Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 25. November 1976 geborene Elisabeth ist das einzige gemeinsame Kind ihrer Eltern Bruno und Ingelrid P***. Sie ist im gemeinsamen Haushalt der Eltern in deren ihnen je zur Hälfte gehörendem Hause in Karnburg aufgewachsen. Im Jahre 1985 übertrug der Vater seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft in das Eigentum seiner Tochter. Der 64-jährige Vater war zuletzt als Oberamtsrat in der Stadtbuchhaltung des Magistrates der Landeshauptstadt Klagenfurt beschäftigt und ist seit 1984 in Pension. Die 50-jährige Mutter ist in Klagenfurt als Hauptschullehrerin beschäftigt. Am 22. Jänner 1986 zog die Mutter aus dem Haus in Karnburg aus. Seither lebt sie mit der Minderjährigen bei ihrer Mutter in Klagenfurt. Da der Vater keine Möglichkeit hatte, mit seiner Tochter persönlich zu verkehren, stellte er im November 1986 den Antrag auf gerichtliche Regelung seines Besuchsrechtes. Mit Beschluß vom 2. Juli 1987 räumte das Erstgericht dem Vater ein Besuchsrecht am 3. Samstag eines jeden Monates in der Zeit von 14 Uhr 30 bis 17 Uhr ein. Die Besuche sind in Anwesenheit der Mutter durchzuführen. Besuchsort ist der Wohnort der Minderjährigen. Dem trotz ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu dieser Regelung eingebrachten Rekurs gegen diese Entscheidung gab das Landesgericht Klagenfurt als Rekursgericht mit Beschluß vom 7. August 1987 keine Folge.
Am 19. September 1987 und 17. Oktober 1987 fanden Besuchskontakte zwischen der Minderjährigen und dem Vater statt. Am 19. September 1987 läutete der Vater, der sich in Begleitung seines Bruders Ing. Friedrich P*** befand, etwa 15 Minuten vor dem festgesetzten Beginn der Besuchszeit an der Wohnungstüre. Die Minderjährige und ihre Mutter verließen die Wohnung und traten vor das Haus ohne den Vater oder seinen Begleiter zu grüßen. Diese gingen darauf der Mutter, dem Kind und der beigezogenen Taufpatin des Kindes auf die Straße nach. Der Vater erklärte, alle Anwesenden auf ein Eis einzuladen und führte von einer Telefonzelle aus noch ein kurzes Telefongespräch. Als er zurückkehrte, teilte die Minderjährige mit, sie könne mit ihrem Vater nicht mitgehen und kehrte in die Wohnung zurück, wohin ihr ihre Mutter folgte. Da die Minderjährige weinte und schrie, verabreichte ihr die Mutter Beruhigungsmittel.
Am 17. Oktober 1987 erwartete Ingelrid P*** mit der Minderjährigen und der von ihr beigezogenen Elke M*** den Vater vor dem Haus Lerchenfeldstraße 10. Nur Elke M*** gab dem Antragsteller anläßlich der Begrüßung die Hand. Dem Vorschlag des Vaters folgend, suchten alle Beteiligten ein Kaffeehaus auf und setzten sich nieder. Die Minderjährige unterließ es, ihren Vater anzusehen und blickte auf die Straße. Kurz darauf stand sie auf, erklärte, sie gehe nach Hause und verließ das Lokal. Ihre Mutter folgte ihr.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen Univ.-Prof.Dr. W*** nimmt die Minderjährige dem Vater gegenüber eine Abwehrhaltung ein, die ein Spiegelbild der von der Mutter dem Vater entgegengebrachten Angst- und Haßeinstellung ist. Weil zwischen der Mutter und dem Kind ein stark symbiotisches Verhältnis besteht, sind die Abwehrhaltungen des Kindes zum Teil psychischer zum Teil somatischer Natur. Der Vater sei dem Kind unheimlich und unappetitlich, er wirke auf seine Tochter grausam, rustikal und derb. Er erscheine ihr lüstern zu sein und die Absicht zu haben, Mutter und Kind