OGH 10Ob511/93

OGH10Ob511/9325.10.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Bauer, Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz H*****, Tischlermeister, ***** vertreten durch Dr.Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wider die beklagte Partei Josef E*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Anton Eichinger, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 102.117,21 sA, infolge der Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 17.Dezember 1992, GZ R 937/92-41, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 15.Juli 1992, GZ 1 C 364/90z-34, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.

Text

Begründung

Am 24.6.1982 schloß der Kläger als Mieter mit dem Beklagten als Vermieter einen Mietvertrag über eine im Haus K*****gasse 7 in M***** gelegene Wohnung. Der Vertrag konnte von beiden Teilen unter Einhaltung einer einmonatigen Frist schriftlich gekündigt werden. Die durch den Kläger als Mieter vorzunehmenden Instandhaltungsarbeiten sollten ausschließlich zu seinen Lasten gehen und bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages vom Beklagten als Vermieter im Sinne des Mietrechtsgesetzes abgelöst werden.

Der Kläger begehrte im vorliegenden Rechtsstreit nach mehrfacher Klagseinschränkung letztlich S 102.117,21, in eventu, diesen Betrag wertgesichert in Form von monatlichen Raten zu je S 2.000,-- vom Beklagten. Er habe mit dessen Zustimmung verschiedene Sanierungsarbeiten in der Wohnung vorgenommen. Am 28.11.1989 habe er das Bestandverhältnis schriftlich gekündigt und gleichzeitig die Kosten seiner Investitionen bekannt gegeben. Ein von ihm namhaft gemachter Nachmieter sei letztendlich vom Beklagten nicht akzeptiert worden. Der Kläger stütze sein Begehren nicht nur auf die Bestimmungen des MRG (§ 10), sondern auch auf jene des ABGB, da er einen notwendigen und nützlichen Aufwand getätigt habe, der nach Beendigung des Mietverhältnisses fortbestehe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Mietvertrag sei einvernehmlich bereits zum 30.11.1989 aufgelöst worden. Ein Ersatzanspruch des Klägers gemäß § 10 MRG sei jedenfalls infolge verspäteter Geltendmachung erloschen. Der Kläger habe ihm die Wohnung erst im April 1990 durch Ausfolgen der Schlüssel ordnungsgemäß zurückgestellt und habe in den darauf folgenden sechs Monaten keine Nachmieter namhaft gemacht. Im übrigen hätten die vom Kläger vorgenommenen Arbeiten nicht der wesentlichen Verbesserung der Wohnung gedient und seien nicht über die Dauer des Mietverhältnisses hinaus von Nutzen. Aufrechnungsweise wurden S 150.338,-- (ua ein Rückgriffsanspruch aus der Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Althaussanierungskredit, Kosten für Reparaturen und von Schäden, die der Kläger verursacht habe) eingewendet.

Das Erstgericht wies sowohl das Klagebegehren wie das Eventualbegehren ab. Es stellte fest, daß es am 13.10.1989 zwischen den Streitteilen zu einer einvernehmlichen Auflösung des Mietvertrages zum 30.11.1989 gekommen sei. Erst nachdem der Beklagte den Kläger am 24.11.1989 zur Räumung der Wohnung gedrängt habe, habe ihm der Kläger schriftlich unter gleichzeitiger Kündigung zum 31. Dezember seine Investitionen angezeigt und die Höhe der dafür erforderlichen Aufwendungen bekannt gegeben. Dies sei jedoch im Sinne des § 10 Abs 4 Z 1 MRG verspätet gewesen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil infolge Berufung des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Zu Unrecht bekämpfe der Kläger die Feststellung, daß die Streitteile einvernehmlich mündlich die Auflösung des Mietverhältnisses zum 30.11.1989 vereinbart hätten. Für Aufwendungen zur wesentlichen Verbesserung der gemieteten Wohnung habe der Hauptmieter unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz, wobei weitergehende Ansprüche nach §§ 1097, 1036 und 1037 ABGB durch § 10 MRG unberührt blieben (§ 10 Abs 8 MRG). Komme es zu einer einvernehmlichen Auflösung des Mietverhältnisses, so sei der Anspruch bei sonstigem Verlust dem Vermieter unter Angabe der Höhe schriftlich spätestens zum Zeitpunkt dieser Auflösung anzuzeigen (§ 10 Abs 4 Z 1 MRG); entscheidend sei dabei das Zustandekommen der einvernehmlichen Auflösung und nicht der vereinbarte Auflösungstermin (MietSlg 39.275/18 = JBl 1987, 531). In der Erklärung des Klägers am 13.10.1989, er werde ausziehen, in der Antwort des Beklagten, der Kläger müsse die einmonatige Kündigungsfrist abwarten und könne daher erst zum 30.11.1989 ausziehen, und in der Annahme dieser Antwort durch den Kläger sei eine Einigung der Vertragsparteien über die Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.11.1989 zu erblicken. Wäre der Beklagte nämlich mit einer einvernehmlichen Beendigung nicht einverstanden gewesen, so hätte er auf einer schriftlichen Kündigung bestanden; hätte der Kläger nicht die feste Absicht gehabt, das Bestandverhältnis aufzulösen, so wäre er von vornherein nicht an den Beklagten herangetreten und hätte nicht darauf vertraut, daß dieser das Bestandverhältnis als nach dem 30.11.1989 beendet ansehen werde, so hätte er wohl entsprechend den Mietvertrag schriftlich gekündigt, um eine Beendigung zum frühest möglichen Zeitpunkt zu erreichen. Durch die Einigung habe sich der Kläger eine schriftliche Kündigung erspart. Eine solche einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses sei auch formfrei möglich (vgl MietSlg 40.421). Die einvernehmliche Auflösung des Bestandvertrages sei daher am 13.10.1989 zustandegekommen. Unstrittig habe der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt seine Ansprüche auf Investitionsabgeltung dem Beklagten nicht schriftlich angezeigt; er habe sie daher im Sinne des § 10 Abs 4 Z 1 MRG verloren. Dieser Rechtsfolge stehe die Formulierung im Mietvertrag, wonach bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages der Beklagte dem Kläger dessen Investitionen "im Sinne des MRG" ablösen solle, nicht entgegen. Diese Wortwahl sei so aufzufassen, daß auf den Ersatzanspruch des Klägers das Mietrechtsgesetz - einschließlich dessen § 10 Abs 4 Z 1 - anzuwenden sei. Daß die Parteien den Willen gehabt hätten, die Anwendbarkeit des MRG in Teilbereichen, etwa bei der Frist für die Geltendmachung der Ansprüche auf Investitionsersatz einzuschränken, könne nicht nur der gewählten Formulierung keinesfalls entnommen werden, sondern sei auch in erster Instanz nie behauptet worden.

