OGH 10Ob42/21f

OGH10Ob42/21f21.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Stefula, die Hofrätin Dr. Faber und die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin J*, vertreten durch Dr. Roland Gabl Rechtsanwalts KG in Linz, gegen den Antragsgegner G*, vertreten durch Dr. Manfred Harrer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Oktober 2021, GZ 45 R 268/21a‑47, womit der Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 6. Mai 2021, GZ 26 Fam 16/20h‑42 zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0100OB00042.21F.0621.000

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Über Antrag der volljährigen Tochter erhöhte das Erstgerichtdie Geldunterhaltspflicht des Antragsgegners gegenüber der mit Unterhaltstitel vom 12. 10. 2011 festgesetzten Unterhaltspflicht von monatlich 200 EUR für näher bestimmte Zeiträume ab dem 1. 4. 2017 um im Einzelnen angeführte Beträge. Für den Zeitraum von 1. 10. 2019 bis 31. 3. 2020 wies es den Erhöhungsantrag ab.

[2] In seinem Rekurs wandte sich der Antragsgegner insoweit gegen den Beschluss des Erstgerichts, als dieses der Antragstellerin für den Zeitraum „1. 10. 2019 bis 31. 5. 2020“ einen monatlichen Unterhaltsanspruch von 200 EUR zuerkannt habe.

[3] Das Rekursgericht wies den Rekurs mit der Begründung zurück, der Antragsgegner habe im Verfahren erster Instanz – auch nach Beiziehung eines anwaltlichen Vertreters – keinen Antrag auf Enthebung von seiner Unterhaltspflicht gestellt. Soweit im Rekursvorbringen ein Enthebungsantrag für den Zeitraum ab 1. 10. 2019 zu sehen sei, sei das Rekursgericht dafür funktionell nicht zuständig. Soweit sich der Rekurs gegen die Entscheidung über den Erhöhungsantrag richte, fehle ihm die Beschwer, weil das Erstgericht den Erhöhungsantrag für den Zeitraum ab 1. 10. 2019 ohnehin abgewiesen habe.

[4] Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs macht der Antragsgegner geltend, sein in erster Instanz erstattetes Vorbringen sei als Enthebungsantrag zu werten.

[5] Das Erstgericht legte den außerordentlichen Revisionsrekurs dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

[6] Diese Vorgangsweise entspricht nicht der Rechtslage.

[7] 1. Als Revisionsrekurs erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts, also nicht nur Rechtsmittel gegen Sachentscheidungen des Gerichts zweiter Instanz. Die Bestimmung regelt vielmehr schlechthin die Anfechtbarkeit für jeden im Rekursverfahren ergangenen Beschluss des Rekursgerichts (RIS‑Justiz RS0120565 [T7, T8]). Sie erfasst daher auch die Zurückweisung des Rekurses mangels Beschwer (RS0120565 [T4, T9]; RS0120974 [T3]; 5 Ob 163/17g) und die Zurückweisung wegen funktioneller Unzuständigkeit des Rekursgerichts. Weist daher das Gericht zweiter Instanz „im Rahmen des Rekursverfahrens“ den Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung mangels Beschwer zurück, ist auch dieser Beschluss nur unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar.

[8] 2. Hat das Rekursgericht – wie hier – nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs). Übersteigt der Entscheidungsgegenstand nicht insgesamt 30.000 EUR und hat das Rekursgericht – wie hier – nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig ist, so kann eine Partei einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin gehend abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung; § 63 Abs 1 AußStrG).

[9] 3. Im Unterhaltsbemessungsverfahren ist der Entscheidungsgegenstand nach ständiger Rechtsprechung rein vermögensrechtlicher Natur und besteht ausschließlich in einem Geldbetrag (RS0007110 [T32]). Maßgeblich ist gemäß § 58 Abs 1 JN bei bestimmter Dauer der Gesamtbetrag der künftigen Belastungen, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache.

[10] 4. Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien die Unterhaltspflicht von 200 EUR monatlich für den Zeitraum von 1. 10. 2019 bis 31. 5. 2020, sohin für acht Monate, strittig. Der Wert des Entscheidungsgegenstands beträgt daher 1.600 EUR und übersteigt somit nicht 30.000 EUR.

[11] 5. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mit Zulassungsvorstellung angefochten werden kann, ein ordentlicher oder ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben, so hat das Erstgericht dieses Rechtsmittel – auch wenn es direkt an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge iSd § 63 AußStrG zu werten sind (RS0109623 [T13]). Ob der dem Rekursgericht vorzulegende Schriftsatz den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (RS0109623 [T14]).

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