OGH 10Ob532/94

OGH10Ob532/948.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 21. Jänner 1975 geborenen Martina R*****, Schülerin, ***** infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Martina R*****, vertreten durch DDr.Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 15.Juni 1994, GZ R 494/94-74, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 26.April 1994, GZ 2 P 11/91-69, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als mit ihnen die Antragsausdehnung vom 14.3.1994 gerichtet auf monatliche Unterhaltszahlungen von 9.000 S ab 1.2.1991 zurückgewiesen wurde. Insoweit wird dem Erstgericht aufgetragen, über das ausgedehnte Unterhaltsbegehren neuerlich zu entscheiden.

Text

Begründung

Die am 21.1.1975 geborene Martina R***** entstammt der am 7.1.1993 geschiedenen Ehe von Gertrud und Werner R*****. Sei befand sich aufgrund der im Scheidungsvergleich getroffenen und pflegschaftsbehördlich genehmigten Vereinbarung ihrer Eltern in der Obsorge der Mutter. Am 17.1.1994 beantragte sie, die Unterhaltsverpflichtung des Vaters rückwirkend ab 1.2.1991 von bisher S 3.570 auf S 8.100 monatlich zu erhöhen. Der Vater verdiene bereits seit diesem Datum monatlich ca 45.000 S netto und sei für zwei Kinder unter 10 Jahren und Alexander R***** sorgepflichtig. Der Antragstellerin stünden demnach 18 % des Nettoeinkommens zu. Der eheliche Vater beantragte die Abweisung des Erhöhungsbegehrens.

Am 16.3.1994 brachte die nunmehr volljährig gewordene Martina R***** vor, daß der Vater zumindest 60.000 S netto monatlich verdiene. Daneben könne er sich durchaus auch noch ein Einkommen als Sachverständiger oder Planzeichner verschaffen. Seine nunmehrige Ehegattin sei auf Unterhaltszahlungen nicht angewiesen. Der Unterhaltsanspruch betrage deshalb 9.000 S monatlich, weshalb das Begehren ab 1.2.1991 auf diesen Betrag erhöht werde.

Das Erstgericht gab dem Unterhaltserhöhungsantrag für den Zeitraum vom 1.2.1991 bis zum 30.4.1993 im Umfang von S 7.800 sowie ab 1.5.1993 im Umfang von 8.100 S monatlich statt. Den Ausdehnungsantrag vom 14.3.1994 auf insgesamt 9.000 S monatlich wies es zurück. Dieser Ausdehnungsantrag sei erst nach Vollendung des 19.Lebensjahres des Kindes beim Pflegschaftsgericht eingelangt und könne daher im außerstreitigen Verfahren nicht mehr erledigt werden.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Gemäß § 29 JN, der auch für die außerstreitige Gerichtsbarkeit gelte, bleibe das Pflegschaftsgericht für ein Verfahren, das rechtmäßigerweise bei ihm anhängig gemacht wurde, bis zu dessen Beendigung zuständig, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten. Daraus sei für das Unterhaltsbemessungsverfahren in ständiger Rechtsprechung abgeleitet worden, daß die Frage, ob über ein Unterhaltsbegehren im Außerstreitverfahren oder im streitigen Verfahren zu entscheiden sei, allein davon abhänge, ob das Kind im Zeitpunkt der Anspruchserhebung noch minderjährig oder schon volljährig gewesen sei. Über Unterhaltsbegehren, die vor Volljährigkeit des Kindes erhoben wurden, sei vom Pflegschaftsgericht auch nach eingetretener Volljährigkeit zu entscheiden. Andererseits gelte aber auch im außerstreitigen Unterhaltsbemessungsverfahren der Dispositionsgrundsatz, weshalb ein Anspruch, den ein Minderjähriger nicht geltend gemacht habe, auch nicht den Gegenstand der Entscheidung bilden könne. Die Einleitung des Unterhaltsverfahrens erfolge nur über Antrag, nicht aber von Amts wegen. Der Antrag müsse ein ausreichend bestimmtes Begehren enthalten, zumal § 405 ZPO auch hier sinngemäß anzuwenden sei. Die nachträgliche Volljährigkeit der Antragstellerin habe zwar die Fortführung des bisherigen Verfahrens nicht zu hindern vermocht, habe aber nicht bewirken können, daß bislang noch gar nicht gestellte Teilansprüche nunmehr ebenfalls im Außerstreitverfahren zu entscheiden seien. Andernfalls hätte das Erstgericht über eine nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehörige Sache erkannt. Die Zurückweisung des erweiterten Begehrens entspreche daher der Rechtslage. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf "Abänderung" dahin, daß auch hinsichtlich des erweiterten Begehrens eine Sachentscheidung im außerstreitigen Verfahren getroffen und der erstinstanzliche Beschluß im Sinne vollständiger Antragsstattgabe abgeändert werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurs ist zulässig, weil - soweit überblickbar - zur Frage der Antragsausdehnung in einem außerstreitigen Unterhaltsverfahren nach Volljährigkeit eine Rechtsprechung fehlt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Die Rekurswerberin führt aus, § 29 JN stelle nicht auf den einzelnen Antrag, sondern auf die Rechtssache als solche ab; maßgeblich seien die Umstände im Zeitpunkt, in dem die Rechtssache bei Gericht anhängig gemacht worden sei und das damals zuständige Gericht bleibe bis zur Beendigung der Rechtssache für die Erledigung zuständig. Mit dem Schriftsatz vom 14.3.1994 sei kein weiterer Antrag gestellt, d.h. kein neuer Teilanspruch erhoben worden, sondern es sei lediglich im Rahmen der bereits anhängigen Unterhaltsbemessungssache das Begehren erweitert worden. Hierüber hätte das bereits angerufene und zuständige Gericht im außerstreitigen Verfahren entscheiden müssen. Die Grundsätze der Verfahrenskonzentration und Verfahrensökonomie würden es gebieten, Änderungen und Erweiterung des Begehrens, insbesondere ohne Vortrag eines zusätzlichen rechtserzeugenden Sachverhalts, möglichst in bereits anhängigen Verfahren zu erledigen. Die Entscheidung über das erweiterte Begehren hätte auch keinen zusätzlichen Prozeßaufwand verursacht. Hingegen führe die Zurückweisung der Antragsausdehnung zwangsläufig dazu, daß hinsichtlich eines bloß aus formalen Gründen nicht erledigten Teilbegehrens von 900 S ein weiteres - streitiges - Verfahren anhängig gemacht werden müsse. Dies sei deshalb besonders widersinnig, weil das ursprünglich zu geringe Begehren nur darauf beruht habe, daß - wie in Unterhaltsverfahren häufig - die wahren Einkommensverhältnisse des Verpflichteten damals noch nicht bekannt gewesen seien.

