OGH 10Ob47/09y

OGH10Ob47/09y8.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Mattias J*****, geboren am 9. September 2006, *****, vertreten durch das Land Niederösterreich als Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, Fischamender Straße 10, 2460 Bruck an der Leitha), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 11. Februar 2009, GZ 23 R 7/09f-U-12, womit der Rekurs des Bundes gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 3. November 2008, GZ 1 P 120/08m-U-3, als verspätet zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Bundes wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom Zurückweisungsgrund der Verspätung aufgetragen.

Text

Begründung

Der am 9. 9. 2006 geborene Mattias J***** ist der Sohn von Michaela K***** und Jiri J*****. Das Kind lebt bei der Mutter; der Vater ist zu Geldunterhalt verpflichtet.

Mit Beschluss vom 3. 11. 2008 gewährte das Erstgericht dem Kind Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in der monatlichen Höhe von 100 EUR. Dieser Beschluss wurde dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien als Vertreter des Bundes am 5. 11. 2008 zugestellt.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Bundes als verspätet zurück und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ausgehend von einer Zustellung am 5. 11. 2008 sei der laut Eingangsvermerk am 24. 11. 2008 zur Post gegebene Rekurs verspätet; eine Berücksichtigung des verspäteten Rechtsmittels gemäß § 46 Abs 3 AußStrG sei nicht möglich.

Im Hinblick auf eine einem Aktenvermerk des Erstgerichts vom 20. 11. 2008 (ON 6) angeschlossene Telekopie des Rekurses mit einem Absendedatum 19. 11. 2008 und einer Eingangsstampiglie mit dem Datum 20. 11. 2008 erklärte das Rekursgericht in der Folge den Revisionsrekurs für zulässig.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Rekursgerichts vom 11. 2. 2009; dem Rekursgericht möge die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen werden.

Das Kind, der Vater und die Mutter haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelwerber bringt vor, dass der Rekurs gegen den am 5. 11. 2008 zugestellten Beschluss bereits am 19. 11. 2008 und damit fristwahrend eingebracht worden sei.

Dazu wurde erwogen:

1. § 62 Abs 1 AußStrG erfasst mit dem Begriff „Revisionsrekurs" nicht nur das Rechtsmittel gegen die Sachentscheidung des Gerichts zweiter Instanz über einen Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung. Die Bestimmung regelt vielmehr schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts" und gilt daher etwa auch für Beschlüsse, mit denen ein Antrag oder ein Rekurs ohne Sachentscheidung aus rein formalen Gründen zurückgewiesen wird (8 Ob 131/08k; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 62 Rz 2). Weist daher das Gericht zweiter Instanz „im Rahmen des Rekursverfahrens" den Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung wegen Verspätung zurück, so ist auch dieser Beschluss unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (RIS-Justiz RS0120974).

2. In Bezug auf die Beurteilung der Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels kann auch der Oberste Gerichtshof „Tatsacheninstanz" mit Erhebungspflichten sein (Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 § 87 [§ 22 ZustG] Rz 4).

Folgender Sachverhalt wird festgestellt:

Der Rekurswerber übermittelte den Rekurs am 19. 11. 2008 um 19:02 Uhr mittels Telefax an das Erstgericht, wo die Telekopie am folgenden Tag mit der Eingangsstampiglie „20. 11. 2008" versehen wurde. Das Original des Rekurses wurde am 24. 11. 2008 zur Post gegeben und langte am 25. 11. 2008 beim Erstgericht ein.

Diese Feststellungen wurden aufgrund folgender Erwägungen getroffen:

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Umstand, dass das Erstgericht bereits am 20. 11. 2008 im Zusammenhang mit dem Rekurs des Bundes tätig wurde (laut Aktenvermerk ON 6 wurde beim Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien die Innehaltung der Auszahlung der Vorschüsse veranlasst), dass der Rekurs dem Erstgericht spätestens an diesem Tag vorgelegen sein muss. Dies deckt sich mit der Eingangsstampiglie auf der dem Aktenvermerk ON 6 angeschlossenen Telekopie („20. 11. 2008"). Das auf der Telekopie angebrachte Sendedatum „19-Nov-2008 19:02" ist daher glaubwürdig.

3. Ausgehend von den unter 2. angeführten Feststellungen wurde der Rekurs des Bundes am letzten Tag der Rekursfrist (19. 11. 2008) und somit rechtzeitig eingebracht und durch Übersendung des Originals verbessert.

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben; das Rekursgericht hat das Rechtsmittel des Bundes nun meritorisch zu erledigen.

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