Daß Ansprüche des Klägers nach dem MRG nicht bestünden, rechtfertige aber noch nicht die Abweisung des Klagebegehren, weil seine Ansprüche nach dem ABGB bisher nicht geprüft worden seien. § 1097 Satz 2 ABGB regle zwei Fälle von Aufwandersatz des Mieter gegen den Vermieter im Rahmen der sogenannten "angewandten Geschäftsführung", nämlich zum einen für Arbeiten, die dem Bestandgeber obliegen, und zum anderen für "nützlichen" Aufwand. Für die Durchführung von Arbeiten, die dem Bestandgeber obliegen, habe der Bestandnehmer einen sofort fälligen Anspruch auf unbegrenzten Ersatz aller Aufwendungen auf die Bestandsache nach § 1036 ABGB. Für die Durchführung anderer Arbeiten könne der Bestandnehmer nur insoweit Ersatz verlangen, als sie bei Beendigung des Bestandverhältnisses als zum klaren und überwiegenden Vorteil des Bestandgebers erbracht anzusehen seien (§ 1037 ABGB); anders als nach § 10 MRG komme es hier nicht auf den objektiven Nutzen durchschnittlicher Benutzer an. Da auch eine Verfristung im Sinne des § 1097 Satz 2 letzter Halbsatz ABGB nicht vorliege, sei eine inhaltliche Prüfung der Ansprüche des Klägers auf einen solchen Aufwandsersatz erforderlich. Dabei sei zu unterscheiden, ob der Kläger Aufwendungen auf die Bestandsache gemacht habe, die der Beklagte hätte leisten müssen, oder ob dies nicht der Fall gewesen sei. Bei den zuletzt genannten Aufwendungen werde zu untersuchen sein, ob sie bei Beendigung des Bestandverhältnisses einen klaren und überwiegenden Vorteil für den Bestandgeber dargestellt hätten. Was die Gegenforderung des Beklagten anlange, so sei auf § 1111 ABGB hinzuweisen, wonach Ersatzansprüche des Bestandgebers aus der Beschädigung oder mißbräuchlichen Abnützung des Bestandgegenstandes erlöschen, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich (auch durch Einwendung) geltend gemacht würden. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil nicht auszuschließen sei, daß die im Mietvertrag eingefügte Vereinbarung über die Pflicht des Beklagten zur Ablöse der vom Kläger vorzunehmenden Instandhaltungsarbeiten im Sinne des MRG auch anders interpretiert werden könne.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richten sich die Rekurse beider Parteien. Während der Kläger eine Klagstattgebung anstrebt, beantragt der Beklagte die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils. Beide Teile erstatteten auch Rekursbeantwortungen und beantragten darin, dem jeweils gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind unzulässig.