Diese Ausführungen sind im wesentlichen zutreffend. Es ist einhellige Rechtsprechung auch des Obersten Gerichtshofes, daß über Unterhaltsbegehren, die vor Volljährigkeit des Kindes gestellt wurden, vom Pflegschaftsgericht im Außerstreitverfahren auch nach eingetretener Volljährigkeit zu entscheiden ist (EvBl 1975/143; RZ 1990, 283/117; SZ 57/84; SZ 63/81; EFSlg 61.184, 64.424 uva; ebenso Pichler in Rummel2 Rz 16 zu § 140 ABGB mwN). Es ist richtig, daß auch im Unterhaltsbemessungsverfahren das Antragsprinzip gilt und das Gericht nur im Rahmen des Antrags tätig werden darf (EFSlg 68.575 ua). Nach herrschender Auffassung muß daher der Unterhaltsantrag ein betragsmäßiges Begehren enthalten, wenngleich es vereinzelte ältere Entscheidungen von Instanzgerichten gibt, wonach der Antrag, den Unterhaltspflichtigen ab Antragstag zu einer seinem Einkommen angemessenen Unterhaltsleistung zu verhalten, als noch hinreichend präzisiert angesehen wurde (vgl EFSlg 28.959, 33.435). Zu dieser Frage muß aber hier nicht Stellung genommen werden. Auszugehen ist davon, daß das vor Erreichung der Volljährigkeit eingeleitete Unterhaltsbemessungsverfahren den einem ehelichen Kind nach § 140 ABGB gebührenden angemessenen gesetzlichen Unterhaltsanspruch zum Gegenstand hat. Dieser Unterhaltsanspruch orientiert sich einerseits an den Bedürfnissen des unterhaltspflichtigen Kindes, andererseits an den Lebensverhältnissen der Eltern, insbesondere an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen. Dabei handelt es sich um durchaus variable Größen, die sich im Verlaufe des Bemessungsverfahrens wiederholt ändern können. Hat nun das Außerstreitgericht nach Erreichung der Volljährigkeit des Kindes über die Unterhaltsbemessung im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden, dann muß das nunmehr volljährig gewordene Kind auch berechtigt sein, in diesem weiter zu führenden Verfahren neue Behauptungen aufzustellen, neue Beweismittel anzubieten, aber auch geltend zu machen, daß der gesetzliche Unterhaltsanspruch höher ist als bisher angenommen, etwa weil erst nunmehr die wahren Einkommensverhältnisse des unterhaltspflichtigen Vaters zu Tage gekommen sind. Diese Ausdehnung des Unterhaltsbegehrens bedeutet nicht die Erhebung eines neuen Anspruchs, über den nunmehr im streitigen Verfahren zu entscheiden wäre, sondern stellt inhaltlich eine Präzisierung des bereits geltend gemachten Begehrens auf angemessenen Unterhalt dar. Auch Erwägungen der Verfahrensökonomie sprechen für dieses Ergebnis, weil es in der Tat widersinnig wäre, das unterhaltsberechtigte Kind etwa mit einem relativ geringen Teilbetrag seines Begehrens auf den Prozeßweg zu verweisen, obwohl bereits im Außerstreitverfahren klar auf der Hand läge, daß ihm der höhere Unterhalt gebühren würde.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung über das erweiterte Unterhaltsbegehren aufzutragen.

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