OGH 10Ob47/16h

OGH10Ob47/16h28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am 28. Jänner 1999 geborenen mj V*, wegen Unterhalts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters U*, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Burkhard Oexmann, Dr. Dorothee Voschepoth und Regina Oexmann, Rechtsanwälte in Lippetal, Bundesrepublik Deutschland, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. März 2016, GZ 3 R 249/15p‑115, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 10. Juni 2015, GZ 7 Pu 101/11g‑81, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E115452

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

Wie sich aus dem Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 8. 2. 2011, GZ 7 Fam 30/10d‑26 ergibt, wurde U* K* (im Folgenden nur: „Antragsgegner“) als Vater der 1999 geborenen mj V* H* festgestellt.

Das Erstgericht erhöhte die zuletzt mit 680 EUR festgesetzte monatliche Unterhaltspflicht des Antragsgegners für V* auf monatlich 1.053 EUR für die Zeit von 1. 5. 2012 bis 30. 6. 2012; auf 1.074 EUR für die Zeit von 1. 7. 2012 bis 30. 6. 2013; auf 1.098 EUR für die Zeit von 1. 7. 2013 bis 31. 1. 2014; auf 1.293 EUR für die Zeit von 1. 2. 2014 bis 30. 6. 2014 und auf 1.317 EUR für die Zeit ab 1. 7. 2014.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Im Rekursverfahren schritt für den Antragsgegner die deutsche Rechtsanwaltssozietät Dr. Oexmann ein, der die Rekursentscheidung am 13. 4. 2016 zugestellt wurde.

Gegen die Rekursentscheidung richtet sich das von der Rechtsanwaltssozietät Dr. Oexmann per Fax (somit nicht im elektronischen Rechtsverkehr) erhobene Rechtsmittel des Antragsgegners, das am 25. 4. 2016 beim Erstgericht einlangte (ON 117). Als Begründung wird ausgeführt, dass der Antragsgegner nicht der Vater der mj V* H* sei; der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 8. 2. 2011, GZ 7 Fam 30/10d‑26, sei mangels Beteiligung des Antragsgegners am Verfahren nichtig. Das Grundrecht des Antragsgegners auf rechtliches Gehör sei in diesem Verfahren verletzt worden.

Das Erstgericht stellte das Rechtsmittel binnen einer Frist von 14 Tagen zur Verbesserung zurück (ON 118). In dem Verbesserungsauftrag wird ausgeführt, dass im Revisionsrekursverfahren absolute Anwaltspflicht bestehe, weshalb das Rechtsmittel durch einen Rechtsanwalt unterfertigt sein müsse, die Nachweise/Bescheinigungen gemäß § 5 EIRAG dem Rechtsmittel anzuschließen seien und das Rechtsmittel eine Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG zu enthalten habe.

Am 13. 5. 2016 langte beim Erstgericht eine (nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte) Eingabe ein (ON 119). Diese weist zwar nunmehr die Originalunterschrift des Rechtsanwalts Dr. Oexmann auf, im Übrigen ist sie mit dem per Fax erhobenen Rechtsmittel ON 117 inhaltsgleich. Ein schriftlicher Nachweis eines Einvernehmens mit einem in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) ist darin nicht enthalten.

Das Erstgericht legte das Rechtsmittel unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Aktenvorlage widerspricht dem Gesetz.

1.1 Ein Revisionsrekurs ist (außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG) jedenfalls unzulässig (§ 62 Abs 3 AußStrG), wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und – wie hier – das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den (ordentlichen) Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat.

1.2 Der Anspruch des Kindes auf Unterhalt ist rein vermögensrechtlicher Natur iSd § 62 Abs 4 AußStrG. Dieser Anspruch ist gemäß § 58 Abs 1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung zu bewerten ( RIS‑Justiz RS0103147).

2.1 Der Gegenstand, über den das Rekursgericht in seinem Beschluss entschieden hat, übersteigt im vorliegenden Fall nicht 30.000 EUR:

Sind auch laufende Ansprüche zu beurteilen, kommt es grundsätzlich auf jenen monatlichen Unterhaltsbeitrag an, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war; der Rückstand ist der dreifachen Jahresleistung nicht hinzuzurechnen (RIS‑Justiz RS0122735). Entscheidend ist dabei nicht der Gesamtbetrag, sondern nur der Erhöhungsbetrag (RIS‑Justiz RS0046543).

2.2 Strittig ist im vorliegenden Fall demnach die Differenz zwischen dem vom Erstgericht zuletzt mit 680 EUR festgesetzten laufenden monatlichen Unterhalt und dem von den Vorinstanzen der Minderjährigen nunmehr zugestandenen Betrag von insgesamt 1.317 EUR, somit ein Betrag von monatlich 637 EUR. Multipliziert mit 36 ergibt sich ein Entscheidungsgegenstand von 22.932 EUR.

2.3 Die zusätzlich begehrten bereits fälligen Ansprüche führen zu keiner Erhöhung dieser Bewertung, weil der Durchschnitt dreier Jahre bereits fälligen Unterhalts nicht höher ist als das Dreifache der Jahresleistung des laufenden Unterhalts (RIS‑Justiz RS0103147).

3.1 Übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts somit nicht 30.000 EUR, steht einer Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG nur ein Antrag an das Rekursgericht offen, den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung). Die Zulassungsvorstellung ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden und zunächst dem funktional zuständigen Rekursgericht zur Entscheidung über den Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs vorzulegen.

3.2 Ob die dem Rekursgericht vorzulegende Eingabe ON 117 (bzw nach Verbesserung ON 119) den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder – trotz bereits vom Erstgericht erteilten Verbesserungsauftrags – dies nicht der Fall ist, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RIS‑Justiz RS0109623 [T13 und T14]; zur Pflicht eines dienstleistenden europäischen Rechtsanwalts iSd § 1 Abs 1 EIRAG zur Benennung eines Einvernehmensrechtsanwalts: 3 Ob 210/14z; RIS‑Justiz RS0130040; RS0129660; zur Pflicht bei der Vertretung von Mandanten vor österreichischen Gerichten zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr nach § 4 EIRAG: 2 Ob 36/15f).

4. Solange das Rekursgericht nicht auf eine Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs entschieden hat, ist der Oberste Gerichtshof sowohl betreffend die Fragen der Zulässigkeit und der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels als auch dessen inhaltlicher Berechtigung funktionell nicht zuständig (RIS‑Justiz RS0109623 [T20]).

Da das Rechtsmittel nicht dem Obersten Gerichtshof hätte vorgelegt werden dürfen, sondern dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen ist (§ 69 Abs 3 AußStrG), ist die Rückleitung an das Erstgericht anzuordnen.

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