Das Berufungsgericht darf die Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß gemäß § 519 Abs 2 ZPO nur aussprechen, wenn es die Voraussetzungen für gegeben erachtet, unter denen nach § 502 ZPO die Revision zulässig ist. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rekurses an die Beurteilung des Gerichtes zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht gebunden (§ 526 Abs 2 ZPO). Die vorliegenden Rekurse sind also nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichthofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Das Vorliegen einer solchen erheblichen Rechtsfrage wird in keinem der beiden Rekurse dargetan.

Der Kläger bekämpft zunächst die Auffassung, wonach der Bestandvertrag am 13.10.1989 einvernehmlich aufgelöst worden sei. Der Wille des Klägers sei vornehmlich nicht darauf gerichtet gewesen, möglichst bald nicht mehr mit Mietzinszahlungen belastet zu werden, sondern in erster Linie, daß der von ihm namhaft gemachte Nachmieter, der ihm seine Investitionen abgelöst hätte, vom Beklagten akzeptiert werde. Diese Ausführungen lassen die gegenteiligen vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes außer Acht, wonach die Streitteile am 13.10.1989 mündlich die Auflösung des Mietverhältnisses mit 30.11.1989 vereinbart haben (Seite 18 des Ersturteils). Auf die mit dieser ausdrücklichen Feststellung im Widerspruch stehenden rechtlichen Überlegungen des Klägers kann daher nicht weiter eingegangen werden. Selbst wenn man in der Prüfung konkludenter Willenserklärungen eine rechtliche Beurteilung der Sache erblickte, so läge hier im Hinblick auf die im Einzelfall vorzunehmende Konkludenzprüfung ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im aufgezeigten Sinne vor.

Weiters bekämpft der Kläger die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Auslegung der in dem Mietvertrag aufgenommenen Vertragsklausel, wonach die bei der Übernahme durch den Mieter vorzunehmenden Instandhaltungen ausschließlich zu Lasten des Mieters gingen und bei vorzeitiger Auflösung des Mietvertrages vom Mieter im Sinne des MRG abgelöst würden, letztlich nur die Geltung des MRG für diesen Vertrag bewirkt hätte. Der gemeinsame Wille und Sinn dieses Vertragspunktes sei vielmehr gewesen, daß Investitionen im Sinne des MRG abgelöst würden, nicht aber daß das MRG gelten solle, weil es ohnehin zwingend für alle Mietverträge Geltung besitze. Auch insoweit zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf. Eine solche läge nur vor, wenn das Berufungsgericht bei der Auslegung eines Vertrages von den Allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen und der hiezu ergangenen einhelligen Rechtsprechung abgewichen wäre. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl Kodek in Rechberger ZPO Rz 5 zu § 502 mwN). Ein über den Text des Mietvertrages hinausgehendes Verständnis der Parteien wurde in erster Instanz weder behauptet noch festgestellt; die Auslegung des Berufungsgerichtes, daß für die Geltendmachung der Investitionsablöse auch § 10 Abs 4 Z 1 MRG gelten sollte, stellt kein unvertretbares Auslegungsergebnis dar, berücksichtigt man nämlich, daß der Zweck dieser Regelung nicht nur darin liegt, daß der Vermieter wissen soll, daß der bisherige Mieter solche Ersatzansprüche stellt, sondern auch die Höhe des geforderten Betrages kennenlernt, damit er die entsprechenden Beträge im Zuge weiterer Verwertung des Mietgegenstandes berücksichtigen kann (vgl JBl 1987, 531; Krejci in Korinek/Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz 268 mwN).

Der Beklagte vertritt in seinem Rekurs die Auffassung, daß ein Aufwandersatz nach den §§ 1097, 1036 und 1037 ABGB zufolge schlüssiger gegenteiliger Parteivereinbarung nicht geltend gemacht werden könne, weil die Streitteile den Ersatz der Investitionen ausschließlich nach dem Mietrechtsgesetz geregelt haben wollten. Dem ist zu entgegnen, daß die Tatsacheninstanzen mangels diesbezüglicher Behauptungen und Beweisanbote nicht festgestellt haben, die Streitteile hätten der wiederholt zitierten Vertragsbestimmung einen solchen Sinn geben wollen; die vom Beklagten gewünschte Auslegung ist aber auch schon deshalb nicht zwingend, weil § 10 MRG selbst in seinem Abs 8 ausführt, daß weitergehende Ansprüche nach den genannten Bestimmungen des ABGB unberührt bleiben. Soweit der Beklagte weiters darlegt, die vom Kläger getätigten Investitionen stellten keinen nützlichen Aufwand im Sinne des § 1037 ABGB dar, läßt er außer Acht, daß das erstgerichtliche Urteil vom Berufungsgericht gerade zu dem Zweck aufgehoben wurde, um dieser Frage nachzugehen. Auch in diesem Rechtsmittel wird daher eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt.

Bei dieser Sachlage waren daher beide Rekurse zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Beide Parteien haben in ihren Rekursbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Rekurse nicht hingewiesen, sodaß davon auszugehen ist, daß die Rekursbeanwortungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht notwendig waren.

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