einfluss ihres Sohnes und dessen Ehegattin stehenden Betroffenen mit denen ihrer Familienangehörigen bestehe.

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