zu vernichten. Diese Gefühle habe die Minderjährige durch die starke Identifikation von der Mutter übernommen, die dem Kind vom Vater fast nur Schlechtes erzählt habe. Viele Formulierungen des geistig und seelisch frühreifen Kindes können nur von einem Erwachsenen stammen. Trotz der totalen Ablehnung des Vaters durch das Kind dürfe nicht außer Acht gelassen werden, daß die kommende Pubertät und die Adoleszenz mit Ablösungswünschen Konfliktsituationen mit der Mutter hervorbringen und dann starke Schuldgefühle gegenüber dem Vater hervortreten werden. Einer solchen Entwicklung dürfe nicht freier Lauf gegeben werden. Es müsse dem Kind die Möglichkeit zu einem guten Partnerverhältnis verschafft werden, was angesichts der starken Mutterbindung schwer genug sein werde. Sei dann die Vaterbindung durch Gefühle des Abscheus und des Hasses gestört, dann werde das Mädchen keine Partnerbeziehung aufbauen können. Zum Wohle des Kindes und im Interesse seiner Zukunft müsse daher eine schrittweise Annäherung an den Vater verlangt werden. Der Weg werde über die Mutter zum Kind führen müssen, die als Lehrerin zu begreifen habe, was sie dem Kind antue, wenn sie aus einem verletzten Gefühl heraus das Kind zur gleichen Ablehnung des Vaters bringe, wie sie sie gegenüber ihrem Mann empfinde. Das Besuchsrecht des Vaters werde allerdings in sehr eingeschränkter Form ausgeübt werden müssen und erst nach etwa einem Jahr sollte es eintägige Besuche einmal im Monat geben, wobei für eine fehlende Kooperation der Mutter wohl Sanktionen angewendet werden müßten. Die Mutter beantragte am 28. September 1987, das Besuchsrecht zumindest für die Dauer eines Jahres zu untersagen bzw. aufzuheben, der Vater beantragte am 7. August 1987 und 30. September 1987, die Durchsetzung seines Besuchsrechtes gemäß § 19 AußStrG durch Zwangsmaßnahmen zu erwirken.
Das Erstgericht wies den Antrag der Mutter ab und erteilte ihr einen Verweis. Das ohnedies stark eingeschränkte Besuchsrecht des Vaters dürfe im Interesse der künftigen Entwicklung des Kindes nicht gänzlich entzogen werden. Die Mutter, die als Lehrerin über pädagogische Fähigkeiten verfüge, habe es unterlassen, auf ihre Tochter beispielhaft dahin einzuwirken, daß dem Vater die Ausübung des Besuchsrechtes ermöglicht werde.
Das Rekursgericht gab den dagegen erhobenen Rekursen der Mutter keine Folge. Daß die Ausübung des Besuchsrechtes nicht sofort klaglos und ohne Schwierigkeiten funktionieren werde, sei nach dem Sachverständigengutachten ohnehin klar gewesen sonst hätte es nicht der getroffenen wesentlichen Einschränkungen bedurft. Zunächst auftretende Belastungen für das Kind müßten im Hinblick auf den langfristig positiven Effekt des Kontaktes zwischen Vater und Kind in Kauf genommen werden, weil dies dem Wohl des Kindes entspreche. Schon beim zweiten Kontakt sei eine erhebliche Milderung der Situation eingetreten. Zur Einholung eines weiteren Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Jugendpsychologie habe daher kein Anlaß bestanden, dies umso weniger, als die Ehe der Eltern inzwischen nach § 55 a EheG geschieden sei und anläßlich der einvernehmlichen Scheidung die Eltern eine Vereinbarung geschlossen hätten, wonach das Besuchsrecht des Vaters bereits mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 2. Juli 1987 gerichtlich geregelt sei. Die Scheidung könne zu einem Abbau der Haßgefühle und zu einer wesentlichen Entspannung der Situation beitragen.
Die Mutter sei dem Gerichtsauftrag nach dem das Besuchsrecht am Wohnsitz des Kindes also im Hause Lerchenfeldstraße 10 auszuüben sei, bisher überhaupt noch nicht nachgekommen. Ihr Verhalten anläßlich der ersten Besuchskontakte sei geeignet gewesen, die Ablehnung des Kindes dem Vater gegenüber zu vertiefen anstatt diese abzubauen. Sie sei ihrer Verpflichtung zu einer positiven Motivierung nicht nachgekommen. Die verhängte Sanktion eines Verweises sei daher gerechtfertigt.
Gegen diese bestätigende Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter gemäß § 16 AußStrG wegen Aktenwidrigkeit, Verfahrensmängel vom Gewicht einer Nullität und offenbarer Gesetzwidrigkeit.
Rechtliche Beurteilung
Eine Aktenwidrigkeit liegt dann vor, wenn das Rekursgericht in seiner Entscheidung den Inhalt einer Parteibehauptung oder eines Beweismittels unrichtig wiedergegeben hat und deshalb zur Feststellung eines fehlerhaften Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt gelangt ist. Davon kann hier keine Rede sein. Nach dem Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 2. Juli 1987 ist der Besuchsort der Wohnort der Minderjährigen. Es trifft keineswegs zu, daß Einvernehmen zwischen den Eltern darüber geherrscht hätte, das Besuchsrecht sei nicht in der Wohnung auszuüben, der Vater hat in mehreren Eingaben vielmehr darauf hingewiesen, daß ihm der Eintritt in die Wohnung verwehrt worden sei und sich gegen die Zuziehung auch fremder Personen durch die Mutter ausgesprochen. Die Revisionsrekurswerberin hat daher nicht nur durch mangelnde positive Beeinflussung des Kindes sondern auch durch die Weigerung der Ermöglichung des Besuchsrechtes in der Wohnung Verfügungen des Gerichtes unbefolgt lassen. Bei Beurteilung, ob gegen Parteien, welche die an sie ergangenen Verfügungen des Gerichtes unbefolgt lassen, geeignete Zwangsmaßnahmen zu verhängen sind, hat das Gericht alle erheblichen Umstände des Einzelfalles, in erster Linie das Wohl des Minderjährigen, abzuwägen, da ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen, wie sie etwa in der Exekutionsordnung enthalten sind, nicht bestehen. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Zusammenhang mit der Durchführung oder Ablehnung einer Maßnahme nach § 19 Abs. 1 AußStrG kann einem Gericht im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung daher nicht unterlaufen (EvBl. 1970/197 SZ 44/180 ua).
Gemäß § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG sind die Gerichte im Außerstreitverfahren verpflichtet, alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen. In dem Vorbringen der Mutter, die Vorinstanzen hätten es unterlassen, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen und das Rekursgericht habe das vorgelegte Privatgutachten zu Unrecht nicht berücksichtigt, liegt zunächst nur die Behauptung eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Z 5 ZPO, also eines Verfahrensmangels, dem aber das Gericht einer Nullität nur dann zukommen könnte, wenn die Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch die Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens - hier das Kindeswohl - vollkommen außer Acht gelassen würden (EFSlg. 30.551, 32.611 ua). Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Das Rekursgericht hat sich mit den Einwänden der Mutter ausführlich auseinandergesetzt und ist bei der Beurteilung des Kindeswohles dem Sachverständigengutachten gefolgt. Die bloße Ablehnung des zusätzlichen Beweisantrages und die Nichtverwertung des Privatgutachtens - welches im Übrigen mit Ausnahme einer nunmehr ohnedies schon verstrichenen Zeit der Unterbrechung der Besuchskontakte des Vaters die positiven Auswirkungen eines solchen Kontaktes mit dem Vater ebenso bejaht wie das gerichtliche Gutachten - könnte selbst dann, wenn ein Verfahrensmangel vorläge, keine Nichtigkeit begründen.
